Mitgliederversammlung, Hauptversammlung

AVWL: Die ABDA will von den eigenen Beschlüssen nichts mehr wissen

Münster - 29.01.2020, 15:15 Uhr

Dr. Klaus Michels (hier auf der Expopharm 2019) und der Apothekerverband Westfalen-Lippe kritisieren die ABDA für ihre Interpretation der Beschlusslage der Apothekerschaft. (Foto: Schelbert)

Dr. Klaus Michels (hier auf der Expopharm 2019) und der Apothekerverband Westfalen-Lippe kritisieren die ABDA für ihre Interpretation der Beschlusslage der Apothekerschaft. (Foto: Schelbert)


Die Diskussion über den Umgang der ABDA mit der Petition des Pharmaziestudenten Benedikt Bühler ebbt auch nach der Anhörung im Petitionsausschuss nicht ab. Denn der Streit über die (fehlende) Unterstützung Bühlers durch die ABDA wirft die Frage auf, wie die Beschlusslage zum Rx-Versandverbot zu interpretieren ist. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe erwartet, dass das Thema auch in der Politik bald wieder aktuell werden kann. Darum hat der Verbandsvorstand erneut an die ABDA-Spitze geschrieben.

Die ABDA-Spitze hatte dem Pharmaziestudenten Benedikt Bühler die Vollversionen ihrer drei Gutachten zum Rx-Versandverbot nicht zur Verfügung gestellt. Dagegen hatte sich in der vorigen Woche der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) als erste Mitgliedsorganisation an die ABDA-Spitze gewandt und gefordert Bühler zu unterstützen. Die ABDA war dieser Aufforderung nicht gefolgt und hatte dies in einem Schreiben begründet. Darauf hat der Vorstand des AVWL nun in einem Schreiben an ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz geantwortet. In dieser Antwort geht es nun aber nicht mehr nur um den vergangenen Termin beim Petitionsausschuss. Vielmehr hat die Diskussion darüber die weiter reichende Frage aufgeworfen, wie die Beschlüsse der ABDA zum Rx-Versandverbot zu interpretieren sind. Letztlich geht es damit um die Zielrichtung der weiteren berufspolitischen Arbeit der ABDA.

Was heißt „konstruktiv kritisch begleiten“?

Die ABDA und mehrere Mitgliedsorganisationen hatten ihre gegensätzliche Haltung zur Unterstützung Bühlers jeweils mit demselben Apothekertagsbeschluss begründet. Demnach will die ABDA den Gesetzgebungsprozess zum Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) „konstruktiv kritisch“ begleiten. Der AVWL erklärt nun, dies bedeute „schon dem Wortlaut nach nicht, dass alle darin vorgesehenen Regelungen bedingungslos unterstützt werden“. Dies verbiete sich auch aufgrund der Erfahrung, dass kein Gesetz den Bundestag so verlasse, wie es hineinkomme.

Außerdem verweist der AVWL auf die Stellungnahme des Bundesrates zum VOASG. Demnach könne ein einheitlicher Abgabepreis vollständig durch das Rx-Versandverbot erreicht werden. Daraufhin habe der Apothekertag beschlossen, die Stellungnahme des Bundesrates in das Gesetzgebungsverfahren ergänzend einzubringen und so die Gleichpreisigkeit schnellstmöglich wiederherzustellen. Nach Ansicht des AVWL konkretisiert dieser Beschluss einen Aspekt der konstruktiv kritischen Begleitung.

AVWL sieht Beschlüsse von Apothekertag und Mitgliederversammlung vereinbar

Nach Einschätzung des AVWL negiert die ABDA-Spitze mit ihrer Haltung auch den Gesamtzusammenhang des Beschlusses. Denn das oberste Gremium der ABDA sei die Mitgliederversammlung und nicht der Apothekertag. Doch die Mitgliederversammlung habe am 17. Januar, am 2. Mai und am 25. Juni 2019 Beschlüsse gefasst, die weder einen ersatzlosen Verzicht auf § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG noch auf das Rx-Versandverbot implizieren (Anmerkung der Redaktion: Die genannte Vorschrift im AMG überträgt die deutsche Preisbindung auf ausländische Versender). Vielmehr sei das Rx-Versandverbot ausdrücklich als „Handlungsoption“ für den Fall vorbehalten, dass das Gesetz nicht ausreichend wirksam sei. Doch von einer „Handlungsoption“ in diesem Sinne wollten ABDA-Präsident Schmidt und ABDA-Pressesprecher Kern „augenscheinlich jetzt aber nichts mehr wissen“. Dabei bezieht sich der AVWL auf Zitate von Schmidt und Kern unter anderem bei DAZ.online. Kern hatte mit Blick auf die verweigerte Herausgabe der Gutachten erklärt, dass es für die ABDA keinen Sinn mache, das Rx-Versandverbot „durch die Hintertür zu promoten“.

Beschlüsse ermöglichen Einsatz für das Rx-Versandverbot

Der AVWL konstatiert, dass der oben erwähnte Apothekertagsbeschluss keineswegs konträr zu den Beschlüssen der Mitgliederversammlung sei und diese auch nicht aufhebe. Vielmehr sei es darum gegangen, den Abbruch der gesetzgeberischen Aktivität des Bundesgesundheitsministers zu vermeiden. Außerdem sei unklar, ob das VOASG überhaupt in den Bundestag eingebracht werde. Der Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums für ein Gutachten zur Preisbindung deute nun darauf hin, dass das nicht mehr passieren werde. Vertreter der Unionsfraktion hätten daher schon erklärt, bei einem negativen Votum der EU-Kommission zu einem Rx-Versandverbot zurückkommen zu wollen. Damit betont der AVWL die Bedeutung des Rx-Versandverbots und der ganzen Diskussion.

