Skandal um mögliche Unterdosierungen

Gericht verhandelt weiter über Hirnverletzung des Zyto-Apothekers

Essen - 14.03.2018, 09:00 Uhr

Litt Peter S. an einem „hirnorganischen Psychosyndrom“? (Foto: hfd / DAZ.online)

Litt Peter S. an einem „hirnorganischen Psychosyndrom“? (Foto: hfd / DAZ.online)


Ein gut zehn Jahre zurückliegender Unfall beschäftigt das Landgericht Essen im Verfahren gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. weiter: Die Verteidiger des Apothekers haben vorgebracht, er habe seitdem psychische Probleme gehabt – und sprachen von möglichen „unbewussten Fehlhandlungen“. Ein hierzu vorgelegtes Gutachten reicht dem Gericht jedoch nicht aus: Ein forensischer Psychiater soll sich nun mit den Fragen beschäftigen.

Nachdem die Verteidigung des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S. schon lange die von der Staatsanwaltschaft festgestellten Differenzen im Ein- und Verkauf von Zytostatika bestritten hatte, betont sie seit einigen Wochen, dass der Angeklagte seit einem Unfall 2008 psychische Einschränkungen hatte. Laut Krankenunterlagen von damals soll S. an einem „hirnorganischen Psychosyndrom“ gelitten haben, wie laut Recherchebüro „Correctiv“ ein Gutachter im Auftrag der Verteidigung festgehalten hat.

Der Sachverständige von der Ruhr-Universität Bochum hatte den Angeklagten im Dezember und Januar zweimal in der Untersuchungshaft aufgesucht und ein vorläufiges Gutachten erstellt. „Es endet da, wo es interessant wird“, erklärte der Vorsitzende Richter Johannes Hidding in der Verhandlung am heutigen Dienstag – es beschreibe den Lebenslauf eines „typischen Akademikers“. „Interessant wird es erst da, wo berichtet wird, wie die alltägliche Arbeit läuft und Medikamente hergestellt werden“, sagte Hidding in dem Bericht. Doch Angaben hierzu fehlen offenbar bislang im Gutachten.

Der Richter fragte die Verteidiger, ob der Angeklagte – der selber bislang zu den Unterdosierungs- und Betrugs-Vorwürfen der Anklage schweigt – gegenüber einem vom Gericht bestellten Gutachter Aussagen zu seinem Gesundheitszustand machen würde. Das Gericht will offenbar noch diese Woche einen forensischen Psychiater gleichfalls von der Ruhr-Universität Bochum kontaktieren, um ein Sachverständigengutachten hierzu einzuholen. Außerdem entschied Hidding, dass alle Nebenkläger Kopien des bisherigen Gutachtens zur möglichen Erkrankung des Angeklagten bekommen – geschwärzt allerdings um Informationen zum Gesundheitszustand seiner Eltern.

Stadt wusste bislang nichts von Hirnschädigungen

Laut Nebenklagevertretern haben die Verteidiger mit den Diskussionen um den psychischen Gesundheitszustand von S. ihrem Mandanten keinen Gefallen getan – sondern womöglich die „Büchse der Pandora“ geöffnet, wie ein Anwalt laut „Correctiv“ erklärte. Ein Kollege brachte ins Spiel, die Hirnschädigung bei der Bundeswehr zu melden – da S. den Rang eines Hauptmanns bei der Bundeswehr habe, so dass womöglich Konsequenzen drohen.

Unklar ist auch, wie S. jahrelang eine Apotheke mit vielen Dutzend Mitarbeitern zuverlässig geführt haben soll, wenn er gleichzeitig nicht Herr seiner Sinne war. „Das ist uns überhaupt nicht bekanntgewesen“, erklärte ein Sprecher der Stadt Bottrop gegenüber DAZ.online zu den von der Verteidigung vorgebrachten Folgen der Hirnschädigung. „Das ist uns neu“, sagte er. Von der Amtsapothekerin habe es an der Tätigkeit und Zuverlässigkeit des Apothekers keine Beanstandungen gegeben, die wenigen festgestellten Mängel seien in den vergangenen Jahren schnell behoben worden.

Zu einer möglichen Überprüfung der Betriebserlaubnis der Mutter des Angeklagten, die die Apotheke inzwischen wieder betreibt, wollte er keine Stellung nehmen. Laut einem „Correctiv“-Bericht sollen frühere Mitarbeiter von S. von der Stadt angeschrieben worden sein, um zu erfahren, ob es Bereiche in der Apotheke gab, für die die Mutter „federführend zuständig war“. „Das ist ein laufendes Verwaltungsverfahren“, sagte der Sprecher auf Nachfrage. „Wir sind – wenn überhaupt – am Anfang“, betonte er.

Verteidigung will weitere Zeugen hören

Wenn es nach den Verteidigern geht sollen zwei Onkologen, mit denen S. zusammengearbeitet hat, vor Gericht bezeugen, dass es nach der Inhaftierung des Angeklagten und dem Wechsel der Zyto-Apotheke keine Veränderungen in Farbe und Konsistenz der Krebsmittel gegeben habe. Außerdem soll der Mitarbeiter der Rechtsabteilung von Hexal vernommen werden, beantragte die Verteidigung: Sie legte nahe, dass ein Mitarbeiter seine Aussage nach Beratung durch Hexal-Anwälte vor Gericht einstudiert habe. Der Mitarbeiter – wie auch die Pharmafirma – haben bestritten, dass Vorwürfe der Verteidiger zutreffen, S. habe schwarz aus dem Kofferraum Zytostatika von dem Pharmareferenten eingekauft. So versuchte die Verteidigung, einen Teil der in der von der Staatsanwaltschaft festgestellten Einkaufs-Verkaufs-Differenz der Wirkstoffe zu erklären.

Die eigentlich für die vergangene Woche geplante Anhörung von Sachverständigen zu Wirkstoff-Analysen in festgestellten Zytostatika wurde krankheitsbedingt auf den 22. März verschoben. Dann sollen zwei Sachverständige des Paul-Ehrlich-Instituts und des Landeszentrums Gesundheit NRW auf zwei Gutachter der Verteidigung treffen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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