Sachverständigenausschuss

Diese zwölf Experten bestimmen über die Verschreibungspflicht

Berlin - 12.02.2019, 17:50 Uhr

Was gibt es nur mit Rezept, und was gibt es ohne Verordnung? Diese Experten entscheiden über die Verschreibungspflicht. (c / Foto: imago)

Was gibt es nur mit Rezept, und was gibt es ohne Verordnung? Diese Experten entscheiden über die Verschreibungspflicht. (c / Foto: imago)


Entscheidungen darüber, welche Arzneimittel in Deutschland verschreibungspflichtig sind, fällt das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung. Diese Verordnungen beruhen auf den Empfehlungen eines Expertengremiums, dem beim BfArM angesiedelten Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht. Aus Apothekersicht fällt auf: Die AMK ist in dem 22-köpfigen Gremium zwar vertreten, ein Offizinapotheker aber nicht – niedergelassene Ärzte hingegen schon. DAZ.online hat sich die Zusammensetzung des Gremiums angeschaut.

Welches Medikament sollte verschreibungspflichtig werden? Welche Präparate können aus der Verschreibungspflicht entlassen werden und ohne Rezept abgegeben werden? Sogenannte Rx- und OTC-Switches sind nicht nur für die Pharmaindustrie wichtig. Auch für Apotheker resultieren aus den Entscheidungen des Sachverständigenausschusses wichtige Umstellungen – nach einem OTC-Switch liegt die Beratungsverantwortung zu dem jeweiligen Arzneimittel ausschließlich in der Apotheke. Aber wer trifft solche Entscheidungen?

Der Sachverständigenausschuss ist im Arzneimittelgesetz etabliert. Demnach muss das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Ausschuss per Verordnung einrichten. Zur Zusammensetzung heißt es im Gesetz: „Dem Ausschuss sollen Sachverständige aus der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft, den Krankenhäusern, den Heilberufen, den beteiligten Wirtschaftskreisen und den Sozialversicherungsträgern angehören.“ In der Verordnung ist dann Näheres zur Zusammensetzung geregelt. Die zwölf stimmberechtigten Mitglieder werden vom BMG jeweils für fünf Jahre ernannt. Dazu gehören:

  • zwei Hochschullehrer der Pharmakologie, davon ein Hochschullehrer des Faches Veterinärmedizin und ein Hochschullehrer der Klinischen Pharmakologie,
  • zwei Hochschullehrer der Pharmazie, davon ein Hochschullehrer des Faches Klinische Pharmazie,
  • zwei Hochschullehrer des Faches Innere Medizin, davon ein Hochschullehrer des Faches Veterinärmedizin,
  • ein Hochschullehrer des Faches Allgemeinmedizin,
  • ein Hochschullehrer des Faches Kinder- und Jugendmedizin,
  • ein Hochschullehrer der medizinischen Statistik oder der Epidemiologie,
  • ein Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft,
  • ein Mitglied der Arzneimittelkommission der Tierärzte und
  • ein Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker.

Zwölf stimmberechtigte Mitglieder

Diese zwölf Experten sitzen derzeit im Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht und sind stimmberechtigt:

  • Prof. Dr. Dr. Achim Schmidtko, Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Schmidtko ist Professor für Pharmakologie im Fachbereich Biochemie, Chemie und Pharmazie. Der Forschungsschwerpunkt seines Arbeitskreises ist die Charakterisierung der zellulären und molekularen Mechanismen der Schmerzverarbeitung.
  • Prof. Dr. med. vet. M. Kietzmann, Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Kietzmann ist Fachtierarzt und auf die Bereiche Pharmakologie und Toxikologie spezialisiert. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Antibiotikaresistenzen und Pharmakokinetik.
  • Prof. Dr. Peter Ruth, Abteilung für Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie der Universität Tübingen, Institut für Pharmazie. Ruth ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesapothekerkammer und seit 2017 Mitglied des Ausschusses, er vertritt dort die Hochschullehrer für Pharmazie.
  • Prof. Dr. rer. nat. Irene Krämer, Direktorin der Apotheke der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Krämer war zwischen 2010 und 2012 Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA). Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Arbeit sind die zentrale Zytostatikazubereitung, der onkologische Patient, die klinisch-pharmazeutische Betreuung ausgewählter Patientenkollektive, die Stabilität applikationsfertiger Parenteralia, Proteinarzneimittel und Biosimilars. 2016 erhielt sie das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland.
  • Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli, Universitätsklinikum Heidelberg, Ärztlicher Direktor, Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie. Haefelis Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem die Translation der Pharmakotherapie in den Alltag (Individualisierung von Verordnung, Dosierung und Applikation, Arzneimittel-Therapiesicherheit (AMTS)) und Arzneimittel-Wechselwirkungen (vor allem Arzneimittel-Transporter, Cytochrom P450-System).
  • Herr Prof. Dr. Rolf Mansfeld, Tierärztliche Fakultät der LMU München, Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung. Mansfeld hat an der LMU eine Professur für Bestandsbetreuung und Euterkunde, er ist Klinikleiter. Der Veterinärmediziner hat auch im niedergelassenen Bereich bereits in einer eigenen Praxis gearbeitet und ist berufspolitisch aktiv.
  • Prof. Dr. med. Klaus Weckbecker, Universitätsklinik Bonn, Institut für Hausarztmedizin. Weckbecker ist Facharzt für Allgemeinmedizin, seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Polypharmazie und Suchterkrankungen.
  • Prof. Dr. Dagmar Dilloo, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Bonn. Dort leitet sie die Abteilung Pädiatrische Hämatologie und Onkologie.
  • Privatdozent Dr. Frank Andersohn, studierter Arzt und Vertreter der Hochschullehrer für Statistik und Epidemiologie. Andersohn ist Facharzt für klinische Pharmakologie und hat unter anderem beim Institut für Sozialmedizin an der Charité gearbeitet.
  • Prof. Dr. Wilhelm-Bernhard Niebling, niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin, Titisee-Neustadt. Niebling leitet den Lehrbereich Allgemeinmedizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft seit 2016.
  • Prof. Dr. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Außerdem ist Schulz Geschäftsführer des Geschäftsbereiches Arzneimittel bei der ABDA und Geschäftsführer Pharmazie des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI). Schulz ist auch Honorarprofessor an der Goethe-Uni Frankfurt.
  • Dr. Ilka Emmerich, Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie der Veterinär-medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.

