Neue Studie zu Fehlbildungen

Duogynon im Bundestag: Gesundheitspolitiker fordern Aufklärung 

Berlin - 03.12.2018, 14:15 Uhr

Die Duogynon-Akten sind immer noch ungelöst: Nach Veröffentlichung einer neuen Studie zu Missbildungen setzen sich einige Gesundheitspolitiker für die Belange der Betroffenen ein. (Foto: DAZ -eda-pr_15034710)

Die Duogynon-Akten sind immer noch ungelöst: Nach Veröffentlichung einer neuen Studie zu Missbildungen setzen sich einige Gesundheitspolitiker für die Belange der Betroffenen ein. (Foto: DAZ -eda-pr_15034710)


Waren die ehemaligen Duogynon-Präparate schuld an embryonalen Fehlbildungen? Eine aktuelle Studie aus Oxford soll neue Erkenntnisse liefern. Gesundheitspolitiker der SPD, Union und Grünen fordern nun zeitnahe Aufklärung. 

Für den Pharmakonzern Bayer ist der Fall Duogynon verjährt – die mutmaßlichen Opfer werden täglich daran erinnert. Nach mehr als 30 Jahren ist der Arzneimittelskandal um die umstrittenen Schering-Präparate immer noch ungeklärt. Derzeit sind die mutmaßlichen Schädigungen durch die Hormonpräparate im Bundestag wieder aktuell: Gesundheitspolitiker der SPD, Grünen und Union fordern zeitnahe Aufklärung. Weshalb hat die Debatte erneut an Fahrt aufgenommen?

Vor wenigen Tagen hatten sich die Grünen nach der Aufarbeitung und möglicher Entschädigungen für die Duogynonopfer erkundigt. Der Zusammenhang zwischen den Hormonpräparaten und embryonalen Fehlbildungen könne nicht nachgewiesen werden, antwortete das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor wenigen Tagen. Deshalb seien keine weitere Aufklärung des Falles oder Entschädigungszahlungen erforderlich.

Die Grünen haken nach

Damit gab sich die Grünen-Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink nicht zufrieden. Die Gesundheitspolitikerin nahm eine aktuelle Publikation aus Oxford zum Anlass, erneut beim BMG in einer mündlichen Anfrage nachzuhaken. Bei der Arbeit von Heneghan und Kollegen handelt es sich um einen Review und eine Metaanalyse mit 16 Fallstudien und 10 Kohortenanalysen. Die Studienergebnisse legen einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Duogynon in der Schwangerschaft und embryonalen Fehlbildungen nahe. Am vergangenen Mittwoch war diese Studie auch Thema eines Berichts auf SkyNews.

Die Bundesregierung wich der Frage der Grünen nach der Einordnung der Studie aus. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sei für die Bewertung der Studie zuständig. Die Meinungsbildung beim BfArM sei allerdings noch nicht abgeschlossen.

Stamm-Fibich und Pilsinger: Aufklärung nicht länger aufschieben

Am vergangenen Freitag meldeten sich die Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Martina Stamm-Fibich, und der CSU-Bundestagsabgeordnete und Mediziner, Dr.Stephan Pilsinger, zu Wort. In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten sie die umfassende Aufklärung des Arzneimittelskandals. „Die Aufklärung darf in Deutschland nicht länger aufgeschoben werden.“

Aus Sicht der beiden Bundestagsabgeordneten würde nicht nur Heneghans Studie auf Duogynon als Ursache für embryonale Missbildungen hinweisen. Sollte sich Duogynon als Missbildungsursache bestätigen, müssten die mutmaßlichen Opfer  – ähnlich wie im Fall Contergan –  entschädigt werden.

Lässt sich die teratogene Wirkung nachweisen?

Unter der Marke Duogynon wurden zwischen 1950 und 1980 mehrere Präparate vertrieben, die bei sekundärer Amenorrhoe und als hormoneller Schwangerschaftstest angewendet wurden. Einige Frauen sollen Duogynon auch als Abortivum missbraucht haben. Tausende, die zum Zeitpunkt der Anwendung der Schering-Präparate schwanger waren, gebaren Kinder mit Behinderungen. Die DAZ berichtete ausführlich über die wissenschaftlichen Hintergründe und bisherigen Entwicklungen.  

Ein assoziativer Zusammenhang ist offenbar vorhanden. Ob die Duogynon-Wirkstoffe die embryonalen Fehlbildungen kausal verursacht haben, ist möglicherweise schwieriger zu belegen. Auszuschließen ist der ursächliche Zusammenhang jedoch nicht, das räumt auch die Bundesregierung in ihrer Antwort an die Grünen-Anfrage ein. Die Zahl der Betroffenen, die heute noch in Deutschland leben, wird auf 400 bis 600 Personen geschätzt. Die Frage ist, ob deren Entschädigung zwangsläufig an den Nachweis einer wissenschaftlichen Kausalität geknüpft sein muss.

Als Kriterium für die Markrücknahme eines Arzneimittels genügt seit 1970 bereits der Verdacht auf teratogene Wirkung. Dies wurde durch ein Urteil des Landgerichts Aachen im Zusammenhang mit dem Contergan-Skandal entschieden.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Duogynon im Bundestag; Gesundheitspolitiker fordern Aufklärung

von Dr. Gottfried Arnold am 05.12.2018 um 21:25 Uhr

An DAZ-online 5.12.2018

Ihre Berichterstattung finde ich sehr erfreulich. Und es gibt doch noch engagierte Gesundheitspolitiker bei den Grünen, die gesellschaftlich relevante Fragen stellen und SPD- u. CSU-Politiker (und Ärzte), die hartnäckig nachfragen. Das haben die Duogynon-Opfer nach so vielen Jahren dringend verdient. Zumal die Veröffentlichungen über Hormone und Fremdhormone in den letzten Jahrzehnten soviel Wissen zu tage gefördert haben, dass ich als Kinderarzt es als Schande empfinde, wie ignorant das Gesundheitsministerium immer noch reagiert!
Es ist lange zweifelsfrei bekannt, dass geringe östrogenartige Hormoneinwirkungen in der Frühschwangerschaft zu Fehlbildungen an männlichen Genitalorganen wie z.B. Hodenhochstand oder Fehlmündung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie) führen können.
Neben den neu erarbeiteten epidemiologischen Assoziationen von Heneghan gibt es auch seit kurzem molekulare Links (Cunha, Differentiation, 2017) zwischen künstlichen Östrogenen wie Diethylstilböstrol (DES) und Genital-Fehlbildungen bei Frauen. Sehr häufig kam es nach pränatalem DES zu einer Adenosis vaginae mit drüsenähnlichen Oberflächenveränderungen, die z.T dann zum berühmt-berüchtigten Klarzell-Scheidenkrebs junger Mädchen geführt hatten. Cunha et al haben mit Antikörpern und aufwendigen histochemischen Verfahren Hormonrezeptoren, Transkriptonsfaktoren und DES in eine logische Reihefolge bis zur Fehlbildung auf molekularer Ebene dargestellt.
Es isr höchste Zeit, eine wissenschaftlich exakte Aufarbeitung in Angriff zu nehmen.
Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt, Hilden

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