Bottroper Skandal

Amtsapothekerin: Zyto-Apotheke wurde jahrelang nicht kontrolliert

Essen - 01.02.2018, 07:00 Uhr

Der angeklagte Apotheker Peter S. lässt sich von vier Strafverteidigern vertreten, er selber schweigt bislang. (Foto: hfd / DAZ.online)

Der angeklagte Apotheker Peter S. lässt sich von vier Strafverteidigern vertreten, er selber schweigt bislang. (Foto: hfd / DAZ.online)


Im Prozess um den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. sagte am gestrigen Mittwoch die zuständige Amtsapothekerin aus. „Rückblickend“ sei festgestellt worden, dass die Polizei einen Vermerk zu einem früheren Ermittlungsverfahren auch wegen unterdosierter Mittel geschickt hatte, erklärte die Apothekerin. Die Amtsapothekerin erklärte zudem, von 2012 bis 2015 keine Inspektionen in Apotheken durchgeführt zu haben und begründete dies mit der Änderung der Apothekenbetriebsordnung. 

Die Vernehmung der Amtsapothekerin Hanneline L. vor dem Landgericht Essen war von vielen Prozessbeobachtern mit Spannung erwartet worden: L. war in den vergangenen Jahren für die Überwachung der Bottroper Zyto-Apotheke zuständig, in der der Apotheker Peter S. laut Anklage in vielen Fällen Krebsmittel unterdosiert, diese unter unhygienischen Bedingungen hergestellt und gegen Dokumentationsvorschriften verstoßen haben soll.

Doch zu Beginn des Verhandlungstages gab es eine Überraschung: Ein als Zeugenbeistand auftretender Anwalt erklärte vor Gericht, der Amtsapothekerin stehe ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zu, da sie sich durch ungünstige Antworten selber belasten könne. Der Anwalt stützte dies auf Auskunftsersuchen eines Nebenklagevertreters an den Kreis Bottrop, in dem dieser Informationen zu Kontrollen, der Rolle von L. sowie Zuwendungen des Angeklagten an sie angefordert hatte – und mögliche Amtspflichtverletzungen und Schadensersatzansprüche erwähnte.

„Ich finde das eine Frechheit, was der Anwalt hier macht“, erklärte der Nebenklagevertreter Markus Goldbach vor Gericht. Als Aufsichtsperson sei sie ja „gerade für die Einhaltung des Rechts zuständig“, erklärte er – daher bestände höchstens bei einzelnen Fragen ein Auskunftsverweigerungsrecht, doch könne es kein generelles Zeugnisverweigerungsrecht geben. „Das kann natürlich auch nicht sein“, stimmte ihm ein Kollege bei – und während die Verteidigung hier widersprach entschied der Vorsitzende Richter Johannes Hidding, dass L. aussagen müsse. Im Moment gebe es nach Aktenlage „gar keine Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt etwas schiefgelaufen ist“, sagte Hidding.

Viel Kontakt mit dem Zyto-Apotheker

Die Apothekerin erklärte daraufhin zunächst, welches Gesetz für welchen Bereich der Apothekenüberwachung zuständig ist – und wie ihre Arbeit aussieht. Sie sei mit einer Kollegin, drei PTAs und drei Verwaltungsmitarbeitern für die Aufsicht von gut 250 Apotheken in Recklinghausen, Bottrop und Gelsenkirchen zuständig, erklärte L., wobei mehrere Mitarbeiter nur Teilzeit arbeiten würden. Früher habe es in den drei Städten fünf Zyto-Apotheken gegeben – nach der Schließung des Reinraumlabors von Peter S. sind es noch vier.

Mit S. habe sie viel Kontakt gehabt, erklärte die Amtsapothekerin – auch da dieser in der Heimversorgung tätig war und seine Offizin erweitern wollte. Doch Schwerpunkt der Vernehmung blieb die Zyto-Herstellung: Der Richter fragte L. insbesondere zum Zeitraum der Jahre 2012 bis 2016, auf die sich aufgrund von Verjährungsfristen die Anklage bezieht. „Im Jahr 2012 kam die neue Apothekenbetriebsordnung“, erklärte die Amtsapothekerin, es habe „sehr viele neue Regelungen“ gegeben. So etwa § 35, in dem zum ersten Mal die Herstellung von Parenteralia in der Verordnung geregelt wurde. Die Regelungen „mit Leben zu füllen war nicht ganz so einfach“, erklärte L. – sowohl für Apotheker wie die Aufsichtsbehörden.

So war offenbar lange unklar, welche Regelungen heranzuziehen seien. „Ich kann keinen Industriestandard in einer Apotheke fordern“, sagte die Amtsapothekerin, „die Vorgaben waren nicht so genau“. Erst ein Schreiben der Länderarbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AG AATB) habe im Februar 2012 erste Fragen geklärt, in einem Fragenpapier seien im Frühjahr 2014 weitere Details geregelt worden. Die Amtsapotheker hätten dieses Schreiben als verbindlichen „Erlass“ angesehen, doch habe es für eine genauere Regelung der Kontrollen noch nicht ausgereicht, sagte L.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Zyto Apotheke

von Alexander Zeitler am 02.02.2018 um 4:17 Uhr

Da sieht man, dass auch ein PHrat nix verhindert. Die machen kleinen Apotheken das leben schwer. Aber wo es um Leben und Tod geht....
Hatte auch Chemos, zum Glück nicht von Peter S.
Verweise auaf Markus Lanz von gestern abend. Da sass eine Betroffene. Sie hat von der Chemo keine Nebenwirkungen mehr. Bekam sie Chemo oder nur Kochsalz? Was muss in der Frau vorgehen?
Dieses Verfahren muss weg aus dem Betrug .
Letztendlich geht es doch um Tötungsdelikte. und Peter S. wollte mal Priester werden........aber bei ca. 54 Mio bleibt alles auf der Strecke. Pfui Teufel

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Schockierend

von Pavel am 01.02.2018 um 15:50 Uhr

Es ist tatsächlich so: Eine Döner-Bude wird strenger kontrolliert als eine Zyto-Apotheke. Viel wichtiger ist es der amtlichen Kontrolle, eine Helferin im HV auf frischer Tat beim Verkauf einer Packung Aspirin zu erwischen. Gute Nacht Deutschland. Die Schlafwagenbehörde gehört dringend entmistet. Unhaltbare Zustände, ein Offenbarungseid der Kontrollaufsicht. Sofort absetzen.

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