Zehn nicht stimmberechtigte Mitglieder

Die zehn nicht stimmberechtigten Mitglieder sind:

  • Dr. Hubert Radinger, niedergelassener Kinderarzt aus Bonn.
  • Prof. Dr. Ralf Stahlmann, Charitè Berlin, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie. Stahlmann ist studierter Arzt und Apotheker. Seine Forschungsschwerpunkte: Reproduktionstoxikologie, Immuntoxikologie, Arzneimitteltoxikologie
  • Dr. Rainer Schneichel, niedergelassener Tierarzt aus Mayen. Schneichel ist berufspolitisch engagiert, unter anderem in der Tierärztekammer Rheinland-Pfalz (LTK).
  • Ursula Hilpert-Mühlig, studierte Sozialpädagogin und Psychologin. Sie ist Präsidentin des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker.
  • Dr. Matthias Ganso, Apotheker bei der AMK. Ganso vertritt die Apothekerschaft im Sachverständigenausschuss. Er ist nicht stimmberechtigt.
  • Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH). Kroth ist studierter Chemiker und außerdem Mitglied im Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel.
  • Dr. Siegfried Throm, Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Beim vfa ist Throm Geschäftsführer für Forschung/Entwicklung/Innovation.
  • Dr. Claudia Sigge, technisch-wissenschaftliche Leiterin des Bundesverbandes für Tiergesundheit.
  • Sigrid Richter, niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin und Palliativmedizin. Richter ist zudem berufspolitisch aktiv im Hausärzteverband.
  • Dr. Prosper Rodewyk, niedergelassener Facharzt (Internist und Allgemeinmedizin) in Dortmund. Rodewyk ist Landesvorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI).
  • Prof. Dr. med. Martin Wehling, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Medizinischen Fakultät Mannheim. Wehling hat Chemie und Medizin studiert und anschließend am Pharmakologischen Institut in Kiel promoviert. Es folgte die Habilitation im Fach Innere Medizin und die Anerkennung als Arzt für Klinische Pharmakologie.

Die Arbeit des Ausschusses

Der Ausschuss tagt zweimal jährlich beim BfArM in Bonn. Den Vorsitz übernimmt jeweils der amtierende Präsident des BfArM. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich – in der Geschäftsordnung des Ausschusses ist festgehalten, dass sie ausschließlich wissenschaftlichen Überlegungen in ihre Entscheidungen einbeziehen sollen. Die Beschlüsse der Sitzungen werden zwar einige Zeit später auf den Internetseiten des BfArM veröffentlicht – was hinter den Ausschuss-Türen besprochen wird, ist allerdings hochvertraulich, auch das steht in der Geschäftsordnung. Um die Neutralität zu wahren, sind Personen, die Pharmaunternehmen beraten oder gar selbst Anträge auf einen OTC- oder Rx-Switch einbringen, von der Arbeit im Gremium ausgeschlossen. Vor Beginn jeder Sitzung müssen alle Mitglieder garantieren, dass sie nicht befangen sind.

Anträge, beispielsweise zur Entlassung aus der Verschreibungspflicht, können übrigens auch von Privatpersonen gestellt werden. In der Regel stammen solche Anträge von Behörden, Herstellern oder Verbänden. Doch auch einzelne Apotheker oder Ärzte können Rx- und OTC-Switches beantragen.

Nach dem Beschluss eines Antrages wird dem BMG eine Empfehlung vorgelegt. Das Ministerium kann diese Empfehlung dann prüfen und dann gegebenenfalls die Arzneimittelverschreibungsverordnung ändern – erst dann ist der Switch auch wirklich rechtskräftig.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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