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Im Zweiten Weltkrieg wurden Millionen Bürger der vom NS-Regime okkupierten Länder zur Zwangsarbeit für Deutschland verpflichtet. "Fremdarbeiter" ersetzten deutsche Arbeitskräfte, die in die Wehrmacht eingezogen wurden. In den Gettos und Vernichtungslagern wurden hunderttausende Juden und politisch Verfolgte zur Sklavenarbeit bis zur totalen Erschöpfung gezwungen oder in den Tod getrieben. Auch deutsche Unternehmen waren in das vom NS-Regime ausgehende Unrecht eingebunden - teilweise als willfährig Handelnde, teilweise als unfreiwillig Getriebene. Zwangsarbeit hat es in sehr unterschiedlichen Formen gegeben: sie wurde in der Landwirtschaft und bei den Kommunen, aber auch in nahezu allen Bereichen der privaten Wirtschaft geleistet. Betroffen waren Männer und Frauen, Kinder und Alte. Juden wurden vor ihrer Ermordung häufig als Arbeitssklaven an deutsche Fabriken verliehen - den Lohn kassierte die SS.

In Anerkennung dieses historischen Tatbestandes hat die deutsche Wirtschaft vor zwei Jahren die Stiftungsinitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" mit dem Ziel ins Leben gerufen, ehemaligen Zwangsarbeitern und rassisch Verfolgten zu helfen, die durch das NS-Regime besonderes Elend erleiden mussten. Dabei bekennt sich die Stiftung zur historischen und moralischen Verantwortung der deutschen Wirtschaft insgesamt - unabhängig davon, ob und wie stark die einzelnen Unternehmen in das NS-Unrecht verstrickt waren oder ob sie erst nach dem Krieg gegründet wurden. Zum Gelingen der Stiftung werden 10 Milliarden DM benötigt. Die eine Hälfte wird von der Bundesregierung, die andere Hälfte soll von der deutschen Wirtschaft aufgebracht werden. Der deutsche Bundestag hat inzwischen mit der großen Mehrheit aller Fraktionen und mit Zustimmung des Bundesrats ein entsprechendes Gesetz verabschiedet.

Bis dato haben sich über 3500 Unternehmen der Stiftungsinitiative angeschlossen. Allerdings liegt der von der Wirtschaft zugesagte finanzielle Betrag erst bei rund 3,2 Milliarden DM. Es fehlen also noch rund 1,8 Milliarden DM. Nach einem Aufruf namhafter Schriftsteller, u. a. Günter Grass, an die Bevölkerung, einen individuellen finanziellen Beitrag zu leisten, sind bislang weitere 400 000 DM an Spenden von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern eingegangen.

Erhellend ist, wer der Stiftungsinitiative beigetreten ist - und wer (noch?) nicht. Die Stifterliste ist im Internet allgemein zugänglich (http://www.stiftungsinitiative.de). Bayer und Hoechst gehören neben einigen anderen pharmazeutischen Unternehmen zu den (Gründungs-)Mitgliedern der Initiative, aber so manch andere Firmen und Verbände aus dem Pharma-Umfeld sucht man vergebens. Aktiv beteiligen sich an der Stiftungsinitiative erfreulicherweise auch einige Apotheken. Von unseren Berufsvertretungen ist dies (im Gegensatz zu Verbänden anderer Branchen) nicht bekannt. Beschämend ist, mit welch fadenscheinigen Begründungen sich einige Unternehmen aus der Verantwortung stehlen.

Die Stiftungsinitiative arbeitet auf freiwilliger Basis. Der Betrag von 5 Milliarden DM kann nur aufgebracht werden, wenn sich ihr noch mehr Unternehmen und Betriebe anschließen und großzügig spenden. Orientierungsmaßstab und Richtgröße ist dabei ein Betrag in Höhe von 1 Promille des Jahresumsatzes.

Die Geschichte kennt keinen Schlussstrich, aber Gesten der Versöhnung. Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft ist der Versuch einer solchen Geste gegenüber bislang "vergessenen" Opfern des Nationalsozialismus. Die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter sind, so sie noch leben, heute hoch betagt. Ihnen muss unbürokratisch und vor allem schnell geholfen werden. Stehen Sie nicht abseits! Setzen Sie ein Zeichen!

Nähere Informationen: http://www.stiftungsinitiative.de Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Haus der Deutschen Wirtschaft, Breite Straße 29, 10493 Berlin, Telefon 0 30/2 06 09-2 00, Fax 0 30/2 06 09-1 03/-1 04, E-Mail: info@stiftungsinitiative.de

Dr. Christian Rotta

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