„Stuttgarter Gespräche“

Schmidt: Nicht jeder muss Medikationsmanagement anbieten!

Stuttgart - 08.07.2015, 09:50 Uhr

ABDA-Präsident Schmidt betont bei den Stuttgarter Gesprächen, dass Medikationsmanagement eine freiwillige Leistung jeder Apotheke ist. (Foto: diz/DAZ)

ABDA-Präsident Schmidt betont bei den Stuttgarter Gesprächen, dass Medikationsmanagement eine freiwillige Leistung jeder Apotheke ist. (Foto: diz/DAZ)


Die wirtschaftlichen Voraussetzungen und Folgen des Medikationsmanagements waren die beherrschenden Themen der „2. Stuttgarter Gespräche“ zum Thema „Ein Jahr Perspektivpapier 2030“ Ende Juni. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt nutzte die Gelegenheit, seine Sicht der Dinge zu erläutern – und einiges gerade zu rücken.

So sagte Schmidt, er wundere sich, „warum so viele Kollegen denken, dass sie ab sofort zum Medikationsmanagement verpflichtet seien“. Er betonte, dass die Apothekenbetriebsordnung das Medikationsmanagement als eine freiwillige pharmazeutische Leistung definiere. Apotheken könnten jederzeit die Entscheidung treffen, die neuen Dienstleistungen nicht anzubieten. Es mache ja auch nicht jede Apotheke Heimversorgung. Und doch ist Schmidt überzeugt, „dass am Ende alle mitmachen“.

Auch der Ansicht, dass Apotheken mit wenigen Mitarbeitern nicht die Kapazitäten hätten, ein Medikationsmanagement durchzuführen, widersprach er: „Eine ordentlich geführte Apotheke an einem ordentlichen Standort kann das leisten.“ Die Frage, wie das mit wenigen Mitarbeitern aussehen könnte, beantwortete er pragmatisch: In vielen Apotheken gebe es durchaus Zeiten mit weniger Betrieb, „klassischerweise die Mittwochnachmittage. In diesen Zeiten kann das Medikationsmanagement seinen Platz finden.“

Klar sei aber auch, dass die flächendeckende Umsetzung nicht über Nacht geschehe. Auch der Übergang des Apothekerberufs vom Hersteller der Arzneimittel zum Versorger mit industriellen Fertigarzneimitteln habe 50 Jahre gedauert, gab Schmidt zu bedenken. Selbst die Einführung der Beratungspflicht mit dem § 20 der ApBetrO in den 1980er Jahren sei bis heute noch nicht vollständig und von allen Kollegen verinnerlicht. Mit den Zielen des Perspektivpapiers „Apotheke 2030“ verhalte es sich genauso, es sei ein ebenso grundsätzliches wie langfristiges Entwicklungsprojekt.

„Muss von der GKV erstattet werden“

Vorschläge, neue Dienstleistungen wie das Medikationsmanagement als Selbstzahlerleistungen außerhalb der GKV-Erstattung einzuführen, sieht Schmidt ambivalent. Der Idee, den Apotheken ein Standbein außerhalb der GKV-Erstattung zu etablieren, stehe er grundsätzlich positiv gegenüber. Die Zahnärzte hätten vorgemacht, wie das gehen kann. Beim Medikationsmanagement sei dies aber nicht der ideale Weg. Denn hier handle es sich um eine Leistung, auf die jeder Versicherte einen Anspruch haben müsse, so Schmidt, und keinen Luxus. „Deswegen muss es von der GKV erstattet werden“, fordert er. Gleichzeitig forderte Schmidt die Kollegen, die bereits solche Angebote machen, auf, nicht mit „Schleuderpreisen“ nachhaltig das Preisniveau zu verderben.

Eines jedenfalls machte Schmidt ganz klar: Für ihn ist Patientenorientierung des Apothekerberufs und die Weiterentwicklung zu mehr kognitiver statt logistischer Leistung keine Utopie, sondern schlichte Notwendigkeit. Der Anteil der Apotheken an der Wertschöpfung durch Arzneimittel sinke beständig zugunsten der Hersteller. „Wenn wir nicht zeigen können, dass in den Apotheken Wertschöpfung stattfindet, wird die Apotheke am Ende der Wertschöpfungskette überflüssig“, warnte Schmidt.

Einen ausführlichen Bericht zu den 2. „Stuttgarter Gesprächen“, an denen Apotheker, Standesvertreter sowie Vertreter des pharmazeutischen Großhandels und der Apothekenkooperationen teilgenommen haben, lesen Sie in der aktuellen DAZ 28/2015, die ab heute Nachmittag online abrufbar ist und morgen in Ihrem Briefkasten liegen wird.


Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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