DAZ aktuell

Klagebefugnis Rezeptsammelstelle

Rezeptsammelstelle und öffentliches Interesse VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.12.1997 - 9 S 1039/96 - Die Entscheidung darüber, ob eine Rezeptsammelstelle erforderlich ist oder nicht, obliegt der zuständigen Behörde allein im öffentlichen Interesse. Dem Inhaber einer anderen Apotheke steht insoweit kein Abwehrrecht zu.

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber einer von drei Apotheken in Künzelsau. Er wendet sich gegen eine Erlaubnis zur Unterhaltung einer Rezeptsammelstelle in Künzelsau-Taläcker, welche die Beklagte ihm und den Inhabern der beiden anderen Apotheken erteilt hat.

Am 26.05.1994 stellte der Inhaber der D-Apotheke den Antrag auf Erlaubnis einer Rezeptsammelstelle in Künzelsau-Taläcker. Die Beklagte hörte den Kläger und die Inhaberin der J-Apotheke hierzu an. Beide schlossen sich dem Antrag an, erklärten aber zugleich, daß sie eine Rezeptsammelstelle nicht für erforderlich hielten, da das Neubaugebiet Taläcker von der Ortsmitte von Künzelsau nicht unzumutbar weit entfernt liege. Die Beklagte erteilte die begehrte Erlaubnis am 18.05.1995 für drei Jahre und unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs an alle drei Apotheken mit der Maßgabe, daß diese die Rezeptsammelstelle im monatlichen Wechsel zu betreiben hätten. Die Straßenentfernung von der Ortsmitte von Künzelsau und Taläcker betrage 4,7 km, und die Busverbindung stelle nicht sicher, daß Bewohner von Taläcker auch in Zeiten von Schulferien vormittags wie nachmittags mit einem Zeitaufwand von nicht deutlich mehr als einer Stunde Arzneimittel in Künzelsau besorgen könnten.

Der Kläger legte gegen die Erlaubnis Widerspruch ein. Rezeptsammelstellen dürften nur als Notbehelf eingerichtet werden, wenn eine Apotheke unzumutbar weit entfernt liege. Das sei bei Taläcker nicht der Fall. Zum einen werde übersehen, daß die Fahrstraße zwar 4,7 km betrage, jedoch einen großen Bogen schlage; zu Fuß sei die Ortsmitte von Künzelsau in allenfalls 20 Minuten erreichbar. Außerdem gebe es in Taläcker keine Ladengeschäfte, weshalb die dortige Bevölkerung ohnehin zum Einkaufen nach Künzelsau fahren oder gehen müsse. Bei dieser Sachlage könne ihm der mit der Unterhaltung einer Rezeptsammelstelle verbundene organisatorische und personelle Aufwand nicht zugemutet werden. - Die Beklagte hielt an ihrer Auffassung, Künzelsau-Taläcker sei abgelegen, die Einrichtung einer Rezeptsammelstelle daher erforderlich, fest und wies den Widerspruch darum mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.1995 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben, mit der er sein Anliegen weiter verfolgt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen; der Kläger habe die nunmehr angegriffene Erlaubnis selbst beantragt und sei darum nicht beschwert. Hiergegen richtet sich die Berufung.

Aus den Entscheidungsgründen

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Recht als unzulässig abgewiesen. Darum bedurfte es auch nicht der Beiladung der beiden anderen Erlaubnisinhaber (§ 65 Abs. 2 VwGO).

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung ist hier nicht ersichtlich.

Das ergibt sich freilich nicht schon daraus, daß dem Kläger die sog. formelle Beschwer fehlte. Es ist zwar richtig, daß er die Erteilung der streitigen Erlaubnis selbst mit beantragt hat; verengt man den Blick darauf, so hätte der Kläger in der Tat nur erhalten, was er selbst wollte. Diese Sicht würde jedoch übersehen, daß der Kläger den Antrag gewissermaßen unter Protest gestellt und zugleich Widerspruch gegen eine Erlaubnis angekündigt hat. Ein solches Verhalten ist wirtschaftlich sinnvoll und rechtlich zulässig; es kann nicht dazu führen, dem Kläger eine Klagemöglichkeit zu nehmen, die er andernfalls hätte.

Eine solche Klagemöglichkeit hat der Kläger aber deshalb nicht, weil er durch die angefochtenen Bescheide unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in eigenen Rechten verletzt sein kann.

