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Rudolf Fritz Weiss-Preis für Forschungen über Thymol

Der Rudolf Fritz Weiss-Preis, der seit 1985 alljährlich von der Gesellschaft für Phytotherapie verliehen wird und derzeit mit 5200 Euro dotiert ist, ging in diesem Jahr an die 29-jährige Apothekerin Dr. Claudia Kohlert, Bad Kissingen. Damit wurden ihre Forschungen, die sie im Rahmen ihrer Dissertation "Systemische Verfügbarkeit und Pharmakokinetik von Thymol nach oraler Applikation einer thymianhaltigen Zubereitung im Menschen" vorgelegt hat, ausgezeichnet. Der Präsident der Gesellschaft für Phytotherapie Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Fritz Kemper überreichte den Preis im Rahmen des Symposiums "Phytopharmaka und Phytotherapie" am 11. Oktober in Berlin stellvertretend an Kohlerts Doktorvater PD Dr. Markus Veit. In seiner Laudatio würdigte er Kohlerts Forschungen als ein Musterbeispiel dafür, wie mit Bioverfügbarkeitsuntersuchungen eine Verbindung zwischen klinischen Daten und Daten aus pharmakologischen Modellen hergestellt werden kann.

Die systemische Verfügbarkeit von Thymol

Bei Thymol handelt es sich um ein flüchtiges Monoterpen, von dem man weiß, dass es zu einem großen Anteil pulmonal eliminiert wird und so in den unteren und oberen Atemwegen als Wirkstoff für die klinisch beobachtete sekretolytische und sekretomotorische Wirkung von Thymianextrakt in Frage kommt.

Kohlert wollte mit ihren Untersuchungen nicht nur die systemische Verfügbarkeit von Thymol untersuchen, sondern durch grundlegende pharmakokinetische Untersuchungen auch ein Modell entwickeln, mit dem die der Elimination vorausgehenden Prozesse beschrieben werden können. Diese Fragestellung ist – pars pro toto – auch von grundlegender Bedeutung für das Verständnis von Resorption, Metabolismus, Verteilung und Elimination lipophiler Terpene, wie sie in vielen ätherischen Ölen vorkommen, die Bestandteil von Arzneimitteln und Lebensmitteln sind.

Headspace-Festphasenmikroextraktion

Zunächst hatte Kohlert die schwierige Aufgabe zu bewältigen, eine ausreichend sensitive und valide Methode zu etablieren. Dies war deshalb nicht ganz einfach, weil es zur Bestimmung von Monoterpenen in Blut oder Plasma bisher nur wenige publizierte Methoden gibt. Um ausreichend sensitiv im Bereich von Nanogramm pro Milliliter messen zu können, bediente sie sich der Headspace-Festphasenmikroextraktion, die bisher im Pharmabereich kaum angewandt worden war. Bei der Validierung dieser Methode hatte sie sehr enge Vorgaben einzuhalten, weil auch die regulatorischen Anforderungen an die Validierung der Verfahren für Bioverfügbarkeitsuntersuchungen, die im Rahmen der Arzneimittelzulassung verwendet werden, sehr hoch sind.

Kohlert hat in enger Kooperation mit den Kollegen Dr. B. Brinkhaus und Dr. G. Schindler der Abteilung für Naturheilverfahren und Komplementärmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen selbstständig vier klinische Prüfungen, darunter eine GCP-gerechte klinische Phase-1-Studie, geplant, deren Durchführung vorbereitet und koordiniert und schließlich die gesamte bioanalytische Auswertung selbst durchgeführt. Die Datenauswertung erfolgte an der University of Florida unter Supervision von Prof. H. Derendorf. Für ihren Aufenthalt in den USA hatte Kohlert ein DAAD-Stipendium erhalten. Das gesamte Projekt wurde von Bayern Innovativ anteilig finanziert.

Als Ergebnis konnte Kohlert anhand der von ihr erarbeiteten Daten ein Modell vorlegen, das die Resorption, Verteilung und Elimination von Thymol im Menschen beschreibt; dieses Modell legt die Grundlage für weitergehende Untersuchungen biochemischer Vorgänge, die der pulmonalen Elimination von freiem Thymol zu Grunde liegen. Zudem sind die Ergebnisse auch von großer klinischer Relevanz und werden sicher dazu beitragen, sinnvolle Tagesdosen von Thymol festzulegen und entsprechende Arzneiformen zu entwickeln.

Terminale Eliminationsphase ungewöhnlich lang

Die im Rahmen der Arbeit erhaltenen Ergebnisse waren teilweise überraschend, insbesondere weil das renal eliminierte Thymolglucuronid als Phase-II-Metabolit im Plasma fehlte – dieser Befund war mittels HPLC-MS/MS-Experimenten umfassend abgesichert – und weil die terminale Eliminationsphase ungewöhnlich lang war. Nicht zuletzt durch diese Ergebnisse wird deutlich gemacht, wie weit wir von einem annähernd vollständigen Bild zur Pharmakokinetik und zum Metabolismus terpenoider Naturstoffe im Menschen entfernt sind. Diesen Problemkreis hat Kohlert in der umfassenden Einleitung zu ihrer Arbeit im Detail dargelegt und auch in einem international vielbeachteten Review beleuchtet [1].

Zu den von ihr erarbeiteten methodischen Grundlagen hat Kohlert einen Beitrag im Journal of Chromatography veröffentlicht [2]; die Ergebnisse der klinischen Studie sind im Journal of Clinical Pharmacology erschienen [3]. Diese Publikationen in international angesehenen Zeitschriften unterstreichen den wissenschaftlichen Wert der Forschungen, der jetzt auch mit der Verleihung des renommierten Rudolf Fritz Weiss-Preises anerkannt wurde. Als Doktorandin wurde Kohlert von PD Dr. Gudrun Abel, Neumarkt, und PD Dr. Markus Veit, München (früher: Sinzig), betreut.

Literatur

[1] Kohlert, C., van Rensen, I., März, R., Schindler, G., Graefe, U., Veit, M.: Bioavailability and Pharmakokinetics of natural volatile terpenes in animals and humans. Planta Med. 66, 495 – 505 (2000). [2] Kohlert, C., Abel, G., Schmid, E., Veit, M.: Determination of thymol in human plasma by automated headspace solid-phase microextraction gas chromatographic analysis. J. Chromatogr. Biomed. 767, 11 – 18 (2002). [3] Kohlert, C., Schindler, G., März, R. W., Abel, G., Brinkhaus, B., Derendorf, H., Gräfe, E. U., Veit, M.: Systemic availability and pharmacokinetics of thymol in humans. J. Clin. Pharmacol. 42, 731 – 737 (2002).

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