Berichte

Wein – Gärten – alte Apotheken: Schauversuch und Museumsführung

Gleich an drei Tagen konnten die an der Geschichte ihres Faches interessierten Studierenden der Pharmazie ihre Kenntnisse anschaulich erweitern: Praktisch begann es mit der Herstellung eines Arzneitrankes nach alter Vorschrift. Der folgende Tag bot eine Führung durch die an der TU angelegten "Arzneipflanzengärten nach historischen Vorbildern". Den Abschluss bildete die Besichtigung der Apothekenräume im Braunschweigischen Landesmuseum.

Herstellung eines historischen Arzneitranks

Seit dem vergangenen Wintersemester bietet die Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte der TU Braunschweig eine Veranstaltungsreihe an, die mithilfe eines historischen Schauversuchs einen Einblick in historische Arbeitsformen und medizinische Vorstellungen gibt. Die Veranstaltung wendet sich in erster Linie an Studierende der ersten Semester, kann aber auch für externe Gruppen angeboten werden.

In diesem Semester stand der Schauversuch unter dem Motto "In vino sanitas". Zubereitet wurde ein Arzneiwein aus dem "New Artznei und Practicierbüchlin" (1557) von Johann Dryander, Professor der Medizin in Marburg. Die Rezeptur aus Dryanders Arzneibuch ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen erfolgt die Zubereitung nicht durch Mazerieren, wie allgemein üblich, sondern durch Kochen. Zum anderen ist die Rezeptur für jeden Monat des Jahres eine andere. Dabei wird von einem Grundrezept ausgegangen, das u. a. Salbei enthält. Dieser wird allmonatlich durch ein oder zwei andere Pflanzen ersetzt.

In bewährter Zusammenarbeit von Prof. Dr. Bettina Wahrig und Iris Hübsch, die an der Abteilung ein Forschungsprojekt zur Geschichte pflanzlicher Arzneimittel in der Gynäkologie bearbeitet, wurden den interessierten Studierenden zunächst alte Arzneiformen aus der pharmaziehistorischen Sammlung vorgestellt und anschließend der Wein zubereitet.

Wie bereits im vergangenen Semester zeigten sich auch diesmal alle von der Aktion begeistert, und von Seiten der Studierenden war der Wunsch nach Herstellung eines Kräuterlikörs im kommenden Wintersemester zu hören. Ob dieser Wunsch allerdings erfüllt werden wird, steht noch nicht fest. Arzneiform und Termin werden wie immer rechtzeitig auf der Homepage der Abteilung (www.tubs.de/institute/pharmtech/pharmgesch) bekannt gegeben. Wir bedanken uns bei Apotheker Dr. Wigand Bohlmann (Hagenmarkt-Apotheke Braunschweig) für die kostenlose Bereitstellung der Pflanzendrogen.

Führung "Arzneipflanzengärten nach historischen Vorbildern"

Am folgenden Tag führte Dr. Gabriele Wacker, freie Mitarbeiterin an der Abteilung, durch die "historischen" Arzneipflanzengärten, welche in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Sie sind Teil des Arzneipflanzengartens der TU Braunschweig, der zum Institut für Pharmazeutische Biologie gehört. Den "historischen" Gärten liegt die Idee zugrunde, beispielhaft die Entwicklung von Arzneipflanzengärten nördlich der Alpen aufzuzeigen. Dafür wurden aus der Literatur vier Vorbilder von solchen Nutzgärten ausgewählt und modellhaft nachgebildet.

Nachbildung von Nutzpflanzengärten

Im "Hortulus" des Walahfrid Strabo, der den Garten des Benediktinerklosters auf der Insel Reichenau aus dem 9. Jahrhundert überliefert, stehen Zier-, Heil- und Gemüsepflanzen in Hochbeeten nebeneinander. Der "Wurzgarten", einem Hausväterbuch der Renaissance nachempfunden, macht den intensiven, aromatischen Geruch deutlich, der so charakteristisch für viele Arzneipflanzen ist und an diesem sonnigen Sommertag unmittelbar von allen wahrgenommen werden konnte. Der barocke Arzneikräutergarten wurde nach dem Gartenanleitungsbuch eines süddeutschen Pfarrers aus dem Jahre 1675 angelegt. Die Bepflanzung der von Buchsbaum eingefassten Beete orientiert sich an den damaligen Anwendungsbereichen. So stehen die vom Pfarrer gegen "Pest" und "Gifte" als hilfreich erachteten Weinraute (Ruta graveolens), Enzian (Gentiana sp.) und Melisse (Melissa officinalis) nebeneinander.

Der vierte Bereich macht mit ausgewählten Pflanzen auf den kommerziellen Anbau aufmerksam, der im 19. Jahrhundert vor allem im östlichen Deutschland seine Blütezeit hatte. Die Führung durch die "historischen" Gärten stieß auf lebendiges Interesse und wird bei Bedarf weiterhin für die Pharmaziestudierenden angeboten werden. Zu den Gärten liegt ein Begleitheft vor: "Die Entwicklung von Arzneipflanzengärten aus den Klostergärten des Mittelalters. Vier historische Nachbildungen". Es kann beim Institut für Pharmazeutische Biologie (www.tu-bs.de/institute/pharm.biol) angefordert werden.

Apothekenräume im Braunschweigischen Landesmuseum

Bereits seit einigen Semestern ist es Brauch, den Teilnehmern der Vorlesung "Geschichte der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte" die Apothekenräume im Braunschweigischen Landesmuseum zu zeigen. Dr. Gabriele Wacker konnte auch in diesem Semester eine größere Gruppe durch die historischen Apotheken aus dem 18. und 19. Jahrhundert führen.

Hauptausstellungsstück des ersten Raumes ist eine Offizin aus dem 18. Jahrhundert, die nebst Gefäßen aus dem Braunschweigischen stammt. Unter anderem sind Fayencen aus der 1707 von Herzog Anton Ulrich (1633 bis 1714) als "Porcelain-Fabrique nach Delfter Art" gegründeten Braunschweiger Manufaktur zu sehen. Das Thema "Alchemie" stieß bei den Studierenden auf besonderes Interesse; dazu wurden zum einen die Laboratoriumsgeräte, zum anderen die mit alchemistischen Symbolen beschrifteten prachtvollen Glasgefäße hinsichtlich Inhalt, Dekor und Verwendung des Präparates näher erklärt. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende zweite Apotheke stellt die Offizin mit Rezepturtisch der Sievers'schen Apotheke in Salzgitter-Bad dar, die noch heute in Familienbesitz ist. Die ausgestellte Einrichtung wurde dem Museum gestiftet.

Abschließend erklärte Dr. Gabriele Wacker einige Geräte zur Rezeptierkunst, wodurch deutlich wurde, dass die handwerkliche Tätigkeit bis weit ins 20. Jahrhundert zum Alltag der Apotheker gehörte. Von der "kleinen pharmaziehistorischen Woche" zeigten sich die Teilnehmenden wie auch die Veranstalterinnen gleichermaßen begeistert. Pharmaziegeschichte gehört nämlich nicht nur ins Museum, sondern hat ihren Platz auch in der modernen Phytotherapie. Darüber hinaus kann sie ein wahrhaft sinnstimulierendes Erlebnis sein.

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