Bühler bleibt Privatperson

Auch auf die geforderte Unterstützung für Bühler geht der AVWL nochmals ein. Schmidt habe erklärt, die ABDA könne Bühler nicht unterstützen, weil die Petition ein Instrument für Privatpersonen sei. Dagegen argumentiert der AVWL, Bühler wäre auch mit den Gutachten der ABDA eine Privatperson geblieben. Außerdem leiste die ABDA eine Unterstützung, indem sie die Gutachten auf ihrer Homepage erwähnt und Kurzzusammenfassungen bereitstellt.

Stimmung innen und außen

Schließlich geht der AVWL auf die Warnung von Schmidt beim Pharmacon in Schladming ein, das Beharren auf dem Rx-Versandverbot sei für die Glaubwürdigkeit der Apotheker eine Katastrophe. Dazu erklärt der AVWL: „Wir allerdings haben eine ganz andere Wahrnehmung der aktuellen Stimmung.“ Dass die ABDA die Gutachten nicht herausgegeben habe, habe auf die Mitglieder der Verbände und Kammern „verheerende Auswirkungen“. Die Berufsöffentlichkeit habe dafür kein Verständnis. Dazu verweist der AVWL auf das Schreiben der Präsidentin der Apothekerkammer Hessen, Ursula Funke, mit dem sie auch die Herausgabe der Gutachten an Bühler gefordert hatte.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

Selbstrettung durch „Politische Selbstkontrahierung“ ...

von Christian Timme am 30.01.2020 um 14:58 Uhr

Eigene Formulierungen beschließen um sie bei Nichtgefallen anschließend einer berichtigenden Selbstinterpretation zu unterziehen ... ist der ABDA täglich Brot ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

DIE(!) ABDA?

von Reinhard Rokitta am 29.01.2020 um 20:55 Uhr

Wenn also anscheinend nicht nur der AVWL auf Konfrontation zur ABDA gegangen ist, wer ist denn dann eigentlich DIE(!) ABDA?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Unterstützung für Klaus Michels!

von Uwe Hansmann am 29.01.2020 um 18:48 Uhr

Es ist ein Kreuz. Da haben in dieser, unserer Apotheken-Republik, Landesapothekerverbände, die finden seit einer halben Dekade öffentlich schlicht nicht mehr statt! Wo ist bitte der Rest unserer Ländervertreter? Es scheinen ja doch wohl erheblich mehr Berufsvertretungen der Länder auf der Linie des des AVWL zu stehen. Also los jetzt!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Unterstützung für Klaus Michels

von Wolfgang Müller am 29.01.2020 um 19:41 Uhr

Im Laufe diesen Jahres wird sich mit einiger Wahrscheinlichkeit die Frage entscheiden, ob die Berufswahl "Apotheker/in" sich nur für einige ganz wenige oder sehr viele unserer jungen Kolleg/innen als goldrichtig bestätigt. Zumindest was die Öffentliche Apotheke und die dortige Zukunft als weiter gut nachgefragte Angestellte betrifft, mit vielleicht später sogar einmal realistischer, vernünftiger, Sinn ergebender Hoffnung auf Inhaberschaft.

Und ob die Älteren von uns doch noch einmal die Chance bekommen, auch Betriebe unter 4 Mio. Umsatz an geeignete, interessierte Nachfolger zu übergeben.

Oder ob die Berufspolitik vollkommen scheitert und der Knoten platzt, und eben ein forciertes Sterben eintritt. Weil es eben irgendwann für die meisten dermaßen offensichtlich wird, dass es wirklich keinen Sinn mehr hat, nochmal einen Mietvertrag zu verlängern.

Gerade auch nach dem Irrsinn, der in ABDA-Berlin Anfang dieser Woche kulminierte, und dem andererseits glasklaren Gegenentwurf eines Benedikt Bühler: Unter normalen Umständen undenkbar, dass ein Berufsinteressen-Vertretung-Verband wie "Die ABDA" in solch einem Entscheidungs-Jahr die aktuelle, praktisch schon durchgekenterte Führung noch länger als 10 Tage im Amt lässt.

Bellen oder beißen?

von Ulrich Ströh am 29.01.2020 um 16:05 Uhr

Gibt es einen Landesapothekerverband, der vor der ABDA bei Bedarf nicht nur bellt,
sondern auch mal beißt?

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Bellen oder beißen

von Peter am 29.01.2020 um 16:16 Uhr

Sehr geehrter Herr Stroh, Sie sitzen doch schon seit Jahren in der Kammerversammlung von Schleswig-Holstein.
Was sagt denn Dr. Christiansen zu der ganzen Sache.
Man hatte ja die Hoffnung, das er zu den jungen Wilden gehören würde. Es ist aber verdammt still da im hohen Norden.

AW: Bellen oder beißen

von Dr.Diefenbach am 29.01.2020 um 16:19 Uhr

JA Herr Ströh:Nämlich Herrn Dr.Michels.Bloss benötigt er auch die Unterstützung mengenmässig.Ich sage es zum dritten Mal:Ich stelle mir ihn sowie Herrn Dr.Hoffmann als neues Führungstandem vor.Zwei klare Denker.Auf gehts !!!!

AW: Bellen oder beißen

von Ulrich w am 29.01.2020 um 16:46 Uhr

Lieber Peter,
so still ist es bei uns im Norden gar nicht...

Zu den jungen Wilden kann ich nichts sagen.

Aber wir hatten hier in der KV sogar eine mehrheitliche Resolution -gegen - die Art der aktuellen Öffentlichkeitsarbeit der ABDA..

Ist vielleicht im Süden oder Westen nicht so angekommen!


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