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Forderung nach mehr Pharmazeuten auf den Stationen

BERLIN (ks). 0,3 Pharmazeuten kommen in Deutschland auf 100 Krankenhausbetten – damit ist die Bundesrepublik in Europa Schlusslicht. Dabei zweifelt niemand daran, dass Apotheker in Krankenhäusern wertvolle Arbeit leisten. Um die Arzneimitteltherapiesicherheit in den Kliniken spürbar zu erhöhen, fordert der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit seiner Mitglieder.
Foto: DAZ/Sket
Klinische Pharmazie könnte viel mehr leisten, wenn genügend Pharmazeuten auf Station tätig wären. ADKA-Präsidentin Prof. Dr. Irene Krämer und ADKA-Vizepräsident Dr. Thorsten Hoppe-Tichy fordern, dass der Gesetzgeber entsprechend tätig wird.

Die ADKA feierte letzte Woche im Rahmen ihres 36. Wissenschaftlichen Kongresses in Berlin ihr 100-jähriges Bestehen. Unter dem Motto "Meilensteine und neue Horizonte für die Krankenhausapotheker" gab es geballte Fortbildung – und einen Jubiläumsfestakt. Zu feiern gibt es einiges. Dass Krankenhausapotheker gute Arbeit leisten und im hohen Maße zur Arzneimitteltherapiesicherheit beitragen, ist allgemein anerkannt. Das Problem: Sie können ihre klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen nur dort anbieten, wo sie tatsächlich sind. Und da sehen die Zahlen düster aus: Rund 2100 Krankenhäuser in der Republik werden derzeit von 413 Krankenhausapotheken versorgt. Neben den Kliniken, die ihre eigene Apotheke im Haus haben, gibt es solche, die sich eine Apotheke mit anderen Krankenhäusern teilen. Wieder andere werden durch externe krankenhausversorgende Apotheken beliefert und betreut, die teilweise in einiger Entfernung liegen. So lässt sich die Zahl von durchschnittlich 0,3 Apothekern pro 100 Klinikbetten nachvollziehen.

Viele Anfragen von Ärzten

"Das ist eine ziemlich katastrophale und keinesfalls flächendeckende Versorgung", betonte ADKA-Vizepräsident Dr. Thorsten Hoppe-Tichy anlässlich einer Pressekonferenz zum Wissenschaftlichen Kongress. Der europäische Schnitt liegt immerhin bei einem Apotheker pro 100 Betten. Dass es in Deutschland so wenige Arzneimittelfachleute auf den Stationen gibt, rührt vor allem daher, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Errichtung von Krankenhausapotheken und die Beschäftigung von Pharmazeuten in den Kliniken gibt. Während andere Länder beispielsweise vorschreiben, das Häuser mit mehr als 400 Betten einen Pharmazeuten vor Ort haben müssen, sind die deutschen Krankenhäuser hier sehr frei. Einigen reicht es offenbar, sich mit Arzneimitteln beliefern zu lassen. Dabei schätzen es Ärzte sehr, wenn ihnen ein Apotheker zur Seite steht. "Wir haben viele Anfragen, man wünscht sich unsere Unterstützung", berichtete Hoppe-Tichy. ADKA-Präsidentin Prof. Dr. Irene Krämer erklärt sich diese Haltung der Ärzte nicht zuletzt damit, dass viele von ihnen die Begleitung durch einen Apotheker aus Ausbildungszeiten im Ausland gewohnt sind. Doch hierzulande bleibt die pharmazeutische Beratung zumeist auf der Strecke, wenn der Wettbewerb darüber entscheidet, was aus den Klinik-Pauschalen – den DRGs – alles zu zahlen ist.

Tätigwerden des Gesetzgebers erwünscht

Hoppy-Tichy betonte, es gebe zahlreiche Studien, die belegen, dass die klinische Pharmazie effektiv ist und großen Benefit bringt. Dennoch könne diese Serviceleistung nur sehr begrenzt erbracht werden. Nötig sei daher eine politische Lösung. Es müsse eine gesetzliche Vorgabe geschaffen werden, dass in jedem Krankenhaus ein Apotheker angestellt sein müsse – beispielsweise ein Pharmazeut pro 100 Klinikbetten. Anderenfalls könne die Arzneimitteltherapiesicherheit nicht gewährleistet werden. Die Kliniken sollten sich bewusst sein, dass die klinisch-pharmazeutische Betreuung ein Qualitätsindikator für das Krankenhaus ist.

Hoffnungsschimmer Infektionsschutzgesetz

Krämer ist bewusst, dass die politische Diskussion schwierig ist. Gerade in der gegenwärtigen Regierungskonstellation und mit einem FDP-Gesundheitsminister, für den Bürokratieabbau ein großes Ziel ist, sei es nicht leicht, neue Vorschriften zu fordern. Auch die Frage, ob gegebenenfalls die DRGs zu erhöhen sind, ist angesichts der bekannt schwierigen finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenkassen nicht einfach zu diskutieren. Doch auch wenn Krämer ihre Position selbst als wenig aussichtsreich bezeichnet – einen Funken Hoffnung geben ihr die beabsichtigten Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Hier gab es die Erkenntnis, dass mangelnde Hygiene ein Problem in Krankenhäusern ist – nun wird normiert, dass spezielle Hygienefachkräfte vor Ort sein müssen. "Arzneimittelsicherheit ist mindestens genauso wichtig wie Hygiene", meint Krämer. "Da sehe ich uns in einer Parallele."

ADKA-Geschäftsführer Klaus Tönne formuliert es etwas schärfer: "Die Krankenhausapotheker arbeiten einfach zu gut. Es muss wohl erst eine Katastrophe passieren, damit die Politik in Schwung kommt." Doch so weit will er es nicht kommen lassen – auch Tönne setzt darauf, dass der Gesetzgeber in Aktion tritt, ehe der erste Tote öffentlichkeitswirksam in Erscheinung tritt.

100 Jahre ADKA


Vor 100 Jahren gründete Rudolf Rapp in Stuttgart den Berufsverband Deutscher Krankenhausapotheker – damals nannte er sich noch "Vereinigung der Leiter der Anstaltsapotheken für das Deutsche Reich". Mittlerweile zählt die ADKA1505 Mitglieder – hinzu kommen rund 200 außerordentliche Mitglieder. Der Organisationsgrad der Klinikapotheker ist stark: Laut ADKA-Präsidentin Irene Krämer sind 95 Prozent aller Apotheker, die in Krankenhausapotheken arbeiten, ADKA-Mitglied.

Seit 1927 bringt der Verband eine Fachpublikation heraus – seit 1980 ist dies die Zeitschrift "Die Krankenhauspharmazie" (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft). 1961 fand der erste wissenschaftliche ADKA-Kongress statt. Ab 1985 bot der Verband eine Fachausbildung zum Klinischen Pharmazeuten an. Seit 2000 ist hierzu eine zertifizierte Fortbildung im Angebot.

Mehr Informationen und das aktuelle ADKA-Zielepapier 2011 finden Sie im Internet unter www.adka.de



DAZ 2011, Nr. 20, S. 32

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