Prozess gegen Bottroper Apotheker 

„Blutgeld“ und fruchtlose Anzeigen im Zyto-Skandal

Essen - 09.05.2018, 17:55 Uhr

Am heutigen Freitag stand vor dem Landgericht  Essen der Ex-Mann einer PTA des Bottroper Zyto-Apothekers aus. (Foto. hfd)

Am heutigen Freitag stand vor dem Landgericht  Essen der Ex-Mann einer PTA des Bottroper Zyto-Apothekers aus. (Foto. hfd)


Keine frühere Anzeige, um seine Frau zu schützen 

Dabei hätte sich die Anzeige gegen die Apotheker und nicht gegen seine Frau gerichtet, sagt der Zeuge. Dem Finanzamt habe er von unversteuerten Zahlungen für Überstunden und bar ausgezahltem Urlaubs- und Weihnachtsgeld berichtet, wie auch über unzulässig abgerechnetes Kilometergeld, um nicht eine gemeinsame Steuererklärung unterschreiben zu müssen. Dabei verschwieg U. jedoch womöglich weitere Zahlungen, über die er nun vor Gericht berichtete. Doch die Finanzämter hätten nicht durchgegriffen – ein Finanzbeamter habe die Probleme als „Rezeptbetrug“ abgetan. Der Zeuge spricht von einem insgesamt zweistelligen Millionenbetrag, den der Apotheker nach seinen Abschätzungen über Jahre seinen Mitarbeitern schwarz ausbezahlt haben könnte. U. machte jedoch teils auch widersprüchliche Angaben – so bei Fragen zur Höhe der Zahlungen an seine Frau oder zur Frage, ob er mit einem Ermittlungsbeamten nur schriftlich oder auch telefonisch kommuniziert hat. 

Nachdem er sich zur Anzeige durchgerungen hatte, versuchten zwei Polizeibeamte ihn hiervon abzubringen, berichtet U.: Zu Anfang einer insgesamt zweistündigen Vernehmung hätten sie ihn eine halbe Stunde lang darüber informiert, was alles auf ihn zukommen könnte – Haftverlängerung inklusive. Er habe sich unter Druck gesetzt gefühlt, keine Aussage zu machen. Auch da sich ein Beamter als Freund des Apothekers bezeichnet habe, mit dem er zusammen im Schützenverein sei – die Vorwürfe könnten „ja gar nicht sein“, habe der Beamte gesagt. Doch der Druck sei ihm egal gewesen. „Ich hatte keine Angst mehr vorm Gefängnis“, sagt U. 

Warum er nicht früher den Vorwurf von Unterdosierungen zur Anzeige gebracht habe, begründete der Zeuge auch damit, dass er seine Frau habe schützen wollen. „Das tut mir so leid, dass ich das nicht eher gemacht habe“, sagt Ralf U. unter Tränen in Richtung anwesender Nebenkläger. Die Ermittlungen wurden jedoch nicht lange nach seiner Vernehmung im Jahr 2013 eingestellt – offenbar unter anderem, da seine frühere Frau die Vorwürfe bestritt. Die Verteidigung stellte dem Zeugen am Mittwoch keine Fragen. Sie behielt sich aber vor, später eine Stellungnahme zu der Zeugenaussage abzugeben. In der kommenden Woche sollen neben Gutachtern zu Wirkstoffanalysen von Zytostatika auch Bekannte des Zyto-Apothekers gehört werden. Ein Psychiater soll sie befragen, um ein Gutachten zu möglichen psychischen Beeinträchtigungen von Peter S. zu erstellen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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