Sächsischer Apothekertag

Pharmazeutische Chancen

Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, zeigte sich in seiner Rede zum 8. Sächsischen Apothekertag optimistisch, mit dem Modell des Apothekers als freien Heilberuf auch in Zukunft die Herausforderungen, die Politik und Gesundheitswesen stellen, zu meistern. Dabei verschließt er nicht die Augen vor Problemen, die die Apotheker in den nächsten Jahren zu lösen haben, beispielsweise den Nachwuchsmangel, die Qualitätssicherung und strukturelle Effekte des Leistungs- und Vergütungssystems.

Das seit 2005 geltende Leitmotiv des Apothekerberufs, nämlich "Unsere Zukunft wird pharmazeutisch entschieden", übersetzte Schmidt in eine berufspolitische Handlungsmaxime:

  • Sorge dafür, dass alle deutschen Apothekerinnen und Apotheker ihr täglich Brot mit dem verdienen können, was sie unverwechselbar und unaustauschbar und demzufolge auch unersetzlich und einzigartig macht: mit ihrem pharmazeutischen Fachwissen, ihrem Expertentum, ihrer Zuneigung und Empathie gegenüber den Patientinnen und Patienten.
  • Sorge dafür, dass dieses Expertenwissen und die Empathie von der Gesellschaft positiv wahrgenommen und angemessen genutzt werden.
  • Sorge auch dafür, dass die politischen Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass sich das hinter diesen Vorstellungen stehende Ideal, nämlich das des freien Apothekerberufs, auch im wahrsten Sinne des Wortes leben lässt, nicht nur ökonomisch, sondern auch im Sinne von allgemeiner Akzeptanz innerhalb und außerhalb des Berufs.
Friedemann Schmidt Die apothekerliche Arbeit und das Arzneimittel dürfen nicht trivialisiert und kommerzialisiert werden.

Schmidt hob hervor: Der Apothekerberuf ist ein freier Beruf, der nur aus historischen und aus Praktikabilitätsgründen mit der Funktion eines Kaufmanns ausgestattet ist. Der Beruf ist hoch reguliert, was auch so bleiben soll. Die Regulierung dient nicht dem eigenen Schutz, sondern dem Schutz der Bürger. Damit ist die sichere, hochwertige und preisgünstige Arzneimittelversorgung für jeden Bürger garantiert. Von der Politik verlange man dafür verlässliche Rahmenbedingungen und letztlich die volle Verantwortlichkeit von Apothekerinnen und Apothekern für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.

Man unterstütze daher gesundheitspolitische Vorschläge, die die Fachlichkeit des Apothekers stärken. Solche Ansätze fehlten allerdings in den aktuellen Vorschlägen des Bundesgesundheitsministers, bisher gehe es hier verständlicherweise um klassische Kostendämpfungsmaßnahmen.

Keine Erfolgsgarantie fürs Pick-up-Verbot

Erfreulich ist, so Schmidt, dass in das Papier mit den schnellen Kostendämpfungsmaßnahmen die Bekämpfung der Auswüchse des Versandhandels aufgenommen worden ist. Allerdings gebe es für das politische Projekt eines Verbots von Pick-up-Stellen keine Erfolgsgarantie, die juristischen Hindernisse seien erheblich. Außer Diskussion stehe der klassische Versandhandel, er müsse zukünftig wettbewerblich bekämpft werden, um das Ausbluten der Präsenzapotheken bei Teilen des OTC-Segments zum Stillstand zu bringen und eine Ausdehnung des Versandhandels in das verschreibungspflichtige Sortiment zu verhindern.

