DAZ.online-Serie (Teil 2 von 3)

Menstruationstasse statt Tampon – sinnvoll und sicher?

Stuttgart - 09.10.2019, 09:00 Uhr

Nachhaltig und preiswert: Das sind die am prominentesten beworbenen Vorteil von Menstruationscups. Doch: Gibt es auch Nachteile? Sind die Cups zum Beispiel dicht? (Foto: Leart / stock.adobe.com)

Nachhaltig und preiswert: Das sind die am prominentesten beworbenen Vorteil von Menstruationscups. Doch: Gibt es auch Nachteile? Sind die Cups zum Beispiel dicht? (Foto: Leart / stock.adobe.com)


Menstruationstassen „können“ eine Sache, die handelsübliche Tampons und Binden nicht schaffen: Sie sind wiederverwendbar. Vor allem mit dieser „ökologischen Nachhaltigkeit“ punkten die Menstruationscups aus Silikon oder Latex. Verglichen mit Binden oder Tampons sollen die Anwenderinnen somit über die Jahre auch erheblich Geld sparen. DAZ.online schaut sich die Menstruationstasse in einer dreiteiligen Serie genauer an. In diesem Teil geht es um die Vor- und Nachteile der Menstruationscups.

Laut einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung, die sich auf einen indischen Wissenschaftler namens Chandra Sharma beruft, wirft eine Frau während ihres Lebens durchschnittlich 3000 Tampons in den Müll, allein in Nordamerika soll jährlich ein Müllberg aus 20 Milliarden Binden, Tampons und Tampon-Applikatoren anfallen. Hier punkten Menstruationscups.

Ökologisch nachhaltig und preiswert

Die am stärksten betonten Vorzüge, die im Zusammenhang mit Menstruationstassen genannt werden, sind „wiederverwendbar“, „nachhaltig“ und „Müll vermeiden“. Auch finanziell bietet die Menstruationstasse Vorteile – denn mit Preisen zwischen meist zehn und 30 Euro haben sich die Anschaffungskosten eines Cups, im Vergleich zum beständigen Kauf von Einweg-Hygieneartikeln, meist relativ rasch amortisiert. Nutzt man das Cup über zehn Jahre – und diese „Lebensdauer“ ist bei Menstruationstassen wohl durchaus möglich –, lässt sich mit der alternativen Monatshygiene tatsächlich Geld und Müll sparen.

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Jüngst beschäftigte sich ein Team von Wissenschaftlern mit Menstruationstassen als Alternative zu Binden oder Tampons und hatte sich die Mühe gemacht, alle derzeit verfügbaren Daten zu den Cups zusammenzutragen und diese aus- und zu bewerten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie Anfang August 2019 im renommierten Wissenschaftsmagazin Lancet. Auch mit dem eingesparten Müll und Geld setzten sich die Wissenschaftler auseinander

In zehn Jahren: Cups sparen 95 Prozent der Kosten für Binden

Das Fazit der Wissenschaftler: Hochgerechnet auf einen Zeitraum von zehn Jahren verursacht eine Menstruationstasse verglichen mit Tampons oder Binden nur einen Bruchteil der Kosten und des Mülls. Die Wissenschaftler gehen dabei von einem monatlichen Bedarf von zwölf Binden beziehungsweise Tampons pro Zyklus aus. Nach Rechnung der Forscher kostet eine Menstruationstasse gerade einmal 5 Prozent des Geldes, das Binden kosten, und 7 Prozent des Geldes, das Frauen innerhalb von zehn Jahren für Tampons ausgeben.

Zudem verursacht eine wiederverwendbare Tasse nur 0,4 Prozent des Plastikmülls von Binden und etwa 6 Prozent des Plastikabfalls, der bei Tampons anfällt. Die Wissenschaftler betonen jedoch, dass ihre Hochrechnungen rein beispielhaft sind und weder die kombinierte Anwendung von Menstruationsprodukten erfassen noch Produktionskosten, Preisänderungen oder Inflationsentwicklungen über den Zehnjahreszeitraum berücksichtigen.

