DocMorris kauft Versandgeschäft

Was sagt die Politik zu den Stellenstreichungen nach der Apo-Rot-Übernahme?

Berlin - 28.05.2018, 07:00 Uhr

Rund 190 Beschäftigten des Hamburger Arzneimittel-Versenders Apo-Rot droht eine ungewisse berufliche Zukunft nach der DocMorris-Übernahme. (Foto: dpa)

Rund 190 Beschäftigten des Hamburger Arzneimittel-Versenders Apo-Rot droht eine ungewisse berufliche Zukunft nach der DocMorris-Übernahme. (Foto: dpa)


Der niederländische Versandhändler DocMorris übernimmt das Versandgeschäft der Hamburger Apotheke am Rothenbaum (Apo-Rot). Nicht nur für den Apothekenmarkt ist das eine Übernahme mit Signalwirkung – auch für viele Mitarbeiter, die derzeit für Apo-Rot arbeiten, denn viele von ihnen werden ihren Job verlieren. DAZ.online hat bei einigen Gesundheitspolitikern nachgefragt. Während sich die Linken in ihrem Kurs gegen den Versandhandel bestätigt sehen, sehen Grüne und FDP wenig Handlungsbedarf.

Dass DocMorris oder der Schweizer Mutterkonzern Zur Rose nochmals zuschlagen, war klar – die Frage war nur, wann sie die nächste deutsche Versandapotheke übernehmen und insbesondere welche es denn sein wird. Nun steht fest: Die Niederländer kaufen die Versandsparte einer der größten und ältesten Versandapotheken aus Deutschland. In einer Mitteilung teilte die Gründerin und Apothekerin  von Apo-Rot, Birgit Dumke, mit, dass der Online-Versand des Hamburger Unternehmens ab „Ende 2018“ von Heerlen aus betrieben wird.

Dass DocMorris seinen Marktanteil damit noch weiter ausbaut, ist klar – Apo-Rot setzte im vergangenen Jahr mit 780.000 Kunden etwa 100 Millionen Euro um. Was aber bedeutet die Teilübernahme für die Mitarbeiter des Hamburger Versenders? In den vier unternehmenseigenen Vor-Ort-Apotheken arbeiten laut Apo-Rot etwa 90 Mitarbeiter – diesen Beschäftigten droht nichts, schließlich sollen die Apotheken unverändert erhalten bleiben. Zur Vereinbarung mit DocMorris gehört auch die Überführung von mehr als 80 Mitarbeitern der Marketing- und Service-Teams sowie der allgemeinen Verwaltung in eine neue Gesellschaft mit Sitz in Hamburg.

190 Mitarbeiter mit ungewisser Zukunft

Für großen Schaden könnte die Teilübernahme aber im Logistikzentrum von Apo-Rot sorgen, wo derzeit rund 370 Beschäftigte angestellt sind, schließlich wird das Vertriebszentrum komplett geschlossen. Für die Hälfte dieser Mitarbeiter soll DocMorris laut Apo-Rot das Angebot gemacht haben, in den niederländischen Konzern zu wechseln. Wie viele der Mitarbeiter dieses Angebot annehmen werden und welche Funktionen DocMorris den Apo-Rot-Mitarbeitern angeboten hat, ist völlig unklar. Eine Anfrage zu diesem Thema ließ der EU-Versender schlicht unbeantwortet.

Die etwa 190 Beschäftigten mit unbefristeten Verträgen stehen jedoch vor dem Aus. Apo-Rot Inhaberin Dumke sagte dazu: „Jeder meiner Mitarbeiter liegt mir am Herzen. Für ihre berufliche Zukunft werde ich mich in Zusammenarbeit mit unserem Betriebsrat nach Kräften einsetzen.“ Was sagt aber die Gesundheitspolitik zu dieser Entwicklung? Politisch relevant ist die Transaktion allemal – nicht nur wegen des steigenden Marktanteils der Niederländer, sondern auch wegen der oben beschriebenen Arbeitsplatzverluste, die auch volkswirtschaftlich relevant sind.

Linke: Spahn und SPD sind „willige Helfer“ von DocMorris

Union und SPD äußerten sich auf Nachfrage von DAZ.online nicht zu der Anfrage. Lediglich die Oppositionsfraktionen von FDP, Grünen und Linken antworteten. Für die FDP bezog Chrstine Aschenberg-Dugnus, die gesundheitspolitische Sprecherin der Liberalen, Stellung:

(Foto: Imago)

„Es ist immer bedauerlich, wenn in Deutschland Arbeitsplätze mittelständischer Unternehmen verloren gehen. Allerdings handelt es sich hier um die unternehmerische Entscheidung der Gründerin und Inhaberin von Apo-Rot, Frau Birgit Dumke.

