ARD-Magazin „Fakt“

„Eine Valsartan-Tablette ist so schädlich wie fünf Zigaretten“

Berlin - 08.08.2018, 10:15 Uhr

Der Toxikologe Thomas Eschenhagen vom
Uni-Klinikum Eppendorf aus Hamburg kommt zu dem Schluss, dass die Einnahme von verunreinigtem Valsartan dem täglichen Konsum von fünf Zigaretten gleicht. (b / Screenshot: DAZ.online)

Der Toxikologe Thomas Eschenhagen vom Uni-Klinikum Eppendorf aus Hamburg kommt zu dem Schluss, dass die Einnahme von verunreinigtem Valsartan dem täglichen Konsum von fünf Zigaretten gleicht. (b / Screenshot: DAZ.online)


Prof. Tawab (ZL): Der Herstellungsprozess ist wie eine Blackbox

Und auch im TV-Beitrag wird erklärt: „Inzwischen ist klar: Der chinesische Hersteller hat den Herstellungsprozess geändert, danach ist Nitrosamin entstanden. Man kann Nitrosamin nachweisen. Das Problem ist: Man muss wissen, wonach man sucht.“ Das Problem liegt laut „Fakt“ nun darin, dass das CEP bei der europäischen Zulassungsbehörde einmal beantragt wird und dann bei der Einfuhr die Qualität der Tabletten aber nicht mehr überprüft wird. Die Redakteurin erklärt: „Das Problem: Niemand außer dem Hersteller und dem EDQM wissen genau, wie der Wirkstoff hergestellt wird, denn das ist häufig topsecret.“

Gestützt wird diese Schlussfolgerung von Professor Mona Tawab vom ZL. Die Pharmazeutin sagt, dass das CEP wie ein „Blankoschein“ sei, mit dem die Hersteller einmal die Erlaubnis erhalten und danach keinen Kontrollen mehr ausgesetzt sind. Der eigentliche Herstellungsprozess sei wie eine „Blackbox“ – man wisse nicht, wie einzelne Arzneimittel hergestellt werden. Tawab wörtlich: „Die Wirkstoffherstellung stellt für die Pharmafirmen eine Blackbox dar. Es ist so, dass der Wirkstoffhersteller Details zu seinem Herstellungsverfahren zurückhalten kann und darf, um sein Verfahren zu schützen. Dieses Verfahren muss er nur den Zulassungsbehörden vorlegen.“ Dass europäische Pharmaunternehmen und Prüflabore keinen Einblick in den Herstellungsprozess der eigentlichen Hersteller haben, könne eine „gravierende Fehlerquelle“ sein. Tawab weiter: „Wir würden es begrüßen, wenn die Wirkstoffherstellung keine Blackbox mehr darstellt. Denn je mehr ich über einen Wirkstoff weiß, desto besser kann ich auch die Risiken abschätzen, die mit diesem Verfahren verbunden sind. Desto mehr kann ich überlegen, welche Nebenprodukte und Verunreinigungen entstehen und desto besser kann ich auch prüfen und meine Analysen entsprechend darauf anpassen.“

Glaeske: Hersteller müssen besser kontrollieren

Wie in jedem guten TV-Beitrag über Arzneimittel kommt auch Professor Gerd Glaeske von der Uni Bremen zu Wort. Glaeske sieht insbesondere die europäischen Pharmaunternehmen in der Pflicht. Sie müssten bei der Einfuhr besser und intensiver kontrollieren, ob die Reinheit und Qualität der Arzneimittel gegeben ist. „Man muss auf Reinheit, Qualität und auf Identität prüfen. Man muss schauen, ob das Produkt wirklich das enthält, was deklariert ist und nicht mehr darüber hinaus. Das wird offensichtlich zu wenig gemacht. Insofern sind die pharmazeutischen Unternehmer und die Länderüberwachungsbehörden hier in der Pflicht, tatsächlich für die Qualität der Arzneimittel zu sorgen. Da gibt es erhebliche Lücken, die offensichtlich dazu beigetragen haben, dass nun über Jahre ein solch verunreinigtes Produkt im Markt sein konnte.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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8 Kommentare

Generika Verunreinigungen

von Dr. Viktoria Brosig-Mohr am 10.08.2018 um 13:06 Uhr

Ich habe auf DW-Deutsche Welle im Mai einen erschreckenden Bericht über die Herstellung von Billigarzneien in Indien und China gesehen. Wenn man auch noch die Umweltverschmutzung bedenkt, die die dortigen Fabiken machen, darf dort gar nicht gekauft werden! Jeder Kassenpatient ist der Dumme, weil seine Kasse nur abgesprochene Generika bezahlt. und die sind minderwertig! Ich habe das schon vor langem entdeckt: nehme ich Naproxen als Generika von 1A Pharma oder ratio Pharm , bekomme ich sofort Magenschmerzen. Bringe ich mir aus den USA die Großpackung Aleve von Bayer, 270 St. zu ca. 20,-US $ mit, geht es mir gut. Vor 40 Jahren hat schon mein Vater, Ordinarius für Urologie, festgestellt, dass z. B. Binotal besser wirkt als das Generika Amoxicillin.
Auf die Nachfrage in der Apotheke, warum die Generika Tabletten von Naproxen dreimal so groß wie das Orginal seien, konnte mir auch keiner helfen. Jetzt weiß ich , dass da wohl allerhand andere Stoffe drin sind!