Menstruationstasse bei Trekkingtouren – ein Vorteil?

Abgesehen von den ökologischen und finanziellen Vorteilen – welche Vorzüge werden den Menstruationstassen außerdem zugesprochen? Im Vergleich zu Tampons sollen sich Menstruationstassen insbesondere für Situationen eignen, wenn die Entsorgung von Einweghygieneprodukten schwierig ist – wie auf öffentlichen Toiletten ohne Mülleimer oder bei Trekkingtouren. Fairerweise sollte bei Letzterem jedoch relativiert werden, dass bei Reisen in unwegsamem Gelände meist auch kein frisches Wasser – außer dem mitgetragenen Trinkwasser – verfügbar ist, um die Menstruationstasse vor dem erneuten Einsetzen zu reinigen. Das sieht jedoch die korrekte Anwendung vor: Menstruationstasse entnehmen, leeren, ausspülen, wieder einsetzen.
Vorteilhaft können Menstruationscups bei Bergtouren dennoch sein: Häufig bitten gerade abgelegene Hütten die Wanderer, dass diese ihren Müll wieder mit ins Tal nehmen, das entfällt bei Cups natürlich dann.

Menstruationstasse auf öffentlichen Toiletten – ein Nachteil?

Das Argument mit der öffentlichen Toilette ist teilweise richtig – doch sollte auch erwähnt werden, dass das Problem wohl seltener das Nichtvorhandensein eines Mülleimers ist, sondern eher, dass öffentliche Toilettenkabinen meist so gestaltet sind, dass sich das Handwaschbecken außerhalb der Kabine befindet. Somit muss die Menstruationstassenanwenderin ihre Tasse am öffentlichen Waschbecken reinigen. Das kann für die Anwenderin zum einen unangenehm sein und zum anderen auch für andere Toilettenbesucher unhygienisch anmuten.

Teilweise raten Hersteller von Menstruationstassen in diesen Fällen (Trekkingtour oder öffentliche Toilette) die Tasse sodann alternativ mit speziellen für Menstruationstassen geeigneten Feuchttüchern auf Wasser- oder Alkoholbasis zu reinigen – was die ökologische Nachhaltigkeit unter Umständen einschränken kann. Manche Hersteller betonen allerdings auch, dass ihre Tücher auf Viskosebasis komplett biologisch abbaubar sind. Aber sind das Tampons nicht auch – biologisch abbaubar?

Auch Tampons können nachhaltig sein

Teilweise sind auch Tamponhersteller auf den Zug der „biologischen Abbaubarkeit“ aufgesprungen. Denn Tampons können aus unterschiedlichen Materialien bestehen. O.b. besteht beispielsweise aus Viskose-Watte-Fasern als Kern und ist mit einem Kunststoffvlies überzogen. Das soll ein Entspiralisieren des Wattebauschs verhindern und das vaginale Einführen erleichtern. Konventionelle Tampons bestehen somit meist aus industriell hergestellter Viskose, welche aus Cellulose gefertigt wird und somit biologisch abbaubar ist. Nicht biologisch abbaubar ist hingegen das Kunststoffvlies (zum leichteren Einführen) oder die Plastikhülle, in der die einzelnen Tampons verpackt sind.

Manche Hersteller von Tampons verzichten auf Kunststoffvlies und Plastikhülle und setzen stattdessen auf reine Baumwolle, teilweise sogar aus biologischem Anbau. Sie bewerben, dass die Tampons so auch nach der Anwendung biologisch abbaubar sind und somit kompostierbar wären (Dauer der Verrottung wird in der Literatur mit 18 bis 24 Monaten angegeben). Auch wenn theoretisch also für manche Tampons Kompostieren funktioniert, werden sie dennoch in den meisten Fällen diesen Weg wohl nicht gehen, sondern als Einweg-Wegwerfartikel im Müll landen.