Positiv muss hier aber auch festgestellt werden, dass die vier stationären Apotheken in Hamburg erhalten bleiben. Ebenso wird die bestehende Partnerschaft mit 18 Apotheken in ganz Deutschland fortgeführt. Außerdem sollen mehr als 80 Mitarbeiter des Marketing- und Serviceteams sowie der allgemeinen Verwaltung in eine neue Gesellschaft überführt werden. Geplant sind zudem laut Dumke, gemeinsame strategische Projekte, wie die Entwicklung eines elektronischen Medikationsplanes. Die Mitarbeiter mit unbefristeten Verträgen sollen die Möglichkeit erhalten, in die Logistikzentren in Heerlen oder Bremen zu wechseln. Für diejenigen, die befristete Verträge haben oder nicht wechseln wollen, wird es einen Sozialplan mit Abfindungsregeln geben.

Dieses Beispiel verdeutlicht einmal mehr die Ungleichbehandlung von ausländischem und deutschem Versandhandel, der dringend geändert werden muss, damit auch deutsche Onlineapotheken Preisvorteile auf die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel gewähren dürfen.“

Christine Aschenberg Dugnus (FDP)


(Foto: Imago)

Für die Grünen-Bundestagsfraktion äußerte sich Kordula Schulz-Asche, die in ihrer Fraktion Berichterstatterin für den Arzneimittel- und Apothekenmarkt zuständig ist:


„Die Konzentration von Rendite orientierten Anbietern auf dem Gesundheitsmarkt und die flächendeckende Ausbreitung von Konzernen sehen wir grundsätzlich als kritisch an, denn die Erhaltung und die Wiederherstellung von Gesundheit sowie die Pflege sind wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge.

Die hier beschriebenen Vorgänge sind keine Eigenheit des Arzneimittel-Versandhandels, sondern ein Phänomen, welches in allen Bereichen des Gesundheitswesens und der Wirtschaft seit vielen Jahren auftritt. Im Gesundheitsbereich hat dies zum Beispiel zur Folge, dass in Deutschland, der einstigen ‚Apotheke der Welt‘, kaum noch Arzneimittel und fast gar keine Generika hergestellt werden.  Die Antwort darauf sollten vernünftige Wirtschaftsverträge und eine gute internationale Arbeitsteilung sein.

Der Verlust von qualifizierten Arbeitsplätzen ist sehr bedauerlich; wir erwarten, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seitens DocMorris realisierbare Angebote gemacht oder Entschädigungen gezahlt werden. Für die Gestaltung unseres Gesundheitswesens brauchen wir allerdings wieder mehr politischen Spielraum, vor allem auf regionaler und lokaler Ebene. Vor dem Hintergrund des Ärztemangels, des Apothekensterbens und dem Pflegenotstand müssen wir neue Wege gehen, wenn wir unsere gute Gesundheitsversorgung auch auf Dauer sicherstellen wollen. Wir Grünen schlagen daher Gesundheitsregionen unter Beteiligung der Kommunen vor, um in modernen Strukturen alle Gesundheitsleistungen vor Ort weiter anbieten zu können. Dazu müssen aber alle Akteure bereit sein, über Versorgungsstrukturen zu sprechen, die für den demografischen Wandel angemessen sind.“

Kordula Schulz-Asche (Grüne)


(Foto: Schelbert)

Für die Linksfraktion bezog Apothekerin Sylvia Gabelmann Stellung, die in ihrer Fraktion für alle Apothekenthemen zuständig ist:


„Die Übernahme der Versandapotheke Apo-Rot aus Hamburg durch den niederländischen Versandhändler DocMorris zeigt: Die Situation nach dem EuGH-Urteil führt schnell zu einer Konzentration bei mächtigen Konzernen im Ausland. Bei Apo-Rot wurde das Geschäft mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln nach dem EuGH-Urteil halbiert, bei DocMorris explodiert es dank der Boni-Gewährung.

So werden Patienteninteressen zugunsten obskurer Marktgesetze geopfert. Ich betrachte es als eine Fehlentwicklung, wenn über den Versandhandel der Warencharakter von Medikamenten grundsätzlich gestärkt wird. Gesundheit ist keine Ware!  Auf einen direkten menschlichen Kontakt sollte nicht generell verzichtet werden. Die Gewährung von Boni durch DocMorris ist für die Patientinnen und Patienten ohnehin trügerisch: Über kurz oder lang streichen die Krankenkassen die Boni sowieso selbst ein.

