Nach „Midterm“-Wahlen

USA: Politische Allianz zur Senkung der Arzneimittelpreise möglich

Berlin - 12.11.2018, 09:05 Uhr

Nach den sogennnten Midterm-Wahlen wäre im US-Kongress eine Übereinkunft zwischen Republikanern und Demokraten beim Thema Arzneimittelpreise denkbar. ( r / Foto: Imago)

Nach den sogennnten Midterm-Wahlen wäre im US-Kongress eine Übereinkunft zwischen Republikanern und Demokraten beim Thema Arzneimittelpreise denkbar. ( r / Foto: Imago)


Nachdem die Demokraten bei den jüngsten Zwischenwahlen im US-Kongress das Repräsentantenhaus mehrheitlich für sich gewonnen haben und damit deutlich mehr Macht und Einfluss gewinnen, zeichnet sich eine Koalition mit den Republikanern beim Thema Gesundheitskosten ab. Trotz der ansonsten meist gegensätzlichen Positionen bekunden beide Seiten, gemeinsam an der Senkung der Arzneimittelpreise arbeiten zu wollen. Ob es wirklich dazu kommt, hängt allerdings von mehreren Faktoren ab.

Die Chefs der US-amerikanischen Pharmaunternehmen dürften in diesen Tagen den nach Mid-Term-Wahlen mit einer gewissen Sorge in Richtung Washington schauen. Denn nachdem sich die Demokraten die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus gesichert haben – neben dem Senat eine der beiden Kammern des US-Kongresses –, tun sich im Bereich der Gesundheitspolitik neue Möglichkeiten und Partnerschaften auf. Dabei könnten die Pharma-CEOs demnächst mit der nachdrücklichen Forderung von Republikanern als auch Demokraten konfrontiert werden, ihre Arzneimittel deutlich billiger zu verkaufen.

Die ungewöhnliche Allianz zwischen diesen sich ansonsten heftig bekämpfenden Parteien hat ihre Ursache darin, dass sich beide Gruppen die Senkung der hohen US-Gesundheitskosten auf die Fahnen geschrieben haben. „Das Nummer-Eins-Ziel der Demokraten ist Donald Trump. Direkt dahinter kommt die Pharmaindustrie“, sagte ein republikanischer Pharmalobbyist gegenüber US-Medien.

Trumps Drohungen gegen Pharma

Trump selbst hatte die hohen Arzneimittelpreise während seiner zwei Jahre andauernden Amtszeit wiederholt thematisiert. Kurz nach Beginn seiner Amtszeit versammelte er medienwirksam die Chefs großer Pharmakonzerne im Oval Office des Weißen Hauses und sagte in die Kameras, dass er etwas gegen Auswüchse bei den Medikamentenpreisen tun werde. In der Folge bezichtigte er die Branche angesichts ihrer Preisgestaltung schlagzeilenträchtig des „Mordes“, er nahm die Mittelsmänner des US-amerikanischen Gesundheitssystems, die sogenannten Pharmacy Benefit Manager (PBM), ins Visier – diese würden reich durch Nichtstun – und verbreitete zuletzt die Idee, Pharmaunternehmen sollten bei Fernsehwerbung die Preis der Produkte nennen.

Zentrales Wahlkampfthema der Demokraten

In den vergangenen Wochen hatten die Demokraten ihrerseits die Gesundheitspolitik zu einem ihrer zentralen Wahlkampfthemen gemacht. Einige Politiker der Partei machten dabei ihre eigenen Krankengeschichten öffentlich. Andere prangerten republikanische Abgeordnete an, von der Pharmaindustrie und Versicherern Geld entgegen genommen zu haben. Die Versuche der Trump-Regierung, die von seinem Vorgänger Barack Obama eingeführte Krankenversicherung  für Millionen US-Bürger wieder einzuschränken, dominierte ebenfalls die Agenda der Demokraten. Und am Wahltag zeigten Umfragen, dass die Gesundheitsversorgung ein Topthema für die Wähler war.

Die Demokratin Nancy Pelosi, die erneut zur Sprecherin des Repräsentantenhauses gewählt werden dürfte – sie hatte dieses Amt bereits von 2007 bis 2011 inne – betonte, dass das Thema Arzneimittelpreise auch für sie oberste Priorität habe: „Es geht darum, die Angriffe der Regierung und von Senator Mitch McConnell auf Medicare und Medicaid, den Affordable Care Act (US-Bundesgesetz, auch Obamacare genannt) und die Gesundheitsversorgung von 130 Millionen Amerikanern mit existierenden Vorerkrankungen zu beenden“, sagte sie in einer Rede am Wahltag.

