Stärkung des Pharmastandorts Deutschland

Medizinforschungsgesetz: „Ein Sprung nach vorn“

Berlin - 01.12.2023, 15:15 Uhr

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte heute seine Pläne für ein Medizinforschunggesetz vor. (Bild: imago-images / Mike Schmidt)

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte heute seine Pläne für ein Medizinforschunggesetz vor. (Bild: imago-images / Mike Schmidt)


Karl Lauterbach (SPD) stellte am Freitag die Pläne für ein neues „Medizinforschungsgesetz“ vor. Zentrales Ziel des Gesetzesvorhabens ist die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit Deutschlands als Standort der Arzneimittelproduktion. Lauterbach möchte gegenüber den USA und Großbritannien aufschließen. Dafür soll die pharmazeutische Forschung gestärkt werden.

Am Freitag Vormittag hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach zur Pressekonferenz ins Gesundheitsministerium (BMG) geladen. Am Tag nach dem Pharmagipfel der Regierung mit führenden Arzneimittelproduzenten wurde nun eine Strategie zur Stärkung der medizinischen und pharmazeutischen Forschung vorgestellt. Als wichtige Ursache der derzeitigen Missstände bei der Arzneimittelversorgung benennt der Minister die zu geringe Anzahl klinischer Studien. Deutschland sei bei der Zahl der Studien pro Kopf im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Zwar gebe es hierzulande eine gute Grundlagenforschung, jedoch resultierten daraus zu wenig Patente und folglich eine zu geringe Unternehmensansiedelung.

Den Hauptgrund dafür sieht Lauterbach in zu komplizierten und zeitaufwendigen Anmeldeverfahren für klinische Studien. Zur Lösung dieses Problems möchte er ein Medizinforschungsgesetz auf den Weg bringen. Dieses orientiere sich stark am israelischen Modell, so Lauterbach. Es finde ein reger Austausch dazu mit israelischen Experten statt.

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Das Gesetzesvorhaben sieht für klinische Forschungsprojekte einen stark vereinfachten Anmeldeprozess vor. Bisher unterliegen viele Studien komplizierten Anmelde- und Prüfverfahren bei den Datenschutz-, Strahlenschutz- und Ethik-Kommissionen der Bundesländer. Mit dem neuen Gesetz soll eine Beantragung zentral beim Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen. Der Anmeldeprozess, der sich derzeit zum Teil über mehrere Jahre hinzieht, soll zukünftig in 25 Arbeitstagen abgewickelt werden können. Dafür sollen die ethischen, Strahlenschutz- und Datenschutzrichtlinien zentralisiert werden, die bisher in die Zuständigkeit der Länder fallen. Deshalb wird eine Zustimmung der Länder im Bundesrat notwendig sein. Zusätzliche Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen seien nicht zu erwarten, so Lauterbach.

Lauterbach spricht von einem „Sprung nach vorn“. Das Gesetz soll „in Verschränkung“ mit dem geplanten Digitalgesetz (DigiG), sowie dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) implementiert werden, so Lauterbach. Durch die Neuregelung bei der Nutzung von persönlichen Gesundheitsdaten will das BMG die Datengrundlage für klinische Forschung entscheidend erweitern. Durch die erweiterte Datenauswertung ließen sich beispielsweise bestimmte genetische Dispositionen gegenüber Krebserkrankungen ausreichend erforschen. Jedoch sieht das neue Gesetz auch eine Publikationspflicht für alle Studien vor, die die Datenquellen auf der Grundlage des GDNG nutzen.

Darüber hinaus äußerte sich Lauterbach auch über die angestrebte „Reindustrialisierung“ Deutschlands und die Vergabepraxis bei Rabattverträgen: Analog zur Regelung der Rabattverträge mit Antibiotikaherstellern im ALBVVG, sollen zukünftig auch Produzenten von Onkologika den Zuschlag nur bekommen, wenn sie mindestens 50 Prozent ihrer Produktion in der EU ansiedeln. Ähnliches, so deutet Lauterbach auf Nachfrage an, sei auch für die Generikaproduktion insgesamt vorgesehen.

Positive Resonanz von den Produzenten

Die Vorstellung des Strategiepapiers stößt seitens der Pharmaverbände auf positive Resonanz. Han Steutel, Präsident des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) begrüßte die Vorhaben des BMG:


„Die Bundesregierung hat erkannt, dass Pharmaforschung im eigenen Land für die Versorgung von Patientinnen und Patienten elementar ist. Wenn diese Forschung zunehmend nur noch andernorts stattfindet, wandern wichtige Zukunftskompetenzen ab, und mit ihnen wirtschaftliche Chancen. Um hier gegenzusteuern, sind schnellere Entscheidungswege, mehr Zugang zu Gesundheitsdaten sowie landesweit konsistente ethische und Datenschutz-Anforderungen nötig. Die heute vorgestellten Eckpunkte des geplanten Medizinforschungsgesetzes zeigen dazu in die richtige Richtung."

Han Steutel (vfa)


Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) Kai Joachimsen äußerte sich weitgehend zufrieden, mahnte jedoch weiteren Reformbedarf an:


„Insgesamt sind die im Referentenentwurf zum Medizinforschungsgesetz vorgesehenen Regelungen keine Revolution, aber doch Schritte zur Stärkung des Forschungs- und Entwicklungsstandortes. Im Rahmen der noch ausstehenden umfassenden Pharmastrategie der Bundesregierung muss auf jeden Fall auch Versorgungssicherheit und die Stärkung der hiesigen Produktion für die breite Patientenversorgung auf die Agenda, da dies zwingend zum Erfolg der Branche einerseits und des Standorts andererseits gehört.“

Kai Joachimsen (BPI)


Der Gesetzesentwurf sei bereits geschrieben und werde zeitnah in die Ressortabstimmung übergeben, so Lauterbach. Geht es nach dem Gesundheitsminister, soll das Gesetz Mitte des kommenden Jahres in Kraft treten.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Wäre toll

von ratatosk am 04.12.2023 um 16:21 Uhr

Hört sich natürlich gut an, aber wer wollte Lauterbach den wirklich glauben, daß er einmal ein Gesetz hinbekommt, das auch funktioniert, bisher war ja so ziemlich alles ein Desaster.
Der Witz mit der Reindustrialisierung war gut, wahrscheinlich glaubt er selbst seine Parolen. Von Jahren auf 25 Tage ! Der Rest der Welt lacht oder lächelt doch nur noch über D.
Nicht weil wir es nicht schaffen würden, aber die Bürokratie und Politik haben schon ganz andere Industriezweige abgewürgt, sicher nicht weil sie es so wollten, aber sie bekommen es einfach nicht geregelt,

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