Aber es gibt noch viel mehr Gründe, warum ein Rx-Versandverbot her muss. So haben die gerade eben entdeckten Datenschutzlücken bei vielen Versandapotheken aufgezeigt: Das ist ein Irrweg, der beendet werden muss. Deshalb wird die Linke sich weiterhin für ein Rx-Versandhandelsverbot einsetzen. Durch die Weigerung der SPD und auch von Jens Spahn, schnell ein Rx-Versandverbot auf den Weg zu bringen, machen sie sich zu willigen Helfern wie DocMorris. Vor zwölf Jahren gründete Jens Spahn eine PR-Agentur zusammen mit einem gewissen Max Müller. Dieser war schon 2002/2003 Berater von DocMorris, wechselte später zum Pharmahändler Celesio und dann in den Vorstand von DocMorris.“

Sylvia Gabelmann (Linke)




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Vor 2 Monaten...

von Pharmi am 28.05.2018 um 19:15 Uhr

Mitte März hieß es in einem Artikel von Apotheke-Adhoc noch:

>>Ein Investor war nie an Bord, und ein Verkauf sei derzeit auch nicht geplant. „Ich habe das Unternehmen von null aufgebaut“, sagt Dumke. Allerdings wisse man nie, wohin die Reise gehe. „Ich sehe es als Herausforderung, auch unruhige Zeiten mit guten Konzepten zu bestehen.“<<
(Quelle: Apotheke-adhoc: "Apo-Rot: Erst Baustelle, dann Versandhandel" 07.03.2018)

Da ist die Herausforderung aber schnell über den Kopf gewachsen, oder das Angebot war zu verlockend...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Vor 2 Monaten

von Heiko Barz am 28.05.2018 um 20:16 Uhr

Ich denke Letzteres!
Money makes the world go around, world go around.........

Konzentration ist hier zwingend und keine Überraschung

von Ratatosk am 28.05.2018 um 18:58 Uhr

Dieser Prozess ist bei der derzeitigen politischen Lage zwingend, kann man politisch ( SPD, FDP , Grüne , z.T CDU) zwar wollen, muß dann den Menscher erklären, daß es damit keine flächendeckende Versorgung mehr geben kann, sondern nur ein paar Multimillionäre mehr. Aber OMA kann ja dann mit dem neuen Handy im Einödhof den Versand aktivieren.
Aufgrund dieser Entwicklung und der dann nötigen Benefit - Managerindustrie haben die USA auch diese extrem hohen Arzneimittelpreise, die sie gerade verzweifelt senken wollen.
Liebe FDP Hippster und Grüne , auch bitte mal was anderes als Aspirin® googeln. Lieber mal ordinäres Metformin oder Amoxicilin etc. , dann nochmal versuchen darüber nachzudenken.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Destruktion vieler Politiker beim Versandhandel

von Heiko Barz am 28.05.2018 um 11:59 Uhr

Bei diesem absturzgefärdeten Seiltanz der Frau Aschenberg-Dugnus beim Thema Versandhandel mit Arzneimitteln ist doch klar zu erkennen, dass diese FDPlerin, im Widerspruch zur politischen FDP Linie, das größte Problem des Auslands-RX-Versandhandels in seiner Differenzierung eigentlich nicht versteht.
Sie beklagt, dass Deutsche Versender (solange es sie denn noch trotz DOMO gibt) selbst laut Gesetz keine "Boni" geben dürfen. Es muß doch auch bei der FDP Wirtschaftsprotagonisten geben, denen zugetraut werden kann, ihre eigenen Leute über unterschiedliche Wirtschaftsverhältnisse zB in Holland in der Weise aufzuklären, dass Mehrwertsteuerdifferenzen und klare Wettbewerbsvorteile bezüglich derer Einkaufsmöglichkeiten bei AM keine unbegreiflichen Mysterien sind, sondern klare geldwerte Vorteile darstellen.
Waren da nicht auch Äußerungen führender FDP-Protagonisten, die "gleichlange Spieße" forderten?!
War das nicht sogar Strack-Zimmermann?
Was ich nicht verstehen will, muß ich auch nicht erhalten!
Nun gibt es wieder den Fraktionszwang, bei dem alle "Desinformierten" einfach nach Weisung handeln.
Die destruktive Meinung der Grünen Politikerin ist uns ja lange schon bekannt und muß weiter nicht angegangen werden.
Warum nun ausgerechnet die Linke mit ihrer Apothekerin unsere Fahne hochhält ist zwar erfreulich zu lesen, nur solange man das nicht beweisen muß, dass der Apotheker in seiner "BUDE" unverzichtbar ist, kann man große Worte gelassen aussprechen.
Bittere Erkenntnisse zu einer komplexen Problematik!

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