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Filialapotheke

Vier Schultern für einen Job

Topsharing – ein Modell für die Filialleitung der Zukunft?

Die Personalsituation in den Apotheken ist seit Jahren angespannt, und bei den Arbeitnehmern wächst der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie stetig. Um ihre Attraktivität zu steigern, bieten immer mehr Firmen ihren Mitarbeitern die Option auf Jobsharing – in Führungspositionen als Topsharing bezeichnet. Kann das flexible Arbeitszeit­modell auch für Filialleitungen funktionieren? | Von Martina Schiffter-Weinle

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Approbierte in öffentlichen Apotheken nicht immer einfach, aber dank individueller Teilzeitmodelle durchaus möglich. Für Filialleitungen sieht die Situation jedoch häufig anders aus: In einer Resolution der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) im Jahr 2011 wurde festgelegt, dass die Anstellung einer Filialleitung in Vollzeit (mindestens 38 Stunden pro Woche) erfolgen muss (siehe Kasten „Stundenzahl Filialleiter“). Tatsächlich bestehen einige Aufsichtsbehörden (z. B. in Bayern und Baden-Württemberg) in den meisten Fällen auf der Tätigkeit in Vollzeit. Es gibt aber auch Filialleitungen in anderen Regionen (z. B. in Westfalen-Lippe), die mit weniger als 30 Stunden als Filialleitung arbeiten dürfen. Im Rheinisch-Bergischen Kreis (Kammerbezirk Nordrhein) lautet die Vorgabe, dass die wöchentliche Arbeitszeit der Filialapothekenleitung mindestens die Hälfte der wöchentlichen Öffnungszeit der Apotheke betragen muss, mindestens jedoch 20 Wochenstunden.

Stundenzahl Filialleiter

Resolution 1 der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) aus dem Jahr 2011:

Nach § 7 ApoG hat der Apothekenleiter die Apotheke persönlich und in eigener Verantwortung zu leiten. Eine verantwortliche Leitung der Apotheke bedeutet nicht nur Lenkung, sondern persönliche Beaufsichtigung des Betriebes und des pharmazeutischen und nichtpharmazeutischen Personals. Eine persönliche Beaufsichtigung erfordert eine körperliche Anwesenheit des Apothekenleiters, um jederzeit in die Betriebsvorgänge (z. B. ein Beratungsgespräch oder die Beurteilung einer Rezeptur) eingreifen zu können.

Auch der nach § 2 Abs. 5 ApoG verantwortlich benannte Leiter einer Filialapotheke ist Apothekenleiter nach § 2 Abs. 1 ApBetrO. Daher ist nach Auffassung der APD die Anstellung des nach § 2 Abs. 5 ApoG verantwortlich benannten Leiters einer Filiale in Vollzeit, das bedeutet mindestens 38 Stunden/Woche, erforderlich. Dies ist durch einen entsprechenden Arbeitsvertrag nachzuweisen.

Option Teilzeitarbeit

Nachvollziehbar ist die Forderung nach Führung in Vollzeit durchaus, schließlich ist das Arbeitspensum einer Filialleitung üppig bemessen, und den Überblick zu behalten, fällt leichter, wenn man den größten Teil der Öffnungszeiten in der Apotheke anwesend ist. Zeitgemäß ist sie in einer frauendominierten Branche, vor allem in Anbetracht des ausgeprägten Fachkräftemangels, jedoch nicht. Und auch männliche Apotheker achten zunehmend auf eine gute Vereinbarkeit von privater Lebensplanung und Erwerbstätigkeit. Die Führung in Teilzeit kann funktionieren, wenn ­organisatorische Abläufe und Regeln eindeutig definiert sind und vor allem das Apothekenteam mitspielt, es gute Kommunikationsstrukturen gibt und eine enge Zusammenarbeit mit dem Approbierten, der in der Abwesenheit der Filialleitung die Apotheke beaufsichtigt, erfolgt. Häufig übernimmt der komplementäre Apotheker dann jedoch in der Praxis auch Aufgaben und trifft Entscheidungen, die über seine „normale“ Tätigkeit als angestellter Apotheker hinausgehen. Auch auf das weitere pharmazeutische Personal, das Vollzeit in der Apotheke anwesend ist, wird häufig zusätzliche Arbeit übertragen, was im Team zu Unmut führen kann. Abhängig ist das Gelingen natürlich auch von der wöchentlichen Öffnungszeit der Apotheke. Mit 30 Stunden Arbeitszeit deckt man in einer Filiale, die lediglich 36 Stunden in der Woche geöffnet ist, immerhin 83 Prozent der ­Öffnungszeiten ab.

