Bundesforschungsministerium

Medizintechnik soll Arzneimittel ersetzen

Stuttgart - 12.09.2016, 15:00 Uhr

Chips statt Tabletten: Das Bundesforschungsministerium setzt auf neue Technik. (Foto: science photo / Fotolia)

Chips statt Tabletten: Das Bundesforschungsministerium setzt auf neue Technik. (Foto: science photo / Fotolia)


Bei langwierigen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Rückenschmerzen hat Medizintechnik viele Vorteile, erklärt das Bundesforschungsministerium – und will Arzneimittel überflüssig machen. Mit einem millionenschweren Forschungsprogramm sollen effektivere und günstigere Behandlungen entwickelt werden.

Wie können dauerhaft kranke Patienten optimal behandelt werden? Im Rahmen eines 15-Millionen-Euro-schweren Forschungsprogramm will die Bundesregierung Wissenschaftler unterstützen, die mit Medizintechnik Arzneimittel überflüssig machen – und Patienten zu einer besseren und günstigeren Therapie verhelfen. In der alternden Bevölkerung nähmen chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Lungenerkrankungen, Diabetes, Rückenschmerzen und andere Muskel-Skelett-Leiden, Diabetes mellitus und auch Krebs zu, erklärt ein Sprecher von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. „Gerade bei langwierigen Erkrankungen können medizintechnische Lösungen gegenüber Medikamenten große Vorteile aufweisen“, betont er gegenüber DAZ.online.

Als Beispiel benennt der Sprecher die Verödung von Nervenbahnen, die bei Herz-Rhythmus-Störungen eine nebenwirkungsfreie medizintechnische Lösung darstelle. Krebspatienten könne durch medizintechnische Lösungen besser geholfen werden, indem Chemotherapien vermieden oder besser lokalisiert werden, und in der Neurologie und Psychiatrie seien elektrophysiologische Systeme zur Stimulation des Gehirns vorstellbar. Auch gebe es Bereiche, für die keine ausreichenden medikamentösen Therapien zur Verfügung stünden: In der Augenheilkunde könnten Implantate helfen. So werden beispielsweise Netzhautprothesen entwickelt, die Patienten mit Makuladegeneration wieder etwas Sehkraft ermöglichen.

Medizintechnik könne gegenüber bestehenden medikamentösen Therapien in zahlreichen Bereichen deutliche Vorteile aufweisen, betont das Ministerium: Sie habe keine pharmakologischen Nebenwirkungen – und sei im Verlauf der Erkrankung oft kostengünstiger. Sie könne eine dauerhafte Medikation durch einen einmaligen Eingriff unnötig machen oder die Dosierung von Arzneimitteln deutlich reduzieren. „Werden sie mit Pharmakotherapien kombiniert, können sie dazu beitragen, dass die Behandlung effektiver wird“, erklärt der BMBF-Sprecher. 

Medizingeräte sollen dauerhafte Medikation ersetzen

Auch könnten sie helfen, die Dosis der Medikamente zu reduzieren, was die Verträglichkeit verbessern und Kosten einsparen kann. „Das Ministerium will die Entwicklung innovativer Medizinprodukte fördern, die eine dauerhafte Medikation durch einen einmaligen Eingriff unnötig machen oder die Dosierung von Arzneimitteln deutlich reduzieren können“, teilt der Sprecher auf Nachfrage mit.

Mit den Neuentwicklungen sollen auch Folgeschäden vermieden werden, die weitere medikamentöse Behandlungen erfordern würden. Ein Schwerpunkt der Initiative sind chronische und neurologisch-psychische Erkrankungen, für die teilweise Implantate zur Elektrostimulation entwickelt werden.

Jahrelange Forschung

Doch bis tatsächlich ein erstes Arzneimittel durch eines der Medizinprodukte ersetzt wird, dürften einige Jahre vergehen: Die Erforschung und Entwicklung soll nächstes Jahr starten, nachdem in einem Antragsprozess die besten Vorschläge begutachtet wurden – und sich dann über drei Jahre erstrecken. Indem Industrie-Partner von Anfang an miteingebunden werden, will das Bundesforschungsministerium sicherstellen, dass die Produkte am Ende auch am Markt ankommen.

Die Projektpartner sollen sich dabei „umsetzungsrelevante Endpunkte“ zum Ziel setzen – wie einen Machbarkeitsnachweis am Tier, klinische Studien, die Realisation eines klinischen Demonstrators oder eine modellhafte Etablierung einer Prozesskette. Klinische Studien sollen sich dabei auf die Effizienz der Medizinprodukte konzentrieren und laut Ministerium noch nicht die Sicherheit und Leistungsfähigkeit belegen, was erst in einem weiteren Schritt erfolgen soll. Versorgungsforscher und Gesundheitsökonomen sollen als Projektpartner die Überlegenheit „gegenüber der bisherigen pharmako-therapeutischen Referenz“ untermauern. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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