Rechtsprechung aktuell

Rezeptsammelstellen: Bei konkurrierenden Apotheken entscheidet der kürzeste W

Die straßenmäßige Entfernung zwischen Apotheke und Rezeptsammelstelle ist maßgebliches Kriterium für die Entscheidung der zuständigen Behörde oder Apothekerkammer, welche Apotheken eine Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle erhalten. Bei der Ermittlung der kürzesten Wegstrecke sind nicht nur befestigte Straßen einzubeziehen. Auch Fährverbindungen können berücksichtigt werden, selbst wenn der Fährbetrieb in den Wintermonaten eingestellt wird. (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000, Az.: 12A78/99)

Das Verwaltungsgericht hatte über die Klage zweier Apotheken-Inhaberinnen aus W. zu entscheiden, die der Auffassung waren, einer konkurrierenden Apotheke in K. sei zu Unrecht die Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle erteilt worden. Die Landesapothekerkammer hatte allen drei Apotheken die Erlaubnis für den Betrieb der Sammelstelle in der Ortschaft B. im turnusmäßigen Wechsel erteilt. Die Entfernung von W. nach B. beträgt 7,8 km, die von K. nach B. 5,2 km.

Die Klägerinnen vertraten die Meinung, dass die Apothekerin aus K. eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung in B. nicht gewährleisten könne. Für den Weg von K. nach B. müsse eine Fähre über einen Fluss benutzt werden, die in den Monaten Dezember bis März jedoch wegen Frost und Eisgang nicht eingesetzt werde. In dieser Zeit sei B. nur über eine befestigte Straße zu erreichen. Der Weg von K. nach B. sei auf diesem Wege erheblich länger als der von W. nach B. Die Klägerinnen waren der Auffassung, die Fährverbindung müsse bei der Bestimmung der nächstgelegenen Apotheken außer Betracht bleiben. Für die Berechnung der Entfernung dürften - anders als geschehen - nur die befestigten Straßen zugrunde gelegt werden.

Einrichtung von Rezeptsammelstellen für abgelegene Orte

Das Verwaltungsgericht wies die Klage der beiden Apothekerinnen ab. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist dem Inhaber einer Apotheke auf Antrag die Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle zu erteilen, wenn zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheke eine Rezeptsammelstelle erforderlich ist. Eine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn mehrere Apotheker eine solche Erlaubnis beantragen, sieht das Gesetz nicht vor.

In der Rechtsprechung wurde allerdings der Grundsatz entwickelt, dass gleich weit oder annähernd gleich weit vom abgelegenen Ort entfernte Apotheken an dem Betrieb der Rezeptsammelstelle zu gleichen Teilen zu beteiligen sind. So kann die Erlaubnis etwa mit der Maßgabe erteilt werden, dass die Sammelstelle im festgelegten zeitlichen Wechsel zu betreiben ist (vgl. dazu ausführlich Cyran/Rotta, Kommentar zur Apothekenbetriebsordnung, Stand: Juli 2000, § 24 Rdnr. 42ff.).

Bei konkurrierenden Apotheken ist der Gleichheitssatz Maßstab

Muss zwischen konkurrierenden Apotheken eine Auswahl getroffen werden, so ist allein der Gleichheitssatz, Art. 3 GG, als Maßstab heranzuziehen. Hiernach ist nach sachgerechten Auswahlkriterien eine Entscheidung über die zu beteiligenden Apotheken zu treffen. Weder darf ein Bewerber gleichheitswidrig bevorzugt noch ein anderer gleichheitswidrig benachteiligt und damit unmittelbar in seiner Berufsausübungsfreiheit verletzt werden.

Unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass die straßengebundene Entfernung zwischen der Apotheke und dem zu versorgenden Ort ein sachgerechtes Auswahlkriterium ist, wenn mehrere Apotheken um die Erlaubniserteilung konkurrieren. Entfernungsunterschiede sind dann zu vernachlässigen, wenn aus ihnen ein sachlicher Grund für eine Differenzierung nicht abgeleitet werden kann. Diese Grundsätze finden sich auch in den Richtlinien der Apothekerkammer Schleswig-Holstein für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle (abgedruckt in: Cyran/Rotta, a.a.O., § 24 Rdnr. 83).

Fähre gewährleistet straßenmäßige Anbindung

In ihrer Entscheidung stellten die Verwaltungsrichter fest, dass die Apothekerkammer in sachgerechter Abwägung allen drei Apotheken die Erlaubnis für die Rezeptsammelstelle erteilt hatte. Es sei zutreffend gewesen, dass die Kammer für die Ermittlung der straßengebundenen Entfernung die kürzeste Wegstrecke zwischen der Apotheke in K. und dem Rezeptsammelort zugrunde gelegt habe, nämlich jene, die die Fährverbindung einschließt. Hierdurch sei die straßenmäßige Anbindung gewährleistet.

Den Einwand der Klägerinnen, nach dem Schleswig-Holsteinischen Straßen- und Wegegesetz gehörten Fähren nicht zu den öffentlichen Straßen, wies das Gericht zurück. Dieses Gesetz regelt die Rechtsverhältnisse an öffentlichen Straßen. Die Ausgrenzung der Fähren bedeute lediglich, dass diese nicht den speziellen straßen- und wegerechtlichen Vorschriften unterfallen. Daraus dürfe nicht der Rückschluss gezogen werden, dass eine Fährverbindung nicht im Sinne einer Straßenverbindung verstanden werden darf. Das Straßen- und Wegerecht enthalte nämlich keine für alle Rechtsbereiche allgemeingültige Definition. Vielmehr sei der Begriff "Straße" im jeweiligen Anwendungsbereich eigenständig auszulegen. Im vorliegenden Fall müsse der Begriff vor dem Hintergrund der Apothekenbetriebsordnung interpretiert werden.

Nach Sinn und Zweck des § 24 ApBetrO ist allein die Erreichbarkeit des Rezeptsammelortes auf dem direkten Weg maßgebend. Ob diese durch Tunnel, Brücken oder Fähren gewährleistet wird, sei unerheblich. Zudem habe die Apothekerkammer dem Umstand, dass die Fähre in den Wintermonaten nicht verkehrt, ausreichend Rechnung getragen, indem sie die Apotheke in K. für diese Zeit nicht zur Rezeptsammlung eingeteilt hat.

Kastentext: Leitsätze

1. Gleich weit oder annähernd gleich weit vom abgelegenen Ort entfernte Apotheken sind an dem Betrieb der Rezeptsammelstelle zu gleichen Teilen zu beteiligen, etwa mit der Maßgabe, dass die Rezeptsammelstelle im festgelegten zeitlichen Wechsel zu betreiben ist. 2. Für die Auswahl unter konkurrierenden Bewerbern bietet allein der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz den Maßstab nach dem nach sachgerechten Auswahlkriterien eine Entscheidung über die zu beteiligenden Apotheker zu treffen ist. 3. Bei mehreren konkurrierenden Apotheken ist es sachgerecht, die straßengebundene Entfernung zwischen ihnen und dem zu versorgenden Ort als Auswahlkriterium zugrunde zu legen. 4. Ob die straßenmäßige Verbindung zweier Ortschaften durch Brücken, Tunnel oder Fähren gewährleistet wird, ist nach dem Sinn und Zweck des § 24 ApBetrO unerheblich.

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