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Lösungsansätze

von Kritiker am 09.08.2018 um 13:35 Uhr

Aus Anwender- und Apothekenperspektive sachlich überzeugende Lösungsansätze erwarte ich weder von Hrn Spahn noch von der aktuellen Bundesregierung oder wahrscheinlichen künftigen Bundesregierung noch von der GKV, es sei denn, durch einen mit dem Contergan Skandal vergleichbaren Skandal entsteht akuter Handlungszwang.

Positivlisten mit Medikamente in einwandfreier pharmazeutischer Qualität in Deutschland und der EU ohne Wirkstoffe unklarer Sicherheit herstellende Unternehmen und Positivlisten mit nachweislich sicheren Medikamenten in einwandfreier pharmazeutischer Qualität würden sofort den Anwendern nützen und die Beratungsarbeit der Apotheken erleichtern.

Momentan stellt sich doch die Situation haarsträubend dar. Zum Beispiel konnte ich für Angehörige in den letzten Tagen nicht herausfinden, welche Ramipril und Telmisartan Generika mit gesichert pharmazeutisch einwandfreien bzw mit nicht in China/Indien hergestellten Wirkstoffen in Deutschland erhältlich sind. Auch weiß ich nach wie vor nicht, wo Ratiopharm das Ibuprofen Lysin 684 mg Präparat herstellt und woher der Wirkstoff stammt.

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@ Heiko Barz

von Kritiker am 08.08.2018 um 22:12 Uhr

Meine Punkte 1. - 3. sind Empfehlung an Patienten.

Hr Spahn leistete angeblich weder Wehr- noch Ersatzdienst. Er soll ausgemustert worden sein.

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AW: @ Heiko Barz

von Heiko Barz am 09.08.2018 um 11:32 Uhr

Da aber die KKassen ausschließlich das Wohl der pflichtbeitragszahlenden Mitglieder in ihrer Agenda im Auge haben müßten, dürften die aufgeführten Punkte sehr wohl auch als verpflichtendes Ziel dieser mittlerweile rein kapitalorientierten „Machtorgane“ ( sprich: KKassen) gelten.

Was folgt daraus für PatientInnen?

von Kritiker am 08.08.2018 um 12:23 Uhr

1. Vorzugsweise Originalpräparate reputabler Marken anwenden.

2. Nur Generika reputabler Marken anwenden.

3. Keine außerhalb der EU hergestellten Generika und keine Generika mit in China/Indien hergestellten Wirkstoffen anwenden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Was folgt daraus für PatientInnen

von G. Umminger am 08.08.2018 um 19:23 Uhr

Wie lustig.... daraus folgt dass wir als nützliche Idioten der Distributions - Stellen die Reklamationen auszubaden haben, die die GEIZISTGEIL Mentalität im Gesundheitsbereich zwangsläufig erzeugt. Vollkommen unabhängig von Firmenphilosophien. WANN kapieren endlich die Deutschen, dass Premiumqualität und Schnäppchenpreis nicht zusammen gehen? Was mich am meisten annervt, ist dass der Postbote exakt auf dem selben Informationsstand war wie ich oder eventuell noch VOR der Apotheke informiert war. WARUM diese Form des Informationsflusses?? Reicht es nicht, dass inhaltlich so viel Sprengstoff drin steckt, muss auch noch der Schubladenzieher- Vollidiot die A-karte haben wenn es um die Hintergrundinfos geht? Komisches Versehen oder absichtliches Kompromittieren- eigentlich vollends egal, der Abgesang auf die öffentliche Apotheke wird dadurch aber nochmal beschleunigt.

AW: Was folgt daraus für PatientInnen

von Heiko Barz am 08.08.2018 um 19:37 Uhr

Ist das die Wunschliste zu Weihnachten oder zum herbstlichen Apo-Tag auch zur Vorlage des möglicherweise erscheinenden Jens Spahn? Vielleicht aber kommt er aus dem selbstgebuddelten Sommerloch zum neuen Sozialdienst nicht mehr raus, wobei er hofft, dadurch billige Zusatzarbeitskräfte bei der Pflege zu bekommen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Ich müßte mal eruieren, welchen sozialen Ersatzdienst oder Wehrdienst an der Waffe er geleistet hat.

AW: Re: Was folgt daraus für PatientInnen

von H. Gruber am 08.08.2018 um 19:57 Uhr

Sehr richtig!
Die Liste ist wie folgt fortzusetzen:
4. Der Wirkstoff-Hersteller ist im Beipackzettel klipp und klar zu benennen. Wenn auf jeder Unterhose ein Etikett "Made in XYZ" Pflicht ist, so wird man dies bei einem Arzneimittel erst recht erwarten dürfen.

5. Generika unklarer Herkunft sind von den Patienten entschieden abzulehnen: Will der verordnende Arzt da nicht mitziehen: Arztwechsel !

6. Die Vorstandsmitglieder der gesetzlichen Krankenkassen verpflichten sich freiwillig, Ihre preiswerten Fernost-Hinterhofklitschen-Arzneimittel selbst zu konsumieren, da sie von deren Qualität ja vollends überzeugt sind.

7. Die Prüfung auf Nitrosamine ist für jeden pharmazeutischen Wirk- bzw. Hilfsstoff zwingend in die Pharmakopöen aufzunehmen.

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