Nordrhein-Westfalen

Apotheke schließt wegen fehlender Filialleitung

Berlin - 19.05.2018, 09:00 Uhr

Die Adler Apotheke im nordrhein-westfälischen Kierspe schließt Ende Mai. Der Grund: Es wurde kein Filialleiter gefunden. (Foto: privat)

Die Adler Apotheke im nordrhein-westfälischen Kierspe schließt Ende Mai. Der Grund: Es wurde kein Filialleiter gefunden. (Foto: privat)


Die Adler-Apotheke im nordrhein-westfälischen Kierspe öffnet Ende Mai das letzte Mal. Apothekerin Christiane Karge muss ihre Filialapotheke schließen, da sie keinen Apotheker für die Leitung findet. Betroffen von der Schließung sind nicht nur die Kunden der Apotheke, sondern auch ein Team aus teilweise langjährigen Mitarbeitern.Die Zahlen zeigen: Obwohl es immer mehr Pharmazie-Absolventen gibt, leiden die Apotheken zunehmend am Fachkräftemangel.

Nur noch wenige Tage fehlen bis zur endgültigen Schließung der Kiersper Adler-Apotheke. Die seit Jahrzehnten bestehende Filialapotheke von Apothekerin Christiane Karge kann nicht weiter geführt werden, da trotz vielfältigster Bemühungen keine neue Filialleitung gefunden wurde. Christiane Karge bekräftigt im Gespräch mit DAZ.online, dass es nicht wirtschaftliche Gründe seien, die sie zur Aufgabe der alteingesessenen Filialapotheke zwingen würden. Vielmehr seien ihre beiden Standorte wirtschaftlich stabil und würden von den Kunden gut angenommen.

Die Schließung der Apotheke hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen für die Kunden, die sich nun neu orientieren müssen, sondern auch für die Mitarbeiter der Adler-Apotheke. Den meisten PTAs und PKAs sowie einer Reinigungskraft müsse nun gekündigt werden, da zunächst nur zwei Mitarbeiterinnen in der Stammapotheke, der Apotheke am Wildenkuhlen, übernommen werden könnten, erläutert Karge die Personalsituation. Ein wenig Hoffnung – und vielleicht auch eine gehörige Portion Galgenhumor – begleiten den Abschiedsprozess von der Adler-Apotheke. Hoffnung auf ein wenig mehr Zeit für andere Dinge als Apotheke: „So brauche ich nach der Schließung hoffentlich nur noch 45 bis 50 Stunden arbeiten“, macht sich Karge Mut. Bisher seien es mehr als 60 Stunden gewesen – und ergänzt mit Galgenhumor: „Wenigstens brauche ich jetzt keinen Datenschutzbeauftragten mehr einzustellen.“ Zudem bestünde die Hoffnung, dass möglichst viele Kunden zur nahegelegenen Hauptapotheke wechseln werden.

Filiale suchte neue Leitung – vergeblich

Christiane Karge schildert gegenüber DAZ.online ausführlich die erfolglose Suche nach einer neuen Filialleitung. Die Adler-Apotheke sei bisher von einer jungen Apothekerin geleitet worden, die die Chance zur Selbstständigkeit ergriffen und eine andere Apotheke in Kierspe übernommen habe. Ihre ehemalige Filialleiterin führe  jetzt zwar eine der Konkurrenz-Apotheken, aber sie verstehe die Entscheidung ihrer Kollegin, versichert Karge. Um den Weggang der Approbierten zu kompensieren, hat Christiane Karge nach eigenen Angaben nichts unversucht gelassen. Anzeigen in verschiedensten Medien wären geschaltet, Aushänge an Unis platziert und das Arbeitsamt angefragt worden – alles vergeblich. Ernüchtert berichtet die Kiersper Apothekerin, dass sich kein einziger Apotheker auf diese Anfragen hin beworben habe. „Und ohne Filialleiter keine Apotheke“, fasst sie die Situation zusammen.

Vorübergehend habe eine Apothekerin aus Königswinter ausgeholfen, die die Leitung aber aufgrund des weiten Fahrtweges nicht langfristig habe übernehmen können. Und das „Pech“ sei damit noch nicht beendet gewesen. So sei zum Beispiel ein syrischer Apotheker, der sein Praktikum in der Adler-Apotheke gemacht habe, bereit gewesen, die Leitung zu übernehmen. Leider habe er aber die Kenntnisprüfung zunächst nicht bestanden und könne erst im Herbst einen erneuten Anlauf nehmen. Leider sei es nicht möglich, diese Zeit personell zu überbrücken und deshalb sei die Schließung der einzige Weg gewesen, erläutert Karge.

Karriere in öffentlicher Apotheke?

Viele Apothekenleiter kennen die Problematik der Personalknappheit. Besonders prekär ist die Situation zudem für Apotheken im ländlichen Raum. An der Anzahl der Studierenden im Fach Pharmazie kann es nicht liegen, denn diese ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Im Jahr 2002/2003 waren 12.984 Pharmaziestudierende immatrikuliert – im Jahre 2015/2016 schon 15.548.

Trotz der positiven Tendenz der Pharmaziestudierenden bleibt laut Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit vom Dezember 2017 der Apothekerberuf weiterhin ein „Engpassberuf“. Der Mangel an Apothekern führt dazu, dass statistisch gesehen eine ausgeschriebene Stelle im Durchschnitt 143 Tage unbesetzt bleibt. Dies bedeutet, dass Apothekenleiter 40 Prozent länger warten müssen gegenüber dem Durchschnitt der Berufe, um eine Stelle mit einem Apotheker zu besetzen. In die Analyse wurden gleitende Daten vom November 2016 bis zum Oktober 2017 herangezogen. 

Die lange Vakanzzeit offener Stellen für Apotheker in öffentlichen Apotheken ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass immer mehr Apotheker eine Beschäftigung außerhalb von öffentlichen Apotheken suchen. Die Zahlen verdeutlichen den Trend: Von 2014 bis 2016 kam es in öffentlichen Apotheken zu einem Anstieg der beschäftigten Apotheker um 0,6 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg jedoch die Zahl der Apotheker in Industrie, Verwaltung und Wissenschaft um immerhin 5,5 Prozent.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

OHG-Apotheker darf auch Filialleiter sein

Das wünschen sich Filialleiter von Adexa

Ein eigener Tarif?

Topsharing – ein Modell für die Filialleitung der Zukunft?

Vier Schultern für einen Job

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.