Eine solche Rechtsverletzung kommt keinesfalls in Betracht, soweit die dem Kläger selbst erteilte Erlaubnis in Rede steht. Der Kläger sieht sich allerdings durch die Erlaubnis nicht nur begünstigt, sondern auch belastet; er meint, er sei infolge der Erlaubnis nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Rezeptsammelstelle mit zu unterhalten, und verweist auf den damit verbundenen organisatorischen und personellen Aufwand. Ob dies zutrifft, mag dahinstehen. Jedenfalls hat es der Kläger selbst in der Hand, eine solche Beschwer wieder zu beseitigen. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 der Apothekenbetriebsordnung -ApBO - i.d.F. vom 09.02.1987 (BGBl. I S. 1195; spätere Änderungen der Verordnung sind nicht einschlägig) kann die Erlaubnis zur Unterhaltung einer Rezeptsammelstelle nur auf Antrag erteilt werden. Daraus ergibt sich zugleich, daß die Erlaubnis erlischt oder jedenfalls unverzüglich aufzuheben ist, wenn der Antrag zurückgenommen oder die Aufhebung beantragt wird. Eine Rechtsverletzung infolge einer etwa mit der Erlaubnis verbundenen Unterhaltspflicht ist dann aber nur möglich, wenn die Erlaubnis ohne Antrag erteilt oder trotz Antragsrücknahme oder Aufhebungsantrag nicht zurückgenommen bzw. widerrufen wird. So aber liegt der Fall nicht; der Kläger hat vielmehr einen Erlaubnisantrag gestellt. Im übrigen hat er seinen Antrag während des Berufungsverfahrens zurückgenommen, woraufhin die Beklagte die Erlaubnis, soweit sie den Kläger betrifft, aufgehoben hat.

Eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten scheidet jedoch auch aus, soweit die Erteilung der Erlaubnis an die Inhaber der beiden anderen Apotheken in Rede steht. Dem Inhaber einer Apotheke steht kein Abwehrrecht gegen eine Rezeptsammelstelle zu.

Ein solches Abwehrrecht ergibt sich zunächst nicht aus § 24 Abs. 1 Satz 2 ApBO. Nach dieser Vorschrift ist die Erlaubnis zur Unterhaltung einer Rezeptsammelstelle zu erteilen, wenn zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheke eine Rezeptsammelstelle erforderlich ist. Dem Kläger ist zuzugeben, daß eine solche Erlaubnis nicht erteilt werden darf, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind; die Einrichtung einer Rezeptsammelstelle ist ein Notbehelf, durch den der Grundsatz, daß Arzneimittel nur persönlich und nur in den Betriebsräumen einer Apotheke abgegeben werden dürfen, durchbrochen wird und nur ausnahmsweise durchbrochen werden darf, wenn anders die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht sicherzustellen ist (BVerwG, Urt. vom 09.07.1974 - I C 24.73 -, BVerwGE 45, 331 <337>). Die Entscheidung darüber, ob die Einrichtung einer Rezeptsammelstelle erforderlich ist oder nicht, obliegt der Beklagten als der zuständigen Behörde indes allein im öffentlichen Interesse. Ausschlaggebend hierfür ist allein das Gesetzesziel einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. § 24 Abs. 1 Satz 2 ApBO läßt ebensowenig wie die zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigung in § 21 Abs. 2 Nr. 9 Apothekengesetz erkennen, daß die zuständige Behörde darüber hinaus auch die wirtschaftlichen Interessen der von ihrer Entscheidung möglicherweise berührten Apotheken zu wahren hätte (vgl. Senat, Urt. vom 06.02.1996 - 9 S 1531/95 -, .

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Grundrechten der Inhaber dieser Apotheken. Allerdings ist möglich, daß durch die Einrichtung einer Rezeptsammelstelle der Erlaubnisinhaber seinen Konkurrenten Kunden abwirbt. Ein Kundenkreis oder ein festes Einzugsgebiet gehört jedoch nicht zum eigentumsrechtlich geschützten Bestand einer Apotheke (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25.06.1982 - 3 B 13.82 -, Buchholz 418.21 ApBO Nr. 3). Soweit dem Erlaubnisinhaber durch die Rezeptsammelstelle ein Marktvorteil erwächst, gebietet freilich Art. 3 Abs. 1 GG der Behörde, die in ihren Interessen berührten Apotheken gleich zu behandeln. Daß dieser Grundsatz hier beachtet worden ist, steht aber außer Frage. Die Beklagte hat alle drei Künzelsauer Apotheken - auch den Kläger - zur beabsichtigten Einrichtung einer Rezeptsammelstelle angehört und ihnen damit Gelegenheit gegeben, ihre Teilnahme an dieser Einrichtung zu beantragen. Davon hat auch der Kläger Gebrauch gemacht, und er ist in der Erlaubnis auch nicht übergangen worden.

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