Pharmaverbände suchen Gespräch mit AkdÄ

Gibt es ethisch vertretbare Anwendungsbeobachtungen?

Stuttgart - 12.08.2020, 15:30 Uhr

Die Pharmaverbände unterscheiden zwischen Anwendungsbeobachtungen und PASS oder PAES, die von den regulatorischen Behörden angeordnet oder freiwillig von pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt werden. Die AkdÄ aber auch. Besteht dennoch Gesprächsbedarf? (x / Foto: Jonas Glaubitz / stock.adobe.com)

Die Pharmaverbände unterscheiden zwischen Anwendungsbeobachtungen und PASS oder PAES, die von den regulatorischen Behörden angeordnet oder freiwillig von pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt werden. Die AkdÄ aber auch. Besteht dennoch Gesprächsbedarf? (x / Foto: Jonas Glaubitz / stock.adobe.com)


Im Juli hatte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft aktiv Ärzten von der Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen abgeraten. Basis war eine wissenschaftliche Publikation, die erstmals zeige „dass Anwendungsbeobachtungen tatsächlich zu höheren Verschreibungsvolumina der untersuchten Medikamente führen“. Reine Marketingmaßnahmen also? Das sehen der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller anders.

Konkreter Anlass einer Stellungnahme zu Anwendungsbeobachtungen (AWB) des Fachausschusses Transparenz und Unabhängigkeit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im Juli war eine wissenschaftliche Publikation aus dem Monat Juni. Diese zeige, dass Ärzte, die an einer AWB teilnehmen, das entsprechende Arzneimittel während der Studie und im Jahr danach signifikant häufiger verschreiben. In der Folge riet die AkdÄ Ärzten, an keinen Anwendungsbeobachtungen mehr teilzunehmen. Die Fragen, die nach der Zulassung eines Arzneimittels offen bleiben, würden AWB nicht beantworten. Vielmehr sollen sich hinter AWB oftmals Marketingmaßnahmen mit geringem wissenschaftlichen Anspruch verbergen.

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Nun haben der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in einem gemeinsamen Schreiben an die Autoren der AkdÄ-Publikation reagiert und zu Gesprächen aufgefordert. Das bestätigte gegenüber DAZ.online ein Sprecher des BPI. Dieser meint: „Statt des Aufrufs an die Ärzte, pauschal an keiner AWB mehr teilzunehmen, sollte stattdessen empfohlen werden, nicht mehr an solchen AWB teilzunehmen, die der betroffene Arzt, entweder aufgrund seines Fachwissens oder auf Nachfrage bei der AkdÄ, als suspekt oder fraglich hinsichtlich des wissenschaftlichen Anspruchs identifiziert hat. Alle anderen nichtinterventionellen Studien (NIS), besonders solche, die mit einer gesetzlichen Forderung verbunden sind, verdienen eher eine Unterstützung der Ärzte im Sinne der Patientensicherheit.“

AkdÄ rät nicht von der Teilnahme an PASS oder PAES ab

Allerdings dürfte das die AkdÄ gar nicht so viel anders sehen. Denn sie wies schon im Juli darauf hin, dass AWB von Post-Authorisation Safety Studies (PASS) oder Post-Authorisation Efficacy Studies (PAES) abzugrenzen sind. PASS und PAES würden nämlich von den regulatorischen Behörden, vor allem der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), meist in Zusammenhang mit der Neuzulassung einer Substanz als nichtinterventionelle (NIS) oder interventionelle Studien angeordnet oder freiwillig von pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt. Die AkdÄ rät also nicht von der Teilnahme an PASS oder PAES ab, sondern explizit von AWB.

Für eben solche NIS (PASS und PAES) wollen sich nun offenbar die beiden Pharmaverbände einsetzen und haben der AkdÄ nach eigenen Angaben ein entsprechendes Gesprächsangebot gemacht.

Pharmaverbände wollen Behörden bei Bewertung unterstützen?

„Die Verbände machten deutlich, dass sie sich für die Durchführung von ausschließlich wissenschaftlich begründeten und ethisch vertretbaren AWB einsetzen, die als ergänzendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial die Behörde bei der Bewertung und Entscheidungsfindung unterstützen“, so der Sprecher des BPI. In Anbetracht dieser Schilderungen scheinen sich die Pharmaverbände mit der AkdÄ fast schon einig zu sein.

Scheiden könnten sich die Geister schließlich aber an der Vergütung solcher PASS- und PAES-Studien: So riet die AkdÄ im Juli, wenn an einer PASS oder PAES teilgenommen werde, solle die Vergütung für die Teilnahme einen Stundensatz von 75 Euro nicht überschreiten. Währenddessen seien die Vergütungen für AWB oft unangemessen hoch oder würden nicht ausreichend begründet, obwohl dies eindeutig rechtlich gefordert werde. 

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Auch das von der AkdÄ genannte Beispiel Daclizumab (Zinbryta®, Biogen) könnte repräsentieren, an welchen Stellen noch Redebedarf besteht. Mit der Zulassung 2016 hatte der pharmazeutische Unternehmer nämlich damlas laut AkdÄ trotz eines laufenden Risikobewertungsverfahrens versucht, mithilfe einer AWB schnell seinen Marktanteil zu vergrößern. Das Arzneimittel wurde wegen schwerer und teils tödlich verlaufender Nebenwirkungen aber schließlich vom Markt genommen. Da hatten es schon 2.800 Patienten in Deutschland erhalten. Gibt es also ethisch vertretbare AWB, die einen Platz neben PASS und PAES finden?



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Lösungsvorschlag

von norbert brand am 13.08.2020 um 9:06 Uhr

Das Problem ist ganz einfach zu lösen : Bei wissenschaftlich oder ethisch erforderlichen AWB, NIS, oder PASS muss vorgeschrieben werden, dass die Untersuchungen nicht ( !! ) mit rezeptierter Verkaufsware durchgeführt werden dürfen.
Es muss nicht einmal Studienmedikation sein, es kann auch Verkaufsware kostenlos zur
Verfügung gestellt werden; diesen Marketing- Bonus könnte man der Industrie sogar einräumen.
DerArzt muß selbstverständlich für seinen Aufwand adäquat honoriert werden.
Ich garantiere, dass damit der Diskussionsbedarf schlagartig beendet ist !

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gekaufter Umsatz

von norbert brand am 13.08.2020 um 7:52 Uhr

Die AkdÄ liegt schon richtig, denn AWB's waren und sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gekaufter Umsatz

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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