Vollzeittätigkeit schreckt ab

Obwohl eine leitende Funktion für einige Apothekerinnen und Apotheker attraktiv ist, scheuen viele den Schritt in die Filialleitung, weil sie die geforderte Stundenzahl aus den unterschiedlichsten Gründen nicht leisten können oder wollen. Folglich sind viele Inhaber und Inhaberinnen verzweifelt auf der Suche nach einer Filialleitung, wissend, dass diese Voraussetzung und Bestandteil der Betriebserlaubnis ist und die Filiale letztendlich geschlossen werden muss, wenn kein Filialleiter benannt werden kann.

Jobsharing in Führungspositionen

Wie könnte eine praktikable Lösung aussehen? Möglicherweise ist das Modell Topsharing, bei dem sich zwei Personen eine Führungsposition teilen, das Führungsmodell der Zukunft. Der Begriff wurde 1998 durch Julia Kuark und ihren Kollegen Hans Ulrich Locher geprägt. Die gesetzlichen Regelungen zu dieser speziellen Form der Arbeitsplatzteilung finden sich in § 13 des Teilzeitbefristungsgesetzes (TzBfG). Topsharing ist Jobsharing auf Managementebene – die Jobsharingpartner teilen dabei nicht nur den Job, sondern übernehmen gemeinsam die Verantwortung für die Filiale und ihre Mitarbeiter. Das Konzept ist für Apotheken nicht neu: Gesellschafter einer Apotheken-OHG profitieren genau von diesem Teilzeitmodell. Für Filialleitungen besteht die Option nicht. Dabei gibt es einige Vorteile, auch für den Inhaber.

Apothekerin Sarah Wimber über ihre Erfahrung als Filialleitung in Teilzeit:

„Aufgrund von Familienplanungen von zwei Familien habe ich in den letzten sechs Jahren quasi alle möglichen Szenarien miterlebt: als Angestellte unter einer Filialleitung in Vollzeit, in Teilzeit und selbst als Filialleitung in verschiedensten Stundenmodellen von 25 bis 40 Stunden. Meine Erfahrung zeigt, dass mit dem Team hinter der Filialleitung alles steht und fällt. Niemand kann ‚Apotheke‘ alleine, und oft braucht es auch Ideen und Erfahrungsaustausch. Außerdem gibt es in einem guten Team immer verschiedene Interessen und Schwerpunkte, sodass nicht einer der Experte für alles sein muss. Ich sehe unser Modell also eher als geteilte Filialleitung, was auf dem Papier natürlich nicht möglich ist und in unserem Fall zu einigem Hin und Her und Arbeit für die Aufsichtsbehörde geführt hat, damit immer jemand mit mehr als 30 Stunden auf der Urkunde steht. Meiner Erfahrung nach sollte eine Filialleitung möglichst jeden Tag einmal reinschauen, damit aktuelle Anliegen geklärt werden können. Sollte im Team gearbeitet werden, ist ein wöchentlicher Austausch sinnvoll. Um diese Dinge zeitlich abzudecken, reichen 15 bis 25 Stunden aus. Als „Einzelkämpfer“ kommt man mit dieser Stundenzahl aber nicht hin. Um einen Überblick über seine Verantwortlichkeiten zu haben, sind meiner Meinung nach deutlich mehr als 30 Stunden pro Woche notwendig. In unserem Team hat es sich als gute Faustformel gezeigt, wenn wir zusammen etwa auf 40 bis 50 Stunden in der Woche gekommen sind. Aber so verschieden die Apotheken selbst sind, so unterschiedlich sind deren Teams, und so individuell kann meiner Meinung nach auch die Filialleitung sein. Sie kann nicht immer nur an einer Stundenzahl bemessen werden.“

Mehr Lebensqualität und Motivation

Die Vorteile für die Jobsharer liegen auf der Hand: Sie können die Arbeitszeiten flexibel miteinander abstimmen, entweder stunden- oder tageweise, und haben so mehr Zeit für Familie, Hobbys und Weiterbildung – ohne auf eine Führungsposition verzichten zu müssen. Wird das Bedürfnis nach einer guten Work-Life-Balance gestillt, steigt die Motivation. Auch der Austausch mit dem Jobsharing-Partner über wichtige Entscheidungen oder Probleme und die gemeinsame Suche nach Lösungen ist bereichernd, denn jeder kann seine persönlichen Fähigkeiten und Ideen einbringen. Es bestünde zudem die Möglichkeit, die Filialleitungsposition nach Kompetenzen aufzuteilen und z. B. einen Filialleiter für das Personalmanagement, den anderen für die Arbeitszeitplanung oder das Apothekencontrolling verantwortlich zu machen.

