Arzneimittel und Therapie

Postmenopausales fortgeschrittenes Mammakarzinom; Anastrozol – ein potenzi

Laut ersten Ergebnissen einer neuen nordamerikanischen Studie ist der selektive Aromatasehemmer Anastrozol wirksamer als Tamoxifen, das bisher als Goldstandard in der Behandlung postmenopausaler Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom gilt. Das berichtete jetzt Astra Zeneca.

Die Studie, die am 16. September auf der 10. European Cancer Conference (ECCO) in Wien vorgestellt wurde, war Teil eines groß angelegten internationalen Zwei-Studien-Programms mit über 1000 Patientinnen. Beide Studien zeigten, dass Anastrozol mindestens ebenso wirksam ist wie Tamoxifen. Die nordamerikanische Studie deutet darüber hinaus auf eine Überlegenheit von Anastrozol hin. Damit wird erstmals die Position von Tamoxifen als routinemäßige endokrine Therapie der ersten Wahl bei diesen Patientinnen ernsthaft streitig gemacht. Nach der Zulassung für diesen erweiterten Einsatz wird Anastrozol für postmenopausale Patientinnen eine Alternative für die endokrine First-line-Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms darstellen.

Wirksamer als Tamoxifen?

Die groß angelegte randomisierte nordamerikanische Doppelblindstudie, in der über 350 Patientinnen 18 Monate lang beobachtet wurden, sollte ursprünglich zeigen, ob die beiden häufig eingesetzten Wirkstoffe Tamoxifen und Anastrozol als First-line-Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms gleich wirksam sind. Damit wäre erstmals eine neue Form der endokrinen Therapie Tamoxifen gleichwertig und Patientinnen wie Ärzte hätten damit eine größere Auswahl bei den Therapiemöglichkeiten. Die Ergebnisse haben jedoch die Experten überrascht. Während die protokollgemäße Analyse ergab, dass Anastrozol mindestens ebenso wirksam ist wie Tamoxifen, zeigten die Ergebnisse, dass bei den mit Tamoxifen behandelten Frauen das Risiko einer Progression um 44% höher war als unter Anastrozol. Eine nicht im Protokoll vorgesehene Post-hoc-Untersuchung zeigte, dass der Unterschied statistisch signifikant war (p= 0,005). Demnach stellt Anastrozol für diese Patientinnen möglicherweise eine wirksamere Behandlungsform dar als Tamoxifen.

Einer der Leiter der nordamerikanischen Studie, Professor Jean-Marc Nabholtz, University of Alberta School of Medicine und Cross Cancer Institute, Edmonton (Kanada), sagte: "Wir wussten, dass sowohl Tamoxifen als auch Anastrozol wirksame Medikamente zur Behandlung postmenopausaler Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom sind. Bisher sind die beiden Substanzen jedoch nie in einer klinischen Studie direkt miteinander verglichen worden. Interessant ist, dass die beiden Medikamente auf völlig unterschiedliche Weise wirken. Tamoxifen blockiert hauptsächlich Östrogenrezeptoren in Tumorzellen, während Anastrozol die Östrogensynthese hemmt, so dass weniger Östrogen an die Östrogenrezeptoren andocken kann. Da die Substanzen unterschiedliche Wirkprinzipien haben, gibt es möglicherweise auch Unterschiede im Nebenwirkungsprofil. Wir wollten herausfinden, ob diese beiden unterschiedlichen Ansätze zur Reduzierung der Östrogeneffekte auf die Tumorzellen gleich wirksam sind, und ob es klinisch bedeutsame Unterschiede bei den Nebenwirkungen gibt. Obwohl wir noch in der Frühphase sind, zeigen unsere Ergebnisse, dass die Reduzierung des zirkulierenden Östrogens durch Anastrozol in dieser Patientinnengruppe ein sehr wirksamer Ansatz ist, ebenso wirksam wie Tamoxifen, wenn nicht noch wirksamer. Dieser Ansatz verdient es sicherlich, weiter untersucht zu werden. Beide Wirkstoffe werden gut vertragen und scheinen hinsichtlich der Nebenwirkungsrate vergleichbar zu sein. Es gab jedoch Unterschiede in der Anzahl thromboembolischer Ereignisse, mit günstigerem Ergebnis in der Anastrozol-Gruppe. Diese Ergebnisse rechtfertigen eine Untersuchung von Anastrozol im Frühstadium des operablen Mammakarzinoms."

