Krisensitzung in Berlin

Ärzteschaft warnt vor „Praxenkollaps“

Berlin - 18.08.2023, 16:45 Uhr

Krisensitzung der Ärzteschaft in Berlin. (Foto: Wosnitzka / KBV)

Krisensitzung der Ärzteschaft in Berlin. (Foto: Wosnitzka / KBV)


Der Protest der Apothekerschaft verläuft nach dem Aktionstag am 14. Juni als Höhepunkt derzeit etwas stiller. Dagegen machen jetzt die Vertragsärzte und -psychotherapeuten mobil gegen die Gesundheitspolitik von Minister Karl Lauterbach. Bei einer Krisensitzung in Berlin präsentierten sie einen Forderungskatalog – werde er nicht umgesetzt, drohe der „Praxenkollaps“.

Etwa 800 niedergelassene Ärzte und Ärztinnen sowie Psychotherapeut:innen haben am Freitag in Berlin vor einem „Praxenkollaps“ gewarnt und eine stärkere politische Unterstützung für den ambulanten Bereich in der Medizin gefordert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte Mediziner aus ganz Deutschland zu der „Krisensitzung“ eingeladen.

KBV-Chef Andreas Gassen sprach von einem ersten und unmissverständlichen Warnzeichen an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „So kann und darf die deutsche Gesundheitspolitik nicht weitergehen!“, sagte er. Die ambulante Versorgung sei im Vergleich zu den Krankenhäusern massiv unterfinanziert. Das sei nicht das Jammern von Spitzenverdienern, „sondern es geht darum, dass unsere Patientenversorgung im Land akut bedroht ist“. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen seien immer weniger Menschen bereit, in einer Praxis zu arbeiten. „Wenn sich nicht bald etwas ändert, geht in den Praxen das Licht aus“, so der KBV-Chef.

Die KBV wies bei ihrem Treffen auf eine Überlastung in den Praxen hin. Es fehle Personal und Nachwuchs, zudem gebe es zu viel Bürokratie und nur eine unzureichende digitale Infrastruktur. Gassen forderte ein Ende der Budgetierung für die Praxen und eine „nachhaltige Finanzierung“. Wenn die Politik der Meinung sei, die Krankenkassen könnten dies nicht leisten, dann müssten dafür Steuergelder in die Hand genommen werden.

Der Forderungskatalog – von der KBV-Vertreterversammlung einstimmig verabschiedet – wurde nun mitsamt Lösungsvorschlägen an Minister Lauterbach übermittelt. Er wird aufgefordert, bis zum 13. September 2023 zu den einzelnen Forderungen Stellung zu beziehen und konkrete Umsetzungsschritte zu benennen.

So lautet die Forderungen der Praxen an die Politik:

  • Tragfähige Finanzierung: Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt!
  • Abschaffung der Budgets: Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen!
  • Ambulantisierung: Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!
  • Sinnvolle Digitalisierung: Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung, und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen!
  • Mehr Weiterbildung in Praxen: Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft ein!
  • Weniger Bürokratie: Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der „Papierkram“!
  • Keine Regresse: Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab! Die Arzneimittelregresse müssen weg!

Alle Forderungen und ein Begleitpapier finden Sie hier. 


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2 Kommentare

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von Meißner am 18.08.2023 um 19:45 Uhr

Zum Punkt der Digitalisierung hätte unbedingt die Forderung nach Freiwilligkeit gehört, also Wegfall der TI-Honorarabzüge; und die deutliche Ablehnung der Gesetzespläne zu Opt-Out bei der EPA, Befüllungspflichten und Weiterleitung ans FDZ.

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von Dr. Radman am 18.08.2023 um 17:05 Uhr

Frau Paula Piechotta! ist das auch eine Wunschliste zu Weihnachten?

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