Stärkere Position der Demokraten

Der Sieg der Demokraten im Repräsentantenhaus dürfte die Partei nun in eine deutlich bessere Position versetzen, ihre Ideen und Forderungen auf den Tisch zu bringen. Zugleich haben sie in den vergangenen Tagen keine Zweifel daran gelassen, dass sie künftig eine Menge Lärm dazu machen werden, wohl wissend, dass „Pharma-Bashing“ ein Thema ist, mit dem man bei den US-Wählern punkten kann. „Wir werden sehr, sehr harte Gesetzesmaßnahmen auf den Weg bringen, um die Kontrolle über die Arzneimittelpreise neu zu gestalten“, sagte Pelosi.

Damit dürften die nächsten beiden Jahre für die Pharmaindustrie, um es vorsichtig auszudrücken, herausfordernd werden. Denn seit dem Ausgang der Mid-Term-Wahlen haben sowohl die Republikaner als auch die Demokraten ihre Bereitschaft beziehungsweise ihren Willen zum Ausdruck gebracht, zusammenarbeiten zu wollen, um eine deutliche Absenkung der Arzneimittelpreise zu erreichen. So äußerte der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell, nach den Zwischenwahlen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Thema nicht auf der Agenda stehen wird.“ US-Präsident Trump brachte dieser Tage in einer Pressekonferenz seinerseits zum Ausdruck, er wolle bei der Bekämpfung der hohen Arzneimittelpreise mit den Demokraten zusammenarbeiten.

Hinzu kommen Aspekte, die auf der Hierarchieebene etwas weiter unten angesiedelt sein mögen, die die Lage der Pharmaindustrie aber ebenfalls erschweren könnten. So wird im kommenden Jahr Senator Orrin Hatch nach mehr als 40 Jahren im Senat in den Ruhestand gehen. Hatch war laut US-Medienberichten während der vergangenen Jahrzehnte ein Liebling der Pharmaindustrie und sitzt dem Finanzkommittee des Senats vor, welches über die großen staatlichen Gesundheitsprogramme Medicare und Medicaid wacht. Offen ist, wer auf Hatch folgt und welche Haltung er gegenüber der Pharmabranche einnehmen wird.

Die Hürden der Realität

Doch wie weit die neu bekundete Allianz zwischen Republikanern und Demokraten bei diesem Thema wirklich geht, muss sich erst noch zeigen. Denn in der Praxis tun sich einige Hürden auf, und es ist fraglich, ob es die Themen Gesundheitskosten und Gesundheitswesen wirklich in die vorderen Reihen der politischen Tagesordnung schaffen. So weisen politische Analysten darauf hin, dass die Demokraten schon bisher rund 60 Anfragen beziehungsweise Untersuchungen gegen die Republikaner auf den Weg gebracht haben, diese aber allesamt von den Konservativen mittels ihrer politischen Mehrheit auf Eis gelegt worden sind. Die Themen reichen dabei von den Russland-Verbindungen der Trump-Adminstration bis zum Umgang mit dem staatlichen Gesundheitsprogramm Medicaid. 

Möglich also, das die Willensbekundung der Demokraten zur Zusammenarbeit mit den Republikanern beim Thema Arzneimittelpreise in der Realität dem großen Ziel untergeordnet wird, Trump bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 aus dem Amt zu jagen. „Sie können nicht auf Jemanden einprügeln und dann sagen: `Hey, lass uns wieder Spaß haben und Händchen halten`“, zitiert das Fachportal Stat einen republikanischen Analysten. „Ich denke, beide Parteien werden parallel arbeiten, aber nicht zusammen.“

Schließlich muss man auch die Frage stellen, wie ernst es Trump letztlich wirklich mit seinen Preissenkungsdrohungen gegenüber der Pharmabranche meint. Wenngleich er gegenüber den Demokraten seinen Willen zur Zusammenarbeit demonstrierte, drohte er postwendend in der ihm eigenen Art, mit dem politischen Gegner nicht zusammenzuarbeiten, wenn der seine neue Macht dazu nutzen werde, seine Regierungsarbeit unter die Lupe zu nehmen.

Fragliche Personalentscheidungen von Trump

Fraglich sind Trumps Ambitionen auch, wenn man sein Personaltableau betrachtet. Immerhin kommen einige seiner aktuellen Top-Leute in Regierung und staatlichen Institutionen aus der Pharmaindustrie und besetzen nun einflussreiche politische Posten, darnter der Chef der US-Arzneimittelbehörde FDA, Scott Gottlieb und Gesundheitsminister Alex Azar. Und Trumps Top-Berater bei Fragen der Arzneimittelpreisgestaltung, Joe Grogan, ist ein ehemaliger Pharmalobbyist. Werden diese Leute wirklich der Klientel, der sie entstammen, in die Suppe spucken?

Die Chefs von Big Pharma dürften in den nächsten Wochen und Monaten jedenfalls gespannt darauf schauen, ob die neuen, von gegenseitiger Harmonie angereicherten Töne der Republikaner und Demokraten sich in ernsthafter Politik niederschlagen oder lediglich Wahlgetöse sind.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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