Nicotinamid-Mononukleotid

Was Apotheker über NMN-haltige Nahrungsergänzung wissen sollten

Stuttgart - 28.02.2024, 14:00 Uhr

Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) ist ein Vorläufer des Vitamins B3. (Foto: Dragana Gordic / AdobeStock)

Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) ist ein Vorläufer des Vitamins B3. (Foto: Dragana Gordic / AdobeStock)


Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) ist ein Coenzym, das an der zellulären Energiegewinnung beteiligt ist. Es ist ein Derivat des Vitamin B3, das in vielen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt. NMN-haltige Supplemente werden im Internet als „Jungbrunnen“ und allgemein leistungssteigernd gefeiert. Dass diese Aussagen nicht komplett aus der Luft gegriffen sind, zeigt ein wissenschaftlicher Übersichtsartikel.

Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) ist ein Derivat des Vitamins B3. Im Körper wird das Coenzym zu Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid (NAD als Allgemeinabkürzung, NAD+ für die oxidierte Form, NADH für die reduzierte Form) umgebaut. Dieses Molekül ist an zahlreichen Redoxreaktionen des Zellstoffwechsels beteiligt. NAD+ wird im Körper sowohl aus Nicotinsäure (bzw. deren Derivat Niacin, Vitamin B3) und Nicotinamid als auch aus den Abbauprodukten der essenziellen Aminosäure Tryptophan produziert.

Die NAD-Konzentration im Blut nimmt im Alter ab. Ein gesunder Lebensstil, das Leben nach dem eigenen circadianen Rhythmus ausrichten, die Einnahme bzw. der Verzehr von NAD+-Vorläufern können die Spiegel erhöhen. Der NAD-Vorläufer Niacin kommt in Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten vor. Tryptophan ist in proteinreichen Lebensmitteln zu finden, wie Geflügel, Fleisch, Milchprodukten oder Nüssen.

NMN als stabiler Vorläufer von NAD in Form von Supplementen zählt zu den Nahrungsergänzungsmitteln. Es soll den Alterungsprozess verlangsamen – so das Versprechen – und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit erhöhen. Was bedeutet das und wie ist die wissenschaftliche Evidenz?

Safety first

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) differenziert in seinen Höchstmengenempfehlungen für Niacin zwischen Nicotinsäure, Nicotin(säure)amid und Inosithexanicotinat. Auf Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) geht das BfR nicht ein. Für den Zusatz von Nicotinamid zu Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) empfiehlt das BfR eine Höchstmenge von 160 mg pro Tagesverzehrempfehlung pro Produkt. Bei NEM mit Tagesverzehrempfehlungen von mehr als 16 mg Nicotinamid wird ein Hinweis empfohlen, der besagt, dass Schwangere auf die Einnahme solcher Produkte verzichten sollten. Daran sollten sich Hersteller halten.

Nicotinamid in Arzneimitteln – gibt es Nebenwirkungen?

Nicotinamid gibt es nicht nur in Nahrungsergänzungsmitteln, sondern auch in Arzneimitteln – beispielsweise in „Nicotinamid axicur“. Das Präparat ist indiziert für die „Therapie klinischer Nicotinamid-Mangelzustände bei Mangel- und Fehlernährung sowie bei gesteigertem Bedarf“. In der Lauer-Taxe werden (Stand 1. März 2024) als sehr seltene unerwünschte Wirkungen (< 1/10000) Pruritus und Flush (nach hohen Dosen) angegeben (dm)

Nicotinsäure kann bereits bei einer einmaligen Gabe von 30 mg Hautrötungen, Gefäßerweiterungen, Juckreiz und Hitzegefühl (sog. flushing) hervorrufen; daher hat die EFSA 10 mg/d als höchste tolerierbare Dosis (tolerable upper intake level, UL) festgelegt.

Dagegen wurden bei Nicotinamid auch in Dosierungen von 3 g/d über mehrere Jahre keine negativen Auswirkungen beschrieben.“ (Quelle:Julia Podlogar und Martin Smollich, DAZ 6/2018)

Ein wissenschaftlicher Übersichtsartikel vom August 2023 hat sich NMN-Supplemente und deren Wirkung auf die menschliche Physiologie näher angeschaut – im Hinblick auf dem Alter unterworfene Funktionen: In neun klinischen Studien, die in den Artikel inkludiert wurden, konnten keine klaren Nebenwirkungen einer Einnahme von NAD nachgewiesen werden. Es wurden zumeist Dosen zwischen 250 und 1.000 mg untersucht, welche die NAD-Konzentration im Blut ansteigen ließen.

