DAX: Zweifel an der Konjunkturerholung

Erste Gewinnmitnahmen setzen ein – Nervosität vor den US-Jobdaten

(hps). Die Börsen sind der Wirtschaftserholung zu weit vorausgeeilt. Nachdem die Mehrheit der Ökonomen vor allzu großen Erwartungen hinsichtlich des Wachstumstempos warnen, setzen an den Weltbörsen Gewinnmitnahmen ein. Der große Ausverkauf ist das jedoch noch nicht. Die Rückschläge bei DAX und Dow Jones halten sich bislang in Grenzen.

Stabile Wirtschaftsindikatoren und jede Menge Liquidität im Hintergrund, das schienen noch zu Beginn der letzten Woche die Garanten für einen ungebremsten Börsenaufschwung. Entsprechend hilflos reagierten die Akteure, als der DAX zwischendurch um über 100 Punkte durchsackte. "Die Händler rätseln über die Gründe", hieß es. Technische Faktoren seien schuld gewesen, massive Stopp-loss-Verkäufe, die Kollege Computer bei Unterschreiten von gewissen Index-Marken automatisch auslöst. Nun rächen sich die dünnen Handelsumsätze, die die Ausschläge noch kräftiger als sonst ausfallen lassen. "Die Einbußen sind übertrieben", hört man nun vereinzelt Händler sagen. Das meinen vor allem diejenigen, die auf die V-Formation der Wirtschaftserholung bauen. Die Optimisten hoffen auf das viele Geld, das angeblich an den Seitenlinien nur auf seinen Einsatz wartet. Aber die erwarteten Rückkäufe fanden bislang nicht statt. Reine Börsenpsychologie – denn inzwischen befinden wir uns im "Horrormonat" September. Einige Profis sehen in dem schlechten Start in den neuen Börsenmonat ein schlechtes Omen für die kommenden Wochen. Nicht zu Unrecht, glaubt man dem Angstbarometer VDAX, der die Kosten für die Kursabsicherung durch Optionen misst. Der Index war letzten Mittwoch auf den höchsten Stand seit Juli geklettert. Dahinter steckt offensichtlich die Angst vor einem neuerlichen Bankencrash in den USA. Großen Respekt haben die Investoren auch vor den am 4. September anstehenden US-Arbeitsmarktdaten. Sollte sich hier keine deutliche Erholung eingestellt haben, dürfte dies als Beweis für eine nur schwache Erholung der Konjunktur gewertet werden.

Aus der Perspektive der Analysten

Verkehrte Welt. Während es die ausgewiesenen Optimisten der Landesbank Berlin jetzt für "durchaus möglich halten", dass es sich bei der vermeintlichen Wirtschaftswende aktuell nur um eine von Konjunkturpaketen und Notenbanken unterstützte Gegenbewegung handelt, rudern die vormals pessimistisch gestimmten Analysten der Deutsche Bank zurück. Ein starker Abverkauf in Richtung 4000-Punkte-Marke sei nicht mehr in Sicht. Dafür sehen die Frankfurter die Gefahr einer weiteren Blase, wenn sich die Aktienmärkte weiter von der realen Wirtschaftsentwicklung abkoppeln. Ein bemerkenswerter Stimmungswandel – und dennoch sind die Bullen am Parkett klar in der Überzahl. "Die Rallye geht weiter", fasste die Financial Times letzte Woche das Stimmungsbild unter den Profis zusammen. Sie stützen sich dabei auf die sattsam bekannten Argumente: Zu viel Kapital stünde noch am der Seitenlinie, die Institutionellen würden jeden noch so kleinen Rücksetzer zum Einstieg nutzen. Auf dieser Welle reiten die Fondsgesellschaft Pioneer, die Commerzbank und die niederländische ING Bank, um nur einige zu nennen. Unterdessen hängen auch die Charttechniker die Latte immer höher: 6500 DAX-Punkte seien nun möglich – und das Ganze angeblich ohne nennenswerte Widerstände auf dem Weg nach oben. Allerdings herrscht inzwischen gerade unter den Technikern erhebliche Unsicherheit, nachdem der DAX einige – bislang als verlässlich eingeschätzte – Unterstützungslinien mühelos durchbrochen hatte.