Klinische Studien

Die Ergebnisse der zweiten Studie des 1000-Patientinnen-Programms, die 650 Patientinnen an Zentren in Europa, Lateinamerika und Südasien einschloss, wurden ebenfalls in dieser Woche bei der ECCO vorgestellt. Sie zeigen, dass Anastrozol in dieser Patientinnengruppe mindestens ebenso wirksam ist wie Tamoxifen. Warum die nordamerikanische Studie eine Überlegenheit von Anastrozol über Tamoxifen zeigte, während die zweite Studie eine Gleichwertigkeit der beiden Wirkstoffe ergab, wurde auf der Konferenz heftig diskutiert.

Einer der Leiter der zweiten Studie, Professor Jacques Bonneterre vom Zentrum Oscar Lambret, Lille (Frankreich), ist wie Professor Nabholtz der Meinung, dass die Antwort vielleicht schon gefunden ist. "Unserer Ansicht nach gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Frauen, die in den beiden Studien untersucht wurden. Dieser könnte die unterschiedlichen Ergebnisse erklären. Ein sehr hoher Anteil der Frauen in der nordamerikanischen Studie - über 88% - hatte erwiesenermaßen hormonabhängige Tumoren, während dieser Anteil in unserer Studie nur etwa 43% betrug. Wenn es wirklich einen Unterschied im Anteil der hormonabhängigen Tumoren zwischen den beiden Studien gibt, könnte das der Grund sein, warum die nordamerikanischen Patientinnen so gut abschnitten. Dies muss weiter untersucht werden. Wir sollten dennoch nicht vergessen, dass zum ersten Mal ein Aromatasehemmer bei diesen Patientinnen ebenso wirksam war wie Tamoxifen - und dass die nordamerikanische Studie auf eine signifikant höhere Wirksamkeit von Anastrozol hindeutet. Anastrozol hat möglicherweise Vorteile in Sachen Verträglichkeit, insbesondere im Hinblick auf eine geringere Inzidenz thromboembolischer Ereignisse. Diese Ergebnisse alleine zeigen schon, dass Ärzte und Patientinnen in Zukunft hinsichtlich der First-line-Therapie eine Wahl haben."

Mit einer Studie, wie sie von Professor Nabholtz gefordert wird, ist bereits begonnen worden. Diese Woche wurde bekanntgegeben, dass die Patientinnenrekrutierung für die ATAC-Studie (Anastrozol, Tamoxifen Alone oder in Combination) abgeschlossen wurde. Dies ist die bisher größte Studie, die die adjuvante endokrine Behandlung von Brustkrebs untersucht. ATAC vergleicht Anastrozol und Tamoxifen bei der adjuvanten Behandlung von operablem Brustkrebs im Frühstadium bei über 9000 postmenopausalen Frauen an Zentren in der ganzen Welt. Laut Professor Michael Baum, Professor für Chirurgie am University College Hospital in London und Vorsitzender des ATAC-Steuerungskomitees, "wird ATAC uns Antworten auf einige grundlegende Fragen über die Wirksamkeit und Sicherheit dieser beiden Substanzen liefern, die die ersten Ergebnisse von Professor Nabholtz und Professor Bonterre in dieser Woche aufgeworfen haben. Da Anastrozol und Tamoxifen in einem Arm der Studie kombiniert angewandt werden, können wir untersuchen, ob für die Patientinnen noch bessere Ergebnisse dabei herauskommen, wenn die beiden Medikamente zusammen gegeben werden." Die ATAC-Studie soll 2001 abgeschlossen werden.

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