Zur im Eckpunktepapier angesprochenen Neuordnung der Großhandelsvergütung, die auf einem veränderten Vorschlag des letzten Jahres beruht, sind nur widersprüchliche Aussagen zu erhalten, so Schmidt. Zwar habe man sich vor einem Jahr der Forderung des Großhandels nach einer packungsbezogenen Honorierung zuzüglich einer prozentualen Komponente angeschlossen, doch das damalige Gesundheitsministerium versuchte über eine Änderung dieser Vorschläge bei der Bearbeitung der 15. AMG-Novelle dem Großhandel 500 Mio. Euro zu entziehen, was glücklicherweise scheiterte. Derzeit allerdings besteht für eine Änderung der Großhandelsvergütung keine Notwendigkeit mehr. Dass eine solche Regelung im Eckpunktepapier steht, nährt den Verdacht, man wolle mit diesem Instrument einen Sparbeitrag von Großhandel und Apotheken einholen.

Kassenabschlag: Hilfe von Rösler

Nicht befriedigen könne nach Auffassung von Schmidt die Haltung des Bundesgesundheitsministers bei der Auseinandersetzung um die Anpassung des Kassenabschlags. Dieses Thema steuert ohne Röslers Hilfe auf eine jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung mit dem GKV-Spitzenverband zu. Die derzeitige Situation sei für Apotheker auch ökonomisch nicht tragbar, der Apotheker kann keine vernünftige Investitions- und Personalplanung betreiben. Schmidt wörtlich: "Es geht um viel Geld." Man erwarte von Rösler, dass er dem Schiedsverfahren zur sofortigen Wirksamkeit verhilft. So geht es auch darum, dass eine Apotheke von der Versorgung verordneter Arzneimittel "nicht nur auskömmlich existieren können muss, sie muss auch in der Lage sein, eine gute Pharmazie anzubieten".

Schwerpunkt Wissenschaft


Mit insgesamt sechs wissenschaftlichen Vorträgen legte der Sächsische Apothekertag einen Schwerpunkt auf die Fortbildung. Generalthema waren nationale Versorgungsleitlinien und Therapieleitlinien, deren praktische Umsetzung und im klinischen Alltag.

Für Pharmazie-Ingenieure und PTA bot der pharmazeutische Teil des Apothekertags zwei Vorträge zum Bereich der Selbstmedikation. Und Pharmaziestudierende konnten sich in einer eigenen Gesprächsrunde mit Berufspolitikern über die Bedeutung der Standespolitik informieren.

Ablösung des Rabattvertragsmodells

Medikationsmanagement ist ein Kernbestandteil guter Pharmazie. In Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung habe man daher ein gemeinsames Papier verfasst, das man als Vorschlag der Apotheker zu einer tatsächlichen Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung ins Bundesgesundheitsministerium gegeben habe – "ein Jahrhundertschritt", so Schmidt. So sollten Ärzte in Zukunft im generischen Bereich nur noch Wirkstoffverordnungen ausstellen, Apotheker übernehmen die vollständige Verantwortung für die Auswahl des Fertigarzneimittels. Durch die Bindung an ein Garantiepreismodell könnten die Rabattverträge abgelöst werden und jeder Patient langfristig mit seinem Arzneimittel versorgt werden. Wenn dadurch die Therapie und Therapietreue des Patienten verbessert wird, könnte auch eine "deutliche Verbesserung unserer Vergütung erreicht werden", so Schmidt. Rabattverträge führten schließlich auch zu einem Vertrauensverlust, der Patient schreibt die rabattvertragsbedingten Substitutionsvorgänge vor allem dem Apotheker zu. Auch vor diesem Hintergrund sind Rabattverträge durch ein Garantiepreismodell abzulösen.

Schmidts Agenda für mehr Freiberuflichkeit:

  • Abwehr der Trivialisierung und Kommerzialisierung der apothekerlichen Arbeit und des Arzneimittels, beispielhaft aber keineswegs beschränkt auf den Kampf gegen die Arzneimittel-Pick-up-Stellen.
  • Stabilisierung der ökonomischen Basis der Arbeit des Apothekers mit den GKV-Versicherten durch Reduzierung des Kassenrabatts.
  • Weiterentwicklung der apothekerlichen Arbeit in Richtung guter Pharmazie durch mehr Partnerschaft mit den Ärzten beim Medikationsmanagement.
Freibergs Nikolaikirche

Verhalten optimistisch

Verständnis für diese Forderungen und die apothekerlichen Probleme, aber auch für die Finanzierungsprobleme der Zukunft im Gesundheitswesen insgesamt gebe es durchaus in der Politik. Nach Meinung von Schmidt wird es zukünftig im Gesundheitswesen weniger ideologische Vorprägung und mehr sachliche Debatten geben. Dies veranlasst ihn zu einer verhalten optimistischen Prognose für die kurzfristige gesundheitspolitische Situation des Apothekerberufs.