Weniger Stress bei Ausfällen

Neben der erhöhten Arbeitsmotivation und -produktivität seiner Führungskräfte würde auch der Inhaber beim Jobsharing zweier Filialleitungen von der größeren Flexibilität des Modells profitieren. So könnten Urlaubszeiten, Krankheitsausfälle oder längere Auszeiten beziehungsweise Stundenkürzungen eines Filialleiters durch den anderen aufgefangen werden. Zudem könnten zwei Filialleitungen im Vergleich zu einer Person oft die gesamten Öffnungszeiten der Apotheke abdecken, so dass immer ein Verantwortlicher als Ansprechpartner vor Ort ist. Qualifizierte Mitarbeiter zu finden, ist für die Apotheken, vor allem in ländlichen Bereichen, ein großes Problem. Topsharing steigert die Attraktivität als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt. Und sollte eine der beiden Filialleitungen kündigen, könnte die andere die Einarbeitung des neuen Jobsharing-Partners übernehmen. Zwar würden für den Inhaber höhere Kosten, z. B. durch Sozialabgaben und überschneidende Arbeitszeiten, entstehen, mittel- und langfristig dürften die Entwicklungsvorteile der ­Filiale durch Jobsharing jedoch überwiegen.

Umfrage: Geht Filialleitung in Teilzeit?

Wäre Jobsharing für die Filialleitung einer Apotheke ein gangbares Modell? Und geht Filialleitung in Teilzeit? Ihre Meinung ist gefragt. Nehmen Sie an unserer Umfrage auf DAZ.online teil! Geben Sie dazu auf www.deutsche-apotheker-zeitung.de ins Suchfeld den Webcode Q5KG9 ein.

Auch ADEXA-Juristin Minou Hansen sieht im Modell Topsharing eine Möglichkeit, den Fachkräftemangel in den Apotheken abzumildern. „Die wöchentliche Arbeitszeit einer einzelnen Filialleitung sollte 30 Stunden, orientiert an den Öffnungszeiten der Apotheke, nicht unterschreiten, schließlich trägt sie die volle Verantwortung für die Filiale. Die Idee ist nicht, ein geringeres monatliches Gehalt zu bekommen und die tatsächlich anfallenden Aufgaben dann durch Überstunden auszugleichen. Wenn sich zwei Approbierte die ­Filialleiterstelle teilen, wäre die meiste Zeit ein Verantwortlicher vor Ort. Allerdings müssen für eine solche Option erst die rechtlichen Bedingungen festgelegt und insbesondere sehr gute Absprachen zwischen den beiden Filialleitungen und der Apothekenleitung getroffen werden.“

Voraussetzungen für ein erfolgreiches Jobsharing

Natürlich sind mit dem Modell Topsharing auch Heraus­forderungen verbunden. Die Zusammenarbeit der Sharing-Partner kann nur gelingen, wenn die Chemie zwischen ihnen stimmt. Sie müssen die gleichen Wertevorstellungen sowie ein ähnliches Führungsverständnis haben, ehrlich zueinander sein und sich gegenseitig vertrauen können. Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Toleranz, Wertschätzung und Respekt füreinander ist entscheidend. Ein solches Tandem ist nicht immer leicht zusammenzustellen. Auch organisatorisch und rechtlich müssten einige Rahmenbedingungen festgelegt werden: Können die Aufgaben so auf die Filialleitungen verteilt werden, dass jeder für einen bestimmten Teilbereich zur Verantwortung gezogen werden kann? Oder teilen sich die Führungskräfte die Gesamtaufgaben abhängig vom Umfang ihrer Arbeitszeiten auf? Praktikabel ist wahrscheinlich eine Mischform, bei der jeder die Verantwortung für einen eigenen, genau definierten Teilbereich (z. B. Personalplanung, Einkauf) übernimmt und andere, ebenfalls explizit definierte Teile gemeinschaftlich verantwortet werden. Die Aufgabenverteilung sollte in jedem Fall schriftlich fixiert und auch an das Team kommuniziert werden. Eventuelle Prämienzahlungen für die Filialleitungen könnten an einer solchen Aufteilung orientiert sein.

Die Rolle des Teams ist bei dem Model Topsharing übrigens ebenfalls ausschlaggebend für den Erfolg: Arbeitsabläufe müssen angepasst und optimiert werden, und der Kommunikations- und Abstimmungsbedarf im gesamten Arbeitsumfeld steigt, was zusätzliche Zeit kostet. Gerade die Anfangszeit der gemeinsamen Führung sollte möglicherweise von einem Coach begleitet werden.

Fazit

Um dem Fachkräftemangel in der Apothekenbranche entgegenzuwirken, braucht es flexible Arbeitszeitmodelle – auch für Filialleitungen. Jobsharing wäre eine Alternative zur konventionellen Teilzeitarbeit, die ein Umdenken und eine gute Organisation erfordert, von der jedoch sowohl die Filialleitungen als auch die Inhaber profitieren könnten. |

Autorin

Martina Schiffter-Weinle studierte Pharmazie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Nach der Approbation arbeitete sie von 2006 bis 2012 als Apothekerin in Oxford, Großbritannien. Seitdem ist sie beim Deutschen Apotheker Verlag tätig, unter anderem als Redakteurin bei der Deutschen Apotheker Zeitung und PTAheute sowie als Chefredakteurin der Zeitschrift „Eins & Drei – Das Filialapotheken-Magazin“.

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