Elektronischer Heilberufsausweis

Technische Hürden bedrohen zwei Vorzeigeprojekte

Süsel - 08.08.2017, 07:00 Uhr

Scheitert der elektronische Medikationsplan am Heilberufsausweis? (Foto: AkdÄ)

Scheitert der elektronische Medikationsplan am Heilberufsausweis? (Foto: AkdÄ)


Die Apothekerkammern bereiten sich darauf vor elektronische Heilberufsausweise (HBA) auszugeben. Doch schon jetzt wird befürchtet, dass die Apotheken nicht zum geplanten Termin für den elektronischen Medikationsplan und für Securpharm bereit sein werden. Denn für beides wird der HBA benötigt.

Über viele Jahre hatte sich das Gesundheitswesen daran gewöhnt, dass Projekte zur Digitalisierung immer wieder vertagt wurden. Das Gesundheitswesen hat trotzdem gut funktioniert. Nach den ersten enttäuschenden Probeläufen mit dem elektronischen Rezept vor rund zehn Jahren konnte man über die Verzögerungen nur froh sein. Manche Bedenken zum Datenschutz waren wohl auch willkommen, um zu verhindern, dass technisch unausgereifte Lösungen den Versorgungsalltag belasten. Für die Praxis war das bequem.

Doch Bundesgesundheitsminister Gröhe hat diese schweigende Übereinkunft über das Nicht-Handeln beendet. Das Nicht-Einhalten einiger Fristen wurde für die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den GKV-Spitzenverband mit finanziellen Sanktionen belegt. Dies hat die Entwicklung grundlegend verändert. Alle Beteiligten müssen jetzt davon ausgehen, dass die in Gesetzen genannten Fristen tatsächlich umgesetzt werden. Doch was passiert, wenn die Technik bis dahin nicht steht?

Voraussetzungen für den Medikationsplan

Diese Frage könnte künftig auch die Apotheker betreffen. Bis Anfang 2019 sollen alle Apotheker ihren elektronischen Heilberufsausweis erhalten. Alle Apotheken benötigen bis dahin einen Konnektor und eine Institutionenkarte, genannt SMC-B. Nur damit werden Apotheker den neuen elektronischen Medikationsplan lesen und bearbeiten können. Der politische Ärger über die bisherige Mini-Rolle der Apotheker beim Medikationsplan ist also nur die eine Seite des Problems. Bisher fehlen sowieso die technischen Voraussetzungen, um einen Medikationsplan zu bearbeiten, wenn er auf der elektronischen Gesundheitskarte eines Patienten gespeichert wäre. Möglich ist allerdings schon jetzt eine elektronische Bearbeitung über den QR-Code auf den ausgedruckten Plänen. Doch das politische Engagement für eine größere Rolle der Apotheker beim Medikationsplan ist nur schlüssig, wenn zugleich die nötigen technischen Voraussetzungen geschaffen werden.

Verzögerungen beim Heilberufsausweis

Darauf bereiten sich die Apothekerkammern gerade vor. Denn sie müssen die elektronischen Heilberufsausweise für Apotheker ausgeben. Bisher werden sie dabei ausgebremst, weil noch kein Anbieter für die Erstellung der personalisierten Ausweise zertifiziert wurde. Dafür ist die gematik, die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, zuständig. Die Kammern müssen mit einem zertifizierten Anbieter einen Vertrag schließen, der die Einzelheiten der Kartenausgabe regelt. Was dabei zu regeln ist, hat ein Übersichtsartikel in DAZ Nr. 30 gezeigt. Die meisten Kammern stehen dabei offenbar erst am Anfang. Dazu gehört Haushaltsmittel für die zusätzliche Arbeit und das zusätzliche Personal einzuplanen.

Wie soll die Gültigkeit der Approbation bestätigt werden?

Doch gehen die Auffassungen darüber auseinander, wie viel Personal nötig ist. Die Erfassung der Anträge und die Weiterleitung an den Kartenhersteller werden eher technische Vorgänge sein. Die größte Unsicherheit liegt offenbar darin, wie die Kammer bestätigen soll, ob ein Antragsteller tatsächlich über eine echte und gültige Approbation verfügt. Nachfragen bei der ausstellenden Approbationsbehörde werden bei älteren Approbationen vermutlich erst nach einer längeren Wartezeit beantwortet.

Eine weitere Unwägbarkeit wirft die Zeitplanung aber offenbar schon jetzt über den Haufen. Bei der Kammerversammlung am 5. Juli in Baden-Württemberg wurde es nur angedeutet, am 20. Juni in Berlin dagegen praktisch als Tatsache verkündet: Die geplante elektronische Identifizierung der Apotheken wird nicht bis Anfang 2019 flächendeckend möglich sein. Verschiedene Betrachter sehen den Engpass eher bei der Installation der Konnektoren oder bei der Ausgabe der noch nicht verfügbaren Institutionenkarten. 

Herausforderung für Securpharm

Dieses Problem würde nicht nur den Zugriff auf die elektronische Gesundheitskarte und damit auf den elektronischen Medikationsplan vereiteln, sondern auch das Securpharm-Projekt betreffen. Die Fälschungsschutzrichtlinie der EU sieht vor, dass die Apotheken ab dem 9. Februar 2019 jede Packung mit den neuen Merkmalen zum Fälschungsschutz bei der Abgabe aus dem System ausbuchen. Ohne Zugriff auf das System geht das nicht. Wenn die neuen Packungen bei der Abgabe aber nicht ausgebucht werden, würde Securpharm mit einem systematischen Fehler starten. Die Apotheken müssten also übergangsweise einen anderen Zugriff auf den Securpharm-Server erhalten, der ohne die bisher vorgesehenen Instrumente funktioniert.

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Fazit

Wenn das alles nicht innerhalb der geplanten Frist gelingt, drohen zwei Vorzeigeprojekte schwer belastet zu werden. Die Arbeit am Medikationsplan und der Schutz vor Arzneimittelfälschungen sind wichtige Leistungen der Apotheken für die Patienten. Es droht mindestens ein beträchtlicher Imageschaden, wenn die Umsetzung in der Fläche an der Technik scheitert. Auf die alte Erfahrung, dass alle Beteiligten sowieso viel länger brauchen und die Termine nicht so ernst gemeint sind, sollte diesmal niemand setzen.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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von Heiko Barz am 09.08.2017 um 11:25 Uhr

Ohne uns Apotheker wird es einen funktionierenden Medikationsplan nicht geben können, solange das nicht als Punkt 1 auf der Agenda der zukünftigen Arzneimittelversorgung steht.
Es sei denn, subversive politische Kräfte wollen das Berufsbild des Apothekers vernichten, um sich von Auslandsversendern und Drogerieketten mit Arzneimitteln, Rezepturen und BTMs hoher Qualität versorgen zu lassen.

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