In einer randomisiert kontrollierten Studie wurden 80 Erwachsenen zwischen 40 und 65 Jahren für 60 Tage NAD-Präparate in verschiedenen Dosen (300 mg, 600 mg und 900 mg) täglich für zwei Monate verabreicht. Das Forschungsteam konkludiert, dass NAD-Supplemente bis 900 mg sicher sind und die NAD-Konzentration im Blut ansteigen lassen. Bei 600 mg waren die Blutkonzentrationen und die körperliche Leistungsfähigkeit (gemessen am „six-minute-walking-test“, also wie weit ein Proband laufen kann während sechs Minuten) am höchsten.

Gesundheitliche Effekte einer NMN-Supplementierung

In dem Übersichtsartikel wurden unter anderem die Parameter Schlafqualität, körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit, Hörvermögen, Augengesundheit, Insulinsensitivität und die Länge der Telomere (Enden der Chromosomen) untersucht. In den inkludierten klinischen Studien zeigte sich keine signifikante Verbesserung der Schlafqualität sowie der Kognition, des Hörvermögens älterer Menschen und auch keine Effekte auf die Augengesundheit. 

Bei prädiabetischen Frauen konnten unter NMN-Supplementation hingegen eine verbesserte Insulinsensitivität im Muskel und günstigere Stoffwechselparameter festgestellt werden. Die Telomerlänge, die im Alter oder bei bestimmten pathologischen Zuständen abnimmt, konnte in Tierversuchen und in einer klinischen Studie mit 45 bis 60 Jahre alten Probanden unter NMN-Supplementation verlängert werden. Außerdem zeigten einige Studien, dass ältere Menschen (in den Studien waren sie zwischen 40 und 65 Jahren) im Hinblick auf Muskelkraft und körperliche Leistungsfähigkeit von einer Supplementation profitieren könnten. Zudem konnte in einer randomisiert kontrollierten Studie gezeigt werden, dass bei Freizeitsportlern nach 6-wöchiger Einnahme eines NAD-Präparates (300 mg, 600 mg oder 1.200 mg) die aerobe Kapazität während einer Trainingseinheit (gemessen als Sauerstoffaufnahme bzw. maximale Sauerstoffaufnahme) verbessert ist. Wahrscheinlich liegt das an einer besseren Sauerstoffnutzung in der Skelettmuskulatur, mutmaßt die Forschungsgruppe.

Bessere Datenlage vonnöten

Die neun in dem Übersichtsartikel untersuchten Studien zeigten keine klaren Nebenwirkungen einer NMN-Supplementation bei Präparaten unter 1.000 mg. Das Autoren-Team konkludiert: Die vorhandenen klinischen Studien deuten darauf hin, dass die orale Verabreichung von NMN sicher ist. Es gibt Hinweise darauf, dass einzelne Aspekte, die mit dem Alterungsprozess in Verbindung stehen, von NMN positiv beeinflusst werden könnten. Die Datenlage muss sich noch bessern, bevor NMN-haltige Produkte sicher vermarktet werden können.

Längere, größere und besser konzipierte klinische Studien seien erforderlich, um die zugrunde liegenden Mechanismen besser zu verstehen, so die Forschenden. Auch zur sicheren Dosierung, Toxikologie und den gesundheitlichen Wirkungen sind noch weitere Daten nötig, bis sichere Aussagen dazu getroffen werden können.

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Literatur

Song Q et al. The Safety and Antiaging Effects of Nicotinamide Mononucleotide in Human Clinical Trials: an Update (nih.gov). Advances in Nutrition 2023

Yi L et al. The efficacy and safety of β-nicotinamide mononucleotide (NMN) supplementation in healthy middle-aged adults: a randomized, multicenter, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, dose-dependent clinical trial. GeroScience 2023, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9735188/

Bundesinstitut für Risikobewertung. Höchstmengenvorschläge für Niacin in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln. https://www.bfr.bund.de/cm/343/hoechstmengenvorschlaege-fuer-niacin-in-lebensmitteln-inklusive-nahrungsergaenzungsmitteln.pdf

Niu KM. The Impacts of Short-Term NMN Supplementation on Serum Metabolism, Fecal Microbiota, and Telomere Length in Pre-Aging Phase. Nutritional Immunology 2021

Liao B. Nicotinamide mononucleotide supplementation enhances aerobic capacity in amateur runners: a randomized, double-blind study. J Int Sports Nutr 2021, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8265078/


Juliane Russ, M.Sc., Volontärin


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