Musterdepot und Strategie

Ein schnelles Geschäft konnte mit den Puts auf Daimler und Linde erzielt werden. Beide Scheine wurden binnen einer Woche mit 66 bzw. 26 Prozent im Plus am 2. September glattgestellt, wobei Linde durchaus noch haltenswert erscheint. Kali + Salz verließen am gleichen Tag mit plus 37 Prozent ebenfalls das Depot. Glattstellung auch bei dem BMW -Put – nach drei Wochen ein Nullsummenspiel, hier sitzt die Fälligkeit bereits im Nacken. Das gilt auch für den Put auf Daimler, der mit noch einigermaßen verdaulichen minus 20 Prozent liquidiert wurde. Positionen mit drei Wochen Haltezeit sind im Optionsgeschäft erfahrungsgemäß kaum mehr zu retten. Neu aufgenommen wird der Put auf SAP der Citigroup. Ähnlich wie schon zuvor Linde ist der Schein relativ "konservativ" mit einer Laufzeit bis Oktober und einer Basis von 34 Euro, denn SAP notiert aktuell sogar schon leicht darunter. Die Aktie der Walldorfer ist einer der wenigen DAX-Werte, die bislang kaum Federn lassen mussten. Gewinnmitnahmen sind hier zu erwarten.

DAX am 3. September (14.30 h): 5350 Punkte.

Aktie
zum
Kurs
Tipp
vom
Kurs
aktuell
Veränderung
in %
Strategie
DWS Russia
74,38
14.01.
107,83
+ 45%
Verkauft 29.4.
ThyssenKrupp Put
0,12
28.01.
0,13
+ 8%
Verkauft 20.2.
Lufthansa Put
0,09
28.01.
0,10
+ 11%
Verkauft 20.2.
Telecom Put
0,48
04.02.
0,76
+ 58%
Verkauft 12.2.
RWE Put
0,25
04.02.
0,35
+ 40%
Verkauft 12.2.
Metro Put
0,12
25.02.
0,18
+ 50%
Verkauft 2.3.
ThyssenKrupp Put
0,11
11.03.
0,17
+ 29%
Verkauft 1.4.
M.A.N. Put 06/09
0,15
29.04.
0,22
+ 47%
Verkauft 14.5.
BMW Put 06/09
0,16
27.04.
0,48
+ 200%
Verkauft 14.5.
SAP-Put 08/09
WKN: GS10NS
1,30
04.06.
1,60
+ 91%
Verkauft 17.6.
BMW Put 08/09
WKN: CG4XRR
0,15
11.06.
0,31
+ 107%
Verkauft 24.6.
Henkel Put 07/09
WKN: CM3PRW
0,02
21.05.
0,01
– 50%
Verkauft 8. 7.
BMW Put 09/09
WKN: CG4KMB
0,19
02.07.
0,32
+ 68%
Verkauft 8. 7.
Deutsche Börse Put 09/09
WKN: CG0PFW
0,34
16.07.
0,43
+ 26%
Verkauft 6. 8.
Salzgitter Put 09/09
WKN: CM2YZH
0,48
25.06.
0,18
– 63%
Verkauft 17.8.
BMW Put 05/09
0,18
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Bayer Put
0,31
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 05/09
0,13
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Salzgitter Put
0,28
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put
0,37
25.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
SAP Put
0,08
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Deutsche Bank Put
0,32
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 06/09
WKN: CM2JUG
0,21
16.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Dt. Börse Put 06/09
WKN: CM1KEZ
0,26
20.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Caterpillar Put 06/09
WKN: CG3DFN
0,15
23.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put 06/09
WKN: AA1AE0
0,18
13.05.
0,00
Verlust
ausgebucht
Henkel Put 08/09
WKN: CG4XXB
0,076
18.06.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 09/09
WKN: DB94LX
0,18
28.05.
0,04
– 77%
Halten
Deutsche Bank 09/09
WKN: CB43VU
0,28
25.06.
0,01
– 99%
Halten
RWE Put 09/09
WKN: CG0ZTP
0,20
16.07.
0,01
– 99%
Halten
Daimler Put 09/09
WKN: CG0TKZ
0,11
23.07.
0,033
– 70%
Verkauft 2. 9.
BASF Put 09/09
WKN: DB91LQ
0,15
05.08.
0,12
– 20%
Verkauft 3. 9.
BMW Put 09/09
WKN: CG56RU
0,08
06.08.
0,08
+/– 0
Verkauft 2. 9.
Kali und Salz Put 10/09
WKN: CG5MPB
0,19
20.08.
0,26
+ 37%
Verkauft 2. 9.
Daimler Put 10/09
WKN: CM9USZ
0,175
27.08.
0,29
+ 66%
Verkauft 2. 9.
Linde Put 10/09
WKN: DZ0FHF
0,38
27.08.
0,48
+ 26%
Verkauft 2. 9.
SAP Put 10/09
WKN: CG5NWL
0,11
02.09.
neu
Kaufen
zum Vergleich:
DAX seit 8. 1.
4871,00
5350,00
+ 10%
Die Angaben zu Aktienkäufen im Musterdepot und im Artikel sind nur fiktiv zu verstehen, es handelt sich dabei keinesfalls um Kaufempfehlungen.