Vom Erfolg der berufspolitischen Arbeit in diesen Punkten wird es auch abhängen, wie erfolgreich man bei den längerfristig zu lösenden Problemen sein wird, nämlich dem Nachwuchsproblem, der Qualitätssicherung und strukturellen Effekten des Leistungs- und Vergütungssystems.

"Wir haben ein inzwischen zweifelsfrei festzustellendes pharmazeutisches Nachwuchsproblem", so der sächsische Kammerpräsident. Er rief daher zu einer "gewaltigen Nachwuchsoffensive" auf. Das kollektive Jammern über schlechte Rahmenbedingungen führe bei jungen Menschen nicht zu einer Begeisterung für den Beruf – "das müssen wir dringend ändern".

Ein weiteres wichtiges Thema, das die Zukunft des Apothekerberufs bestimmen wird, ist die Qualitätssicherung. Schmidt machte massive Einkommensverluste für eine nachlassende pharmazeutische Qualität verantwortlich. Eine überbordende Qualitätssicherungsbürokratie werde allerdings keine Abhilfe schaffen. Er plädierte stattdessen für einen "fein abgestimmten und gut ausgewogenen Mix aus externer Evaluation (Pseudo-Customer, Ringversuche) und ökonomischen Anreizen (Stichwort: Geld folgt pharmazeutischer Leistung)".

Das dritte Zukunftsproblem sieht Schmidt in strukturellen Effekten des Leistungs- und Vergütungssystems. Das derzeitige packungsbezogene Vergütungssystem forciert eine Entwicklung hin zu großen und sehr großen Apotheken mit Filialen verbunden mit dem Ausbluten der kleinen und mittleren Versorgungsapotheken. Er rief dazu auf, darüber nachzudenken, wie man diesem Trend entgegensteuern könne. Diese Entwicklung bereite ihm große Sorgen. Denn, so Schmidt wörtlich, "diese Entwicklung führt weg vom tradierten Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke, welches nach meiner festen Überzeugung nach wie vor das beste und letztlich einzig sinnvolle Versorgungsmodell in der Fläche darstellt".

Kultur und Geselligkeit


Reichlich Kultur bot der diesjährige Sächsische Apothekertag mit seinem Tagungsort Freiberg, der allein über 600 denkmalgeschützte Objekte bietet. Bei einer Stadtführung konnten die Teilnehmer kirchliche und weltliche Zeugnisse der 800-jährigen Geschichte der Silberbergwerksstadt Freiberg kennenlernen. Zur Auswahl standen außerdem eine Sonderführung durch die weltgrößte Mineralienausstellung oder eine Orgelführung zur Silbermann-Orgel in der Petrikirche.

Der Gesellschaftsabend fand in stimmungsvollem Ambiente statt: in der Nikolaikirche, der zweitältesten Kirche Freibergs. Die Kirche wird seit den 70er Jahren nicht mehr als Gotteshaus benutzt. Nach einer aufwendigen Sanierung wurde sie 2002 als Konzert- und Tagungshalle wieder eröffnet.

Freiberg Der Marktplatz mit seinem prächtigen Rathaus zeugt von einer großen Vergangenheit der Silberbergwerksstadt.
Der Gesellschaftsabend in der Nikolaikirche: Die Tische im ehemaligen Kirchenschiff waren festlich gedeckt.
Über 200 Apothekerinnen und Apotheker, Pharmazie-Ingenieure und PTA sowie Pharmaziestudierende nahmen am diesjährigen Sächsischen Apothekertag in Freiberg teil.

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