Auseinandersetzen mit dem eigenen Körper

Als weiteren Vorteil der Menstruationstassen wird auch genannt, dass Frauen sich stärker mit dem eigenen Körper auseinandersetzen – mit dem Blut, dessen Menge, der Farbe, dem Geruch –, woraus sich auch Informationen über den Zyklus und die Gesundheit ergeben könnten.

Können Verhütungsspiralen durch Menstruationstassen verrutschen?

Immer wieder kommt die Sorge auf, dass durch Menstruationstassen – die durch die Scheidenmuskulatur und durch Unterdruck in der Vagina verbleiben – Verhütungsspiralen (IUP, Intrauterinpessar) aus der Gebärmutter gezogen werden könnten. Auch wenn es einzelne Fallberichte dazu gibt, fand eine retrospektive Umfrage keine erhöhte Gefahr für verrutschte oder herausgefallene Verhütungsspiralen durch Menstruationstassen (Beobachtungszeitraum sechs bis acht Wochen nach Einsetzen des IUP) im Vergleich zu Tampons oder Binden. Die Untersuchung zeigte diese Zwischenfälle bei 5 von 135 Tassennutzerinnen (4 Prozent), elf von 469 Tamponnutzerinnen (2 Prozent) und bei 4 Prozent der Bindennutzerinnen (7 von 169).

Sind die Tassen dicht?

Manche Anwenderinnen hegen zu Beginn vor allem Zweifel, ob die Menstruationstassen tatsächlich „dicht“ sind und nicht auslaufen. Schließen sie tatsächlich so gut ab, dass kein Blut aus der Scheide gelangt? Auch mit dieser Frage setzten sich die Wissenschaftler des Lancet-Artikels Anfang August auseinander. Es war sogar eine ihrer Hauptfragen, die sie beantworten wollten: die „Auslaufgefahr“.

Sie bewerteten die Ergebnisse mehrerer Studien und fanden, dass alle zur Monatshygiene verwendeten Artikel ähnlich „dicht“ und „auslaufsicher“ beziehungsweise „auslaufunsicher“ waren. In einer Untersuchung konnte sogar ein Vorteil zugunsten der Menstruationscups gefunden werden.

Als Gründe für das Auslaufen von Menstruationstassen machten die Wissenschaftler Folgendes aus: Menorrhagie (verlängerte Monatsblutung: 7 bis 14 Tage), ungewöhnliche Anatomie der Gebärmutter, falscher Sitz oder falsche Größe des Cups sowie dass die Menstruationstasse überfüllt war (zu kleines Cup, nicht häufig genug gewechselt) und deswegen auslief.

Weniger Schadstoffbelastung mit den Cups?

Die Scheide ist mit einer extrem aufnahmefähigen Schleimhaut ausgestattet – verständlich, dass Frauen nicht monatlich Kontakt mit schädigenden Inhaltsstoffen aus Tampons oder Menstruationscups haben möchten. Wie steht es um die Schadstoffbelastung von Cups und Tampons?

Noch vor Jahren schnitten bei einer Untersuchung von Ökotest Tampons wenig gut ab, man fand in manchen Produkten möglicherweise krebserregende Verbindungen. Allerdings haben die Hersteller von Tampons an diesem Problem gearbeitet: Bei einem erneuten Test 2017 schnitten fast alle getesteten Produkte mit „sehr gut“ ab.

Überzeugte Menstruationstassenanwenderinnen argumentieren teilweise, dass diese Gefahr bei den Cups nicht bestehe. Allerdings können auch die Cups Schadstoffe enthalten: So fand Ökotest 2017 zumindest in einer untersuchten Menstruationstasse ebenfalls eine möglicherweise krebserregende Substanz (Benzophenon). Die übrigen geprüften Tassen erhielten jedoch eine gute Ökotest-Bewertung.

So geht's weiter

Der letzte Teil der DAZ.online-Serie „Menstruationstasse statt Tampon – sinnvoll und sicher?“ beschäftigt sich mit vaginalen Infektionen, unter anderem auch Scheidenpilz, und dem TSS – dem toxischen Schocksyndrom.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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