Aus der Sicht des Querdenkers

Willkommen in der Börsen-Schlechtwetterperiode! September und Oktober gelten als die traditionell schlechtesten Börsenmonate – und sie werfen ihre Schatten bereits voraus. Die Ausgangslage: Der amerikanische S&P Index, der 500 Unternehmen umfasst, preist mit seinem derzeitigen Kursniveau ein Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr von ca. 4 Prozent ein. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit eine ambitionierte Bewertung. Die Aktien sind gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis damit inzwischen so teuer wie zuletzt vor sieben Jahren.
Staatliche Hilfspakete und die Politik des billigen Geldes durch die Notenbanken hatten dem Kursaufschwung den Weg geebnet. Inzwischen kann man indes die Tage bis zum Auslaufen der Konjunkturprogramme zählen. Deshalb will wohl auch die an sich erfreuliche Nachricht, dass die US-Wirtschaft im August erstmals seit Januar 2008 wieder auf Expansionskurs gegangen ist, keine rechte Freude mehr aufkommen lassen. Der Zuwachs war nur der Abwrackprämie "cash-for-clunkers" zu verdanken – und die ist vor wenigen Tagen ausgelaufen. Aber auch verschiedene Konjunkturbarometer mahnen zur Vorsicht. Zum Beispiel der viel beachtete Baltic Dry Index, der die weltweiten Frachtraten abbildet und der nach anfänglicher Erholung inzwischen schon wieder eingebrochen ist.
Auf kurze Sicht herrscht zwar erhebliche Verunsicherung unter den Anlegern, die Kursrückgänge verlaufen bislang aber sehr moderat, was darauf hindeutet, dass die Großanleger nach wie vor auf günstigere Notierungen lauern. Vermutlich werden sich die Institutionellen damit aber Zeit lassen und erst bei Kursen unter 5000 Punkten zurückkommen. Mittelfristig droht indes Schlimmeres. Die Zeit läuft gegen die Optimisten. Die Hilfsprogramme neigen sich dem Ende zu, was sich auch in den Unternehmenszahlen bemerkbar machen wird. Nach Lage der Dinge ist es unwahrscheinlich, dass die Konjunkturerholung wirklich die notwendige Stärke erreicht hat, die für einen selbst tragenden Aufschwung erforderlich wäre. Also könnten in den USA schon bald neue Konjunkturpakete geschnürt werden. Dies würde einmal mehr unterstreichen, dass die bisherige Erholung ohne Substanz war. Die Diskussion um die W-Formation der Wirtschaft ist deshalb genauso wenig vom Tisch wie ein erneuter Rückfall auf die 3600-Marke im DAX. Aus heutiger Sicht mag das unwahrscheinlich klingen. Aber die Faktenlage, die heute als Argumentationsgrundlage für die Optimisten dient, wird sich ändern.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.