Kammerpräsidentin Magdalene Linz

„Die Bundes-SPD sollte bei Apothekenthemen mehr auf die Landespolitik hören“

Hannover - 23.11.2017, 10:30 Uhr

Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz kann sich in Sachen Rx-Versandverbot einen Kompromiss vorstellen. (Foto: Schelbert)

Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz kann sich in Sachen Rx-Versandverbot einen Kompromiss vorstellen. (Foto: Schelbert)


In Niedersachsen regiert seit dem gestrigen Mittwoch eine Große Koalition, die sich laut Koalitionsvertrag für ein Rx-Versandverbot einsetzen will. DAZ.online hat mit Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz darüber gesprochen, inwiefern die Landespolitik solche Bundes-Entscheidungen überhaupt beeinflussen kann, ob das Verbot überhaupt noch möglich ist und inwiefern ein Kompromiss möglich wäre. 

DAZ.online: Sehr geehrte Frau Linz, auf Bundesebene ist die Große Koalition für viele eine politische No-Go-Area. In Niedersachsen klappte die Regierungsbildung zwischen SPD und CDU erstaunlich schnell und wirkt zumindest nach außen harmonisch. Was läuft da anders?

Linz: Auch hier haben sich Ministerpräsident Weil und CDU-Kandidat Bernd Althusmann im Wahlkampf heftigst attackiert. Sie mussten aber die politische Realität akzeptieren: Die FDP wollte keine Ampel-Koalition und die Grünen keine Jamaika-Koalition. Hinzu kommt, dass wir in Niedersachsen so gut wie keine Erfahrungen mit einer Großen Koalition haben und somit etwas unbefangener an dieses Bündnis gehen.

DAZ.online: Das Land soll mit der SPD-Politikerin Carola Reimann auch eine neue Sozial- und Gesundheitsministerin bekommen. Dabei hat ihre Parteikollegin Cornelia Rundt doch eigentlich einen guten Job gemacht…

Linz: Hat sie auch. Frau Rundt geht nun aber in den Ruhestand und überlässt das Ministerium dem politischen Nachwuchs.

DAZ.online: Werden die niedersächsischen Apotheker sie vermissen?

Linz: Gerade heute habe ich mich persönlich von Frau Rundt verabschiedet und für die konstruktive Zusammenarbeit bedankt. Nicht nur, dass sie die erste SPD-Ministerin war, die sich nach dem EuGH-Urteil hinter uns stellte. Auch die Debatte und der Gesetzesvorschlag zu den Stationsapothekern haben uns gezeigt, dass sie auf die Kompetenzen der Apotheker setzt. Sie hat uns ein sehr hohes Maß an Wertschätzung entgegengebracht.

DAZ.online: Waren Sie denn überrascht, dass auch die CDU so auf der Seite der Apotheker steht? Schließlich gab es bei denen kritische Stimmen auf Bundesebene…

Linz: Nein, denn wir haben in den vergangenen Jahren viel mit der CDU gesprochen – auch wenn sie in der Opposition war. Das zeigt immer wieder, wie wichtig es ist, mit allen Parteien in Kontakt zu bleiben.

DAZ.online: Woher kommt es Ihrer Meinung nach eigentlich, dass die Bewertung des Apothekenmarktes bei Grünen und SPD zwischen landes- und bundespolitischer Ebene komplett unterschiedlich ausfällt?

Linz: Die Landespolitik ist einfach näher dran an der Versorgung in der Fläche. Die Bundes-SPD hätte daher auf die Meinung ihrer Landespolitiker hören müssen. Woher diese Meinung in der Bundespolitik kommt, kann ich aber auch nicht verstehen. Vielleicht liegt es daran, dass der Bund den Versandhandel ja vor vielen Jahren freigegeben hat und jetzt meint, nicht wieder zurückrudern zu können. Aber ich bleibe dabei: Wenn man unser System erhalten will, ist es nach dem EuGH-Urteil leider notwendig. Auch die Studie des Deutschen Apotheker Verlages und der Noweda hat gezeigt, dass die Zahl der Apotheken und somit die flächendeckende Versorgung ganz direkt mit der Preisbindung verbunden sind. Nur ein Beispiel: In Niedersachsen gibt es in vielen Landapotheken inzwischen Kollegen, die so viele Botendienste fahren lassen, dass sie zwei Autos benötigen. Was meinen Sie, was die als erstes streichen, wenn sie weniger verdienen? Vermutlich eines der Autos – und schon hat sich die Versorgung verschlechtert.

„Man könnte den Rx-Versand für gewisse Arzneimittel zulassen“

DAZ.online: Die Gegner des Verbotes würden ja jetzt sagen, dass der Markt sich bislang fast kaum verändert hat und diese These somit wiederlegt ist.

