Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

25.01.2015, 08:00 Uhr


Mit einem Gruselpapier will GKV-Stackelberg einen Modernisierungsschub und landet damit in der Mottenkiste. Die GKV-Forderungen sind so daneben, dass sogar die ABDA umgehend aufschrie. Was nicht immer der Fall ist, wie ein Diefenbachscher Brief mit Kritik am ABDA-Präsidenten offenbart. Und während die Ärzte in der „Pille danach“ aus Apothekerhand den Untergang des Abendlandes sehen, bilden sich die Pharmazeuten pflichteifrig fort, auch wenn sich das Ergebnis nicht immer in Fernsehtests widerspiegelt. Die Kammertests zeigen, dass es besser ist als der Schein. Und, mein liebes Tagebuch, dunkle Wolken über dem Medikationsmanagement – das ziehen sich schon die Ärzte an Land.

19. Januar 2015

Da ist sie wieder, die Diskussion um die Fortbildungspflicht. Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer, hat sie angestoßen – auf seinem Fortbildungskongress im österreichischen Skiort Schladming. Was ihm genau vorschwebt, hat er nicht so deutlich werden lassen: Einerseits ist die Pflicht zur Fortbildung bereits in den Berufsordnungen der Kammern drin, andererseits versteht er’s nicht, dass nach dem Studium mit seinen drei Examina später im Berufsleben kein Wissensnachweis mehr gefordert wird. Mein liebes Tagebuch, tja, wie hätten wir’s denn gern? Alle jährlich einmal antreten zum Kolloquium oder zur Multiple-Choice-Prüfung? Oder alle fünf Jahre? Oder reicht der Nachweis von Fortbildungspunkten, von der Piste bis in den Kongresssaal? Nein, im Ernst: In einem Heilberuf geht’s nicht ohne ständige Fortbildung. Ich möchte auch nicht von einem Arzt behandelt werden, dessen Wissen nicht auf dem neuesten Stand ist. Und wie machen’s die Ärzte? Wird deren Fortbildung abgefragt?

Schladming statt Davos – die Bundesapothekerkammer hatte im vergangenen Jahr ein gutes Näschen, ihren Winter-Fortbildungskongress Pharmacon von der Schweiz nach Österreich zu verlegen. Gerade noch rechtzeitig vor der satten Fränkli-Anpassung, mit der man für einen Euro nur noch 97 Rappen bekommt. Das hätte sogar Apothekers arm gemacht: Die Schweiz ist zu teuer geworden. Dort kostet eine Kalbsbratwurst schon 30 Euro. In Österreich aber fühlten sich alle, wie man hörte, sichtlich wohl.

Apotheker müssen Impfexperten sein, forderte der Infektiologe Thomas Weinke in Schladming. Ja, sind wir gerne, Herr Professor. Wir beraten, prüfen den Impfpass und raten zu Impfungen. Äh, bei dieser Gelegenheit, wie wär’s, wenn wir Apothekers, ähnlich wie unsere Kollegen in den USA oder in England, zum Beispiel gleich die Grippespritze setzen?

Hoffnung für die Leipziger Pharmazie: Stand sie noch vor einem Jahr vor dem Aus, sollen jetzt wieder 36 Studierende neu aufgenommen werden. Wissenschaftsministerin Stange und Uni-Rektorin Schücking haben das vereinbart. Damit ist die Pharmazie-Ausbildung in Leipzig erstmal gesichert – für ein weiteres Jahr gesichert. Wie’s langfristig weitergeht, ist noch nicht endgültig entschieden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

20. Januar 2015

Arzneimitteltherapiesicherheit, kurz AMTS, klingt sperrig, ist aber das Zauberwort der Zukunft, wenn’s um Patientensicherheit geht. Immer mehr Patienten müssen einen Cocktail aus fünf oder mehr Arzneimitteln einnehmen. Ursprünglich war’s mal angedacht, dass das eine Aufgabe, nein, die Zukunftsaufgabe für uns Apothekers ist. Denkste, mein liebes Tagebuch, AMTS haben sich schon längst andere auf ihre Fahnen geschrieben. Kollege Arzt hat da die Nase vorne. Zumindest in Nordrhein-Westfalen. Dort laufen fünf Modellprojekte zu AMTS, nur bei einem sind die Apothekers richtig involviert. Frust! Stimmt irgendwie traurig. Wer hat da nicht aufgepasst? Oder sind Apothekers wieder mal chancenlos?

21. Januar 2015

Neues Jahr, neue Tests. Den Start machte in diesem Jahr der WDR. Ergebnis des Tests: Apotheken beraten schlecht. Von 18 getesteten Apotheken hätten zehn mit „schlecht“ abgeschnitten, nur drei mit „gut“. Wer regt sich da noch auf! Same procedure as every year. Nicht ganz. Dieses Mal halten die beiden Kammern von NRW dagegen. Gut so! Mit eigenen Testergebnissen, transparent und nachprüfbar. Mit Daten aus knapp 15.000 Tests der letzten zehn Jahre. Und diese Tests kommen zu einem anderen Ergebnis: Zwei von drei bieten eine gute bzw. sehr gute Beratung. Ok, mein liebes Tagebuch, auch da ist noch ein bisschen Luft nach oben, aber die „populistischen Schnellschüsse“ (O-Ton Kammerpräsident Engelen) der Sender bringen’s ja nun wirklich nicht mehr.

„Pille danach“ im Versandhandel, na klar! Meint jedenfalls der Verband der Europäischen Versandapos. Während sich Politik, Ärzte und Apotheker um die richtige Doku und Aufklärung zur Pille danach in Apotheken streiten, sehen die Versandhändler bei der „Pille danach“ keinen besonderen Beratungsbedarf, schon gar keinen persönlichen. Beigelegte Zettel mit Infos reichten doch aus. Tja, liebe Politik, die Geister, die ich rief… OTC-Versandhandel ist Selbstbedienung bei Arzneimitteln – das muss man so sehen. Und das junge Mädchen könnte sich schon bald prophylaktisch die „Pille danach“ ordern, diskret und ohne in der Apotheke ausgefragt, belehrt und dokumentiert zu werden.

22. Januar 2015

Der Vize des Hessischen Apothekerverbands, Haru Diefenbach, und 18 weitere Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Republik reden Klartext mit unserem ABDA-Präsidenten Schmidt. In einem Brief machen sie deutlich, dass sie von der ABDA-Führung enttäuscht sind. Sie hatten gehofft, dass Schmidt den Apothekerberuf als für die Gesellschaft unentbehrlich darstelle und dass es ihm gelänge, die wirtschaftliche Fortentwicklung der öffentlichen Apotheke zu sichern. Außerdem: Der Nachwuchs wandere ab, man erwarte eine Klärung von der ABDA, ob es Apotheken erster und zweiter Klasse gebe (Stichwort Rezepturherstellung), und die ABDA-Öffentlichkeitsarbeit sei zu passiv. Dazu komme eine lange Liste von Problemen, von Kassen-Schikanen bis Lieferengpässen. Und das Misstrauen in die Führungsspitze sei groß. Nach Meinung von Diefenbach und Co. könne der Unmut in der Kollegenschaft dazu führen, „diese ABDA aufzulösen und anderen Organisationsformen zu folgen“. Mein liebes Tagebuch, ist das nun die Unzufriedenheit einiger weniger oder eine weiter verbreitete Unruhe unter Apothekerinnen und Apotheker? Fakt ist, die angesprochenen Probleme, Fragen und berufspolitischen Befindlichkeitsstörungen stehen seit Langem im Raum – aber Äußerungen und Stellungnahmen dazu seitens der ABDA? Spärlich bis Fehlanzeige. Es wäre schon viel geholfen, wenn die Kommunikationsfreudigkeit im Berliner Apothekerhaus größer wäre – nicht nur innerhalb der eigenen Reihen – und auch mal Äußerungen, Statements, Meinungen in Richtung gesamter Berufsöffentlichkeit abgesetzt würden. Warum kommt aus Berlin – zumindest gefühlt – so wenig über? Mein liebes Tagebuch, ob wir das in Zukunft alles „ehrenamtlich“ stemmen können? Vielleicht sollten wir mal über mehr Professionalität für die Zukunft nachdenken.

Die Bundesärztekammer möchte, dass in die Packungsbeilagen der OTC-Pille-danach die Empfehlung aufgenommen wird, frau möge sich doch umfassend von einem Arzt über die Indikation, Neben- und Wechselwirkungen, zur Sexualität etc. beraten lassen. Was kann der Arzt anderes beraten als der Apotheker? Wenn man die Ärzte zu diesem Thema hört, könnte man meinen, die Freigabe von hochgefährlichen Betäubungsmitteln steht bevor. Liebe Ärzte, keep calm and carry on, keine Angst, ist nur ’ne kleine Pille, die Apothekers machen das schon – wie ihre Kolleginnen und Kollegen in den meisten europäischen Ländern schon seit Langem.

Der neue Käpt’n beim Hessischen Apothekerverband (HAV) heißt Detlef Weidemann. Glückwunsch! Er möchte den HAV zu einem „Mitmach-Verband“ entwickeln. Gut so. Und er hat ’ne nette Agenda mitgebracht: bessere Honorierung, weniger Bürokratie, Lösungen für die Probleme zwischen Apothekern, Ärzten und Krankenkassen und eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit mit Präsenz in den sozialen Netzwerken. Wir freuen uns auf die Taten, mein liebes Tagebuch.

23. Januar 2015

Da sind sich die deutschsprachigen Apothekerspitzen einig: Das Medikationsmanagement (MM) muss unter Apