Folgen für Apotheken „erheblich“

BGH kippt Skonti bei Rx-Arzneimitteln

Berlin - 08.02.2024, 16:20 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat am Donnerstag entschieden. (Foto: imago images / Steinach)

Der Bundesgerichtshof hat am Donnerstag entschieden. (Foto: imago images / Steinach)


Seit Jahren wird darüber gestritten, welche Skonti Apotheken bei Arzneimitteln gewährt werden dürfen. Dabei sollte das eigentlich gesetzlich klar geregelt sein. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden: Mehr als 3,15 Prozent geht nicht. Die Treuhand Hannover hatte bereits zuvor gewarnt: Sollte das Gericht so entscheiden, wären die Folgen für Apotheken „erheblich“.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat an diesem Donnerstag entschieden, dass Großhändler bei Rx-Arzneimitteln keine Skonti anbieten dürfen, die über die Spanne von 3,15 Prozent gehen. „Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. Juni 2023 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen“, hieß es vom BGH auf Anfrage. Eine schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Die Wettbewerbszentrale erklärte gegenüber der DAZ, es sei „eine seit 2016 diskutierte Rechtsfrage geklärt“ worden.

BVDAK: „Es muss einen nie dagewesenen Aufstand geben“

Der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Apothekerkooperationen (BVDAK), Stefan Hartmann, bezeichnete die Entscheidung als „eine historische-wirtschaftliche Katastrophe“ für die Apotheken. Sie werde dazu führen, „dass der Gesundheitspolitik eindrucksvoll vor Augen geführt werden wird, dass die Apotheken fast nur noch durch die jetzt untersagten Skonti Gewinne erwirtschaften konnten“.

Dies sei seit vielen Jahren ein „absolut unzumutbarer und nicht mehr hinnehmbarer Zustand“. Der BVDAK-Vorsitzende verlangte, dass jetzt, wo das Skonto wegfällt, „auch der komplette Kassenrabatt sofort und vollumfänglich wegfallen“ muss. „Die ABDA ist maximal gefordert. Es muss einen nie dagewesenen Aufstand geben.“

Treuhand Hannover: Einbußen von 22.000 Euro

Sebastian Schwintek von der Treuhand Hannover hatte bereits an diesem Mittwoch auf Linkedin darauf hingewiesen, dass die Folgen des Skonti-Verbots für die Apotheken „erheblich“ wären: Zum einen stünden „deutlich weniger Mittel zur Verfügung, um die negativen Stückerträge aus der GKV-Arzneimittelversorgung zu kompensieren“. Eine Apotheke von durchschnittlicher Umsatzgröße könnte 22.000 Euro Betriebsergebnis einbüßen.

Schwintek warnte, dass viele Betriebe dies nach den Ertragsverlusten 2023 nicht verkraften würden. Zudem würde das Skonto-Verbot zusammen mit den im Eckpunkte-Papier des Bundesgesundheitsministerium skizzierten Umverteilungsmaßnahmen beim Apothekenhonorar „für die rohgewinnschwache Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln toxische Wirkung entfalten“.

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Gesetzgeber hätte klarer formulieren müssen

Seit Mai 2019 stellt § 2 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) klar, dass Großhändler bei der Arzneimittelabgabe an Apotheken einen Festzuschlag von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) erheben müssen. Zusätzlich dürfen sie auf den ApU „höchstens einen Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro“ erheben. Nur im Rahmen des prozentualen Zuschlags dürfen Rabatte gewährt werden, die 70 Cent Festzuschlag bleiben.

Skonti für vorfristige oder fristgerechte Zahlung?

Umstritten blieb, wie es um handelsübliche Skonti, speziell Preisnachlässe, die für eine vorfristige oder fristgerechte Zahlung gewährt werden, bestellt ist. Das wollte die Wettbewerbszentrale in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen Haemato Pharm klären lassen. Das Unternehmen, das importierte Arzneimittel im Direktvertrieb in die Apotheken bringt und damit die Vorgaben für die Großhandelspreisspannen einhalten muss, hatte in einer Preisliste für die Apotheken das Diabetes-Präparat Abasaglar mit einem Rabatt von 3,04% auf den Apothekeneinkaufspreis von 48,66 Euro und 3% Skonto bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen auf den in der Tabelle als „Preis öff. Apotheke“ bezeichneten Betrag von 47,20 Euro angeboten.

Die Wettbewerbszentrale sah darin einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV und damit wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet. Der Mindestpreis liege bei 47,20 Euro (ApU von 46,50 Euro plus 0,70 Euro Festzuschlag) – und dieser werde bei einer Skontogewährung in Höhe von 3% (45,78 Euro) unterschritten. Auch ein Rabatt von 3,04% auf den Apothekeneinkaufspreis von 48,66 Euro falle unter diesen Mindestbetrag und sei damit unzulässig. Beides dürfe das Unternehmen nicht anbieten.

Wettbewerbszentrale bekommt recht – Haemato Pharm geht in Revision

Das Landgericht Cottbus gab der Wettbewerbszentrale im Oktober 2021 in beiden Punkten recht. Haemato Pharm legte daraufhin Berufung beim Brandenburgischen Oberlandesgericht ein. Dieses änderte das Cottbuser Urteil ab im Juni vergangenen Jahres ab. Das Oberlandesgericht gab Haemato Pharm recht, soweit es um den Rabatt von 3,04% ging. Denn das Unternehmen habe den Apotheken das Arzneimittel tatsächlich für 47,20 Euro angeboten – und nicht für 47,18 Euro (48,66 Euro minus 3,04%). Nur 47,20 Euro (= „Preis öff. Apotheke“) sei aus der Preistabelle ersichtlich gewesen. Die angegebenen 3,04% waren damit fehlerhaft. Als solche könne diese Angabe zwar irreführend sein, aber dieser Frage ging das Gericht nicht weiter nach, weil sich die Wettbewerbszentrale darauf nicht berufen hatte.

In der weitaus spannenderen Frage bezüglich des 3-prozentigen („echten“) Skonto für eine Zahlung innerhalb von 14 statt 30 Tagen, gab aber auch das Berufungsgericht der Wettbewerbs­zentrale recht. Haemato Pharm dürfe keine Skonti ankündigen und/oder gewähren, die zu Bruttopreisen führen, die unter dem Wert liegen, der sich aus dem ApU, dem Festzuschlag von 0,70 Euro sowie der Umsatzsteuer ergibt.

Gewährleistung eines funktionsfähigen Großhandels

Das, so das Gericht, ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV, aber auch aus dem Sinn und Zweck der Norm. Sie diene nämlich insbesondere der Gewährleistung eines funktionsfähigen Großhandels, und letztlich der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in der Fläche. Die 70 Cent seien daher ein Festzuschlag für diese besondere Funktion des Großhandels und „weniger ein Entgelt für das Arzneimittel“. Sind sie jedoch kein Entgelt, komme auch ein Skonto auf diesen Preisbestandteil nicht in Betracht.

Allerdings ließ das Oberlandesgericht die Revision zu „wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts“. Der Skonto-Frage, komme „im Hinblick auf ihr tatsächliches und wirtschaftliches Gewicht für den Geschäftsverkehr zwischen Apothekengroßhandel und Apotheken grundsätzliche Bedeutung zu“. Zudem gebe es in der juristischen Literatur unterschiedliche Rechtsauffassungen hierzu, hieß es.

Hinweis: Der Beitrag wurde am 8.2.2024 um 17 Uhr um das Statement der Wettbewerbszentrale ergänzt.


Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Zu nur edrige Schätzung der Treuhand

von Rainer W. am 10.02.2024 um 10:00 Uhr

Die Schätzung der Treuhand ist zu gering oder falsch dargestellt. Laut Daten der ABDA hat die durchschnittliche Apotheke einen Wareneinsatz von 2,5 Millionen, davon 82% rx, das resultiert in 22.000 € Verlust pro Prozentpunkt (!) Skonto. Da insbesondere in dieser Umsatzklasse ein Skonto von 2% und mehr üblich ist beläuft sich der Schaden locker auf das doppelte. Selbst wenn man um die Hochpreiser bereinigt, bei denen dieser Skontobetrag nicht erreicht wird ist die Zahl der Treuhand deutlich zu tief angesetzt und schadet damit massiv unserer Position.

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Fragen über Fragen.....

von Thomas B am 09.02.2024 um 10:08 Uhr

Was ist dann mit dem Klassenabschlag? Auch der ist geknüpft an ein Zahlungsziel und damit ein per definitionem ein Skonto. Würde heissen, die entsprechenden Klauseln in den Lieferverträgen sind ungültig weil illegitim.....
Und: Wie ist das im grenzüberschreitenden Handel?

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Fahrt in den Abgrund

von Karl Friedrich Müller am 08.02.2024 um 22:55 Uhr

War absehbar. Und die sogenannte Standesvertretung ist WIE IMMER nicht vorbereitet.

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von Holger Rummel am 08.02.2024 um 20:15 Uhr

Schaue ab und zu mal hier, und ab zu mal bei apotheken adhoc. 1 zu 240 Kommentare. Warum?

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„Die ABDA ist maximal gefordert. Es muss einen nie dagewesenen Aufstand geben.“

von Dr. House am 08.02.2024 um 18:47 Uhr

Ich lege schon mal die Klebestreifen für das Pösterchen bereit.

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