Linz: Solche Prozesse im Rx-Markt sind schleichend. Als der OTC-Versand freigegeben wurde, hat es auch gedauert, bis sich das Käuferverhalten änderte. Die EU-Versender betreiben einen massiven Werbeaufwand. Es ist doch klar, dass sich das Kaufverhalten der Patienten somit in absehbarer Zeit ändern könnte. Ich verstehe die Bundes-SPD da auch einfach nicht: Wir haben den SPD-Politikern aus Niedersachsen immer gesagt: Warum fördert ihr Oligopole und Monopole? Warum fördert ihr ausländische Konzerne? Am Beispiel Lufthansa zeigt sich doch gerade, wie der Kunde darunter leidet…

DAZ.online: Die Versandhändler und Teile der Politik werfen Ihnen vor, sich Ihrer Konkurrenz entledigen zu wollen.

Linz: Nein, das ist falsch. Uns ist es nur wichtig, die Gleichpreisigkeit zu erhalten. Gäbe es einen Weg, diese zu erhalten und den Versand gleichzeitig nicht zu verbieten, dann gerne. Den Wettbewerb mit den Versendern sind wir gewöhnt, den halten wir aus.

DAZ.online: Es gibt ja in Ihrem Bundesland ein paar Spezial-Versender. Haben Sie denn in der Kammer mit denen nie über Kompromisslösungen diskutiert?

Linz: Natürlich haben wir das. Ich könnte mir auch sehr gut als Kompromiss vorstellen, dass manche Arzneimittel von dem Verbot ausgenommen werden. Um es klar zu sagen: Wir brauchen den Versand nicht. Jede Apotheke kann diese Spezialrezepturen herstellen, wenn sie denn will. Trotzdem wäre es denkbar, den Zustand der alten Apothekenbetriebsordnung von vor 2004 wieder herzustellen und den Spezialversand in einigen Fällen gesondert zu erlauben.

DAZ.online: Ihr Amtskollege Lutz Engelen aus Nordrhein hat ja vorgeschlagen, dass die Kammern gleich den gesamten Versorgungsauftrag übernehmen und somit selbst mitbestimmen können, welcher Anbieter wie versorgt.

Linz: Ich gebe zu, dieser Vorschlag hat auf den ersten Blick Charme. Es wäre toll, wenn wir zur Politik sagen könnten: ‚Lasst uns mal machen!‘ Allerdings gibt es damit auch viele Probleme: Denn dann wären wir wie die KVen für die Sicherstellung der Versorgung dort zuständig, wo Versorgungslücken entstehen würden. Ein Beispiel: In Ostfriesland machten in den vergangenen Jahren sehr viele Apotheken zu. Hätten wir dort die Versorgungs-Verantwortung, müssten wir sicherstellen, dass da neue Apotheken nachkommen. Aber wie wollen wir jemanden zwingen, dorthin zu gehen? Die Kammern müssten dann womöglich selbst Apotheken dort eröffnen.

DAZ.online: Zurück zum niedersächsischen Koalitionsvertrag. Der Einfluss der Landespolitik auf solche Entscheidungen ist ja bekanntlich gering. Ist es also nur ein nett gemeintes Signal der neuen Landesregierung in Richtung Apotheker, dass man am Fremd- und Mehrbesitzverbot festhält und den Rx-Versand verbieten will?

Linz: Nein, das verstehe ich nicht so. Unser Ministerpräsident hat parteiintern durch den klaren Wahlsieg eine wichtigere Rolle auf Bundesebene eingenommen. Sein Einfluss dort ist nicht zu unterschätzen.

DAZ.online: Im Koalitionsvertrag ist ein wichtiges gesundheitspolitisches Thema der Vorgängerregierung, die Stationsapotheker, nicht mehr enthalten. Ist das Projekt somit verloren?

Linz: Auf keinen Fall. Wir werden in der nun beginnenden Wahlperiode weiter dafür kämpfen. Die Kammer wird nun gemeinsam mit den Krankenhausapothekern und den krankenhausversorgenden Apothekern einen Vorschlag unterbreiten, wie man weiter verfahren könnte. Schließlich hatte die CDU Bedenken zur Finanzierung des Projektes geäußert.

DAZ.online: Worüber wollen Sie noch sprechen mit der neuen Regierung?

Linz: Definitiv über den Medikationsplan sowie die Medikationsanalyse und die Beteiligung der Apotheker daran. Wir werden alles daran setzen, dass sich Niedersachsen im Bund für eine stärkere Einbindung der Apotheker stark macht.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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