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ARD-Magazin „Fakt“
„Eine Valsartan-Tablette ist so schädlich wie fünf Zigaretten“
Die Verunreinigungen des Blutdrucksenkers Valsartan beschäftigen derzeit auch viele Publikumsmedien. Am gestrigen Dienstagabend widmete sich das ARD-Recherche-Magazin „Fakt“ insbesondere der Frage, wie die NDMA-Kontamination sechs Jahre lang unentdeckt bleiben konnte. Das TV-Magazin und die befragten Experten kommen zu dem Schluss: Der Herstellungsprozess ist viel zu undurchsichtig, er gleiche einer Blackbox.
Die ARD-Sendung „Fakt“ beginnt beim Thema Valsartan persönlich: Die zuständige Redakteurin wird dabei gefilmt, wie sie selbst Valsartan einnimmt. Seit Jahren nehme sie täglich eine Tablette ein, erklärt sie. Während für Apotheker die Frage im Fokus steht, wie ihre Patienten nach den massenweisen Rückrufen noch versorgt werden können, geht der TV-Beitrag zunächst der Frage nach, wie stark die Kontamination der betroffenen Valsartan-Tabletten überhaupt ist. Professor Mona Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker erklärt dazu, dass in Stichproben einzelner Tabletten Mengen zwischen 2,7 Mikrogramm und 20 Mikrogramm gefunden worden seien. „Das entspricht der 20- bis 70-fachen Menge des Nitrosamins, das wir über Lebensmittel zu uns nehmen.“
Außerdem kommt der Toxikologe Thomas Eschenhagen vom Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf zu Wort, der die Gefahr der Nitrosamine für den menschlichen Körper so beschreibt: „Die Daten zeigen, dass Nitrosamine ohne Zweifel zu den am stärksten krebserregenden Stoffen gehören, denen der Mensch exponiert sein kann. Eine Tablette am Tag ist etwa so viel, als wenn man fünf Zigaretten täglich rauchen würde. Anders kann man aber auch sagen: Das bedroht einen nicht akut, sondern es ist die chronische Einnahme.“
Im Rest des TV-Beitrags gehen die ARD-Journalisten der Frage nach, warum die Verunreinigungen des Valsartans so lange unentdeckt blieben. Zur Erklärung: Seit 2011 hat der betroffene chinesische Hersteller die Lizenz für die Herstellung des Wirkstoffes, 2012 beantragte er aber beim European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM) die Umstellung des Herstellungsprozesses mit einem sogenannten CEP-Zertifikat. In der DAZ hatte Autorin und Apothekerin Dr. Helga Blasius bereits ausführlich ihre Recherchen zu diesem Thema vorgestellt: Sie war der Frage nachgegangen, warum die Entstehung von NDMA bei der Umstellung des Herstellungsprozesses nicht aufgefallen war.
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Prof. Tawab (ZL): Der Herstellungsprozess ist wie eine Blackbox
Und auch im TV-Beitrag wird erklärt: „Inzwischen ist klar: Der chinesische Hersteller hat den Herstellungsprozess geändert, danach ist Nitrosamin entstanden. Man kann Nitrosamin nachweisen. Das Problem ist: Man muss wissen, wonach man sucht.“ Das Problem liegt laut „Fakt“ nun darin, dass das CEP bei der europäischen Zulassungsbehörde einmal beantragt wird und dann bei der Einfuhr die Qualität der Tabletten aber nicht mehr überprüft wird. Die Redakteurin erklärt: „Das Problem: Niemand außer dem Hersteller und dem EDQM wissen genau, wie der Wirkstoff hergestellt wird, denn das ist häufig topsecret.“
Gestützt wird diese Schlussfolgerung von Professor Mona Tawab vom ZL. Die Pharmazeutin sagt, dass das CEP wie ein „Blankoschein“ sei, mit dem die Hersteller einmal die Erlaubnis erhalten und danach keinen Kontrollen mehr ausgesetzt sind. Der eigentliche Herstellungsprozess sei wie eine „Blackbox“ – man wisse nicht, wie einzelne Arzneimittel hergestellt werden. Tawab wörtlich: „Die Wirkstoffherstellung stellt für die Pharmafirmen eine Blackbox dar. Es ist so, dass der Wirkstoffhersteller Details zu seinem Herstellungsverfahren zurückhalten kann und darf, um sein Verfahren zu schützen. Dieses Verfahren muss er nur den Zulassungsbehörden vorlegen.“ Dass europäische Pharmaunternehmen und Prüflabore keinen Einblick in den Herstellungsprozess der eigentlichen Hersteller haben, könne eine „gravierende Fehlerquelle“ sein. Tawab weiter: „Wir würden es begrüßen, wenn die Wirkstoffherstellung keine Blackbox mehr darstellt. Denn je mehr ich über einen Wirkstoff weiß, desto besser kann ich auch die Risiken abschätzen, die mit diesem Verfahren verbunden sind. Desto mehr kann ich überlegen, welche Nebenprodukte und Verunreinigungen entstehen und desto besser kann ich auch prüfen und meine Analysen entsprechend darauf anpassen.“
Glaeske: Hersteller müssen besser kontrollieren
Wie in jedem guten TV-Beitrag über Arzneimittel kommt auch Professor Gerd Glaeske von der Uni Bremen zu Wort. Glaeske sieht insbesondere die europäischen Pharmaunternehmen in der Pflicht. Sie müssten bei der Einfuhr besser und intensiver kontrollieren, ob die Reinheit und Qualität der Arzneimittel gegeben ist. „Man muss auf Reinheit, Qualität und auf Identität prüfen. Man muss schauen, ob das Produkt wirklich das enthält, was deklariert ist und nicht mehr darüber hinaus. Das wird offensichtlich zu wenig gemacht. Insofern sind die pharmazeutischen Unternehmer und die Länderüberwachungsbehörden hier in der Pflicht, tatsächlich für die Qualität der Arzneimittel zu sorgen. Da gibt es erhebliche Lücken, die offensichtlich dazu beigetragen haben, dass nun über Jahre ein solch verunreinigtes Produkt im Markt sein konnte.“
8 Kommentare
Generika Verunreinigungen
von Dr. Viktoria Brosig-Mohr am 10.08.2018 um 13:06 Uhr
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Lösungsansätze
von Kritiker am 09.08.2018 um 13:35 Uhr
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@ Heiko Barz
von Kritiker am 08.08.2018 um 22:12 Uhr
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AW: @ Heiko Barz
von Heiko Barz am 09.08.2018 um 11:32 Uhr
Was folgt daraus für PatientInnen?
von Kritiker am 08.08.2018 um 12:23 Uhr
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AW: Was folgt daraus für PatientInnen
von G. Umminger am 08.08.2018 um 19:23 Uhr
AW: Was folgt daraus für PatientInnen
von Heiko Barz am 08.08.2018 um 19:37 Uhr
AW: Re: Was folgt daraus für PatientInnen
von H. Gruber am 08.08.2018 um 19:57 Uhr
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