Jahresbericht

Suchtkontrollrat beklagt die „stille Sucht der Frauen“

Berlin/Wien - 02.03.2017, 16:30 Uhr

Frauen sind laut dem aktuellen Jahresbericht des Suchtkontrollrats immer häufiger Drogen- und Arzneimittel-süchtig. (Foto: photophonie / Fotolia)

Frauen sind laut dem aktuellen Jahresbericht des Suchtkontrollrats immer häufiger Drogen- und Arzneimittel-süchtig. (Foto: photophonie / Fotolia)


Die Drogen- und Arzneimittelsucht bei Frauen nimmt weltweit zu. Dies hat auch Auswirkungen auf deren Familien, sagt die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler. Die Drogenpolitik müsste sich auf die Bedürfnisse von Frauen ausrichten – und Barrieren abbauen, die diese von Behandlungen abhielten.

Der internationale Suchtkontrollrat (INCB) hat die Regierungen weltweit aufgerufen, sich stärker um die zunehmende Drogenabhängigkeit von Frauen zu kümmern. Frauen und Mädchen machten ein Drittel der Suchtmittelkonsumenten weltweit aus. Aber unter den Menschen, die eine Suchtbehandlung bekommen, seien nur ein Fünftel Frauen. Das geht aus dem Jahresbericht 2016 des in Wien ansässigen Rates hervor, der am Donnerstag unter anderem in Berlin vorgestellt wurde. Aus Sicht der Experten sind es vor allem soziale, kulturelle oder auch persönliche Barrieren, die Frauen den Zugang zu Behandlungen bei Drogenmissbrauch erschweren.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), erklärte dazu: „Weibliche Sucht wird schneller tabuisiert, häufiger stigmatisiert und findet meist im Verborgenen statt.“ Zudem würden Frauen therapeutische Angebote deutlich weniger wahrnehmen als Männer. „Dies ist nicht nur für die Frauen problematisch, auch die Auswirkungen auf die Familien, insbesondere die Kinder sind immens.“ Mortler sprach von einer „stillen Sucht der Frauen“.

Tabus verhindern Lebensrettung

Drogenpolitik müsse die speziellen Bedürfnisse von Frauen erkennen und berücksichtigen, erklärte die CSU-Politikerin. „Barrieren, die Frauen davon abhalten, sich in Behandlung zu begeben, etwa die Ausgrenzung durch die eigenen Familien, müssen überwunden werden“, sagte Mortler. Viel zu häufig verhindere die gesellschaftliche Tabuisierung von Drogenkonsum und Sucht selbst lebensrettende Maßnahmen. „Das muss sich ändern!“, erklärte die Drogenbeauftragte.

Es gelte, die Frauenrechte weltweit zu stärken und zielgruppengerechte Hilfsangebote auszubauen. „In Deutschland ist hierbei in den letzten Jahren viel geschehen, auch wenn wir noch längst nicht am Ziel sind“, betonte sie. „International sehe ich enormen Handlungsbedarf.“ 

Frauen sterben hierzulande öfter durch Arzneimittel-Überdosen

Ein Problem sei, dass Frauen häufiger als Männern Suchtstoffe und Beruhigungsmittel verschrieben würden, so der Suchtkontrollrat. Deutschland und Serbien etwa hätten dem Rat berichtet, dass bei Frauen „tödliche Überdosen durch verschriebene Substanzen häufiger vorkommen“.

Zudem verzeichneten Länder wie Großbritannien oder Nordirland bei Frauen einen größeren Anstieg von Überdosen als bei Männern – und zwar bei allen Suchtstoffen. Besonders gefährdet sind den Angaben zufolge Frauen in Gefängnissen und Sexarbeiterinnen, drogenabhängig zu werden.

Keine Todesstrafe für Drogendelikte

Der Suchtkontrollrat forderte alle Staaten auf, die Todesstrafe für Drogendelikte abzuschaffen. Zugleich hob er hervor, dass die Legalisierung von Cannabis nicht mit den Verpflichtungen vereinbar seien, die im Einheitsübereinkommen zu Suchtstoffen von 1961 festgelegt worden seien.

Mit diesem Übereinkommen wurde der Suchtkontrollrat ins Leben gerufen. Er versucht zu kontrollieren, ob Anbau, Produktion und Verwendung von Drogen auf medizinische und wissenschaftliche Zwecke beschränkt bleiben. Die Mitgliedstaaten – fast alle Länder der Welt – sind verpflichtet, regelmäßig Daten über das Suchtverhalten zu liefern.



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