Skandal um Unterdosierungen

Verteidigung befragt Bottroper Zyto-PTA

Essen - 11.12.2017, 13:30 Uhr

(Foto: hfd)

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Nachdem die Bottroper Whistleblowerin bereits vergangene Woche im Gerichtsprozess gegen ihren ehemaligen Chef ausgesagt hatte, wurde sie am heutigen Montag von der Verteidigung des Apothekers befragt. Sie sagte aus, dass Dokumentationen erst im Nachhinein erstellt wurden. Außerdem hat nach Angabe der PTA immer genug Wirkstoff bereitgestanden.

Nachdem die Bottroper PTA Maria Klein in der vergangenen Woche vor dem Landgericht Essen ihren ehemaligen Chef Peter S. bereits schwer beschuldigt hatte, war sie am heutigen Montag zur Befragung durch die Verteidiger des Apothekers geladen. Klein hatte nicht nur ausgesagt, dass es im Bottroper Zyto-Labor weniger hochwertige Schutzkleidung gab oder Handschuhe nicht regelmäßig gewechselt wurden – sondern auch, dass Rückläufer umetikettiert wurden und ihr Ex-Chef unter Missachtung des Vieraugenprinzips allein im Reinraumlabor gearbeitet habe.

„Er hat immer allein gearbeitet“, bestätigte Klein am Montag ihre frühere Aussage. Sie selber hätte höchst selten mal zur Herstellung von Augen-Arzneimitteln alleine im Labor gearbeitet. Schwarzmarkteinkäufe seien ihr nicht bekannt gewesen. „Diesen Begriff habe ich zum ersten Mal bei der Polizei gehört“, sagte Klein, die sich derartige Warenbeschaffungen nicht vorstellen kann.

Die Frage, ob sie mal gesehen hätte, dass S. Zytostatika unterdosiert habe, verneinte Klein – wobei sie ja nach eigener Aussage nie mit ihrem Chef zusammen Krebsmittel hergestellt hat. Sie habe auch nichts von Anweisungen gewusst, dass Mitarbeiter Zytostatika unterdosieren sollen. Auf eine Frage des Vorsitzenden Richters Johannes Hidding erklärte die PTA, das Labor sei „sehr großzügig ausgestattet“ gewesen – die nötigen Wirkstoffe seien immer vorhanden gewesen, wenn sie diese benötigt habe.

„Das ist dann blindes Vertrauen“

Anfangs habe auch sie manchmal Antikörpertherapien hergestellt, erklärte Klein vor dem Landgericht. Abgesehen von kurzen Abwesenheitszeiten habe aber praktisch immer ihr ehemaliger Chef Peter S. die hochpreisigen Arzneimittel hergestellt. Klein berichtete von erheblichen Problemen bei der Dokumentierung: Diese sei regelmäßig erst im Nachhinein erfolgt – und auch von Mitarbeitern, die nicht selber die Herstellung übernommen haben. „Das ist dann blindes Vertrauen“, erklärte die PTA. Sie hatte bereits letzte Woche gesagt, dass der Abteilungsleiter des Zyto-Labors für den Chef dokumentiert habe. 

Außerdem seien fehlende Dokumente vor der Abnahme eines neu gebauten Zyto-Labors durch die Amtsapothekerin nachproduziert worden. „Es war deutlich, dass auch Herstellungsprotokolle fehlten – die sind dann hergestellt worden“, erklärte Klein. Sie sprach von „Unmengen Papier“, welches nicht abgeheftet worden, sondern in blauen Noweda-Wannen gelagert worden sei.

Erhielt die PTA Geld von Journalisten?

Die Verteidiger hofften durch ihre Fragen offenbar auch, dass Klein Aussagen macht, die ihre Glaubwürdigkeit unterminieren. So fragten sie sie, ob sie im Zusammenhang mit dem Skandal Zahlungen erhalten habe – beispielsweise von Medien für Interviews. Klein verneinte dies und verwies nur auf das Preisgeld, das sie im Zusammenhang mit einem Whistleblower-Preis erhalten hat. Durch eine Crowdfunding-Aktion über gut 10.000 Euro, die das Recherchebüro Correctiv zur Finanzierung von juristischem Beistand für den ehemaligen kaufmännischen Leiter Martin Porwoll und sie initiiert hatte, habe sie keine Mittel erhalten, sagte Klein aus.  

Die Verteidigung des Apothekers fragte die PTA außerdem, wie es zur Sicherstellung des Infusionsbeutels kam, den Klein der Polizei übergeben hatte – in welchem sich offenbar weder eine Einstichstelle noch Wirkstoff befanden. „Wir brauchen noch Beweise“, hat Klein zufolge ein Kriminalbeamter gesagt. "Sei dies der Impuls gewesen, den Rückläufer-Beutel mitzunehmen?", fragte ein Verteidiger. Nein, erklärte Klein – sie habe den Beutel nur mitnehmen wollen, um ihn der Polizei zu zeigen – und sei überrascht gewesen, dass diese ihn einbehalten hat. Ein Vorbereitungsgespräch mit Porwoll zu den Zeugenaussagen habe es nicht gegeben, erklärte die PTA.

„Das ist der Judas-Lohn“

Von einem Nebenklagevertreter wurde erneut die arbeitsgerichtliche Verhandlung thematisiert, zu der es nach einer fristlosen Kündigung Kleins ohne Gründe zu einem Vergleich kam. Der Anwalt fragte, ob es zutreffend ist, dass einer der Verteidiger damals gesagt hat: „Das ist der Judas-Lohn“. Nach Beratung mit ihrem Anwalt erklärte Klein, sie könne sich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern – ein Wort wie „Judas“ sei aber gefallen. Während einer kurzen Verhandlungspause unterhielt sich ihr ehemaliger Chef Peter S. angeregt mit seinen Anwälten – er wirkte dabei relativ entspannt.

Von einem anderen Nebenklagevertreter wurde Klein erneut auf eine Situation angesprochen, die sie bei ihrer ersten Vernehmung geschildert hatte: S. habe auf Nachfrage von Mitarbeitern mit einem Infusionsbeutel in der Hand gesagt, dass eine seiner Krebspatientinnen – mit der er befreundet gewesen sein soll – es „diesmal“ nicht schaffen werde. Unklar blieb, wie seine Bemerkung zu verstehen war, die Patientin habe sich die Therapie nicht leisten können. Der Nebenklagevertreter erklärte, die Patientin sei inzwischen in einem positiven Zustand. „Sie haben mir große Freude gemacht“, erklärte Klein daraufhin.

Am Donnerstag sind sechs frühere Kollegen Kleins geladen. Fünf von ihnen haben nach Aussage des Vorsitzenden Richters bislang jedoch jegliche Aussage verweigert, sodass der letzte Verhandlungstermin vor Weihnachten voraussichtlich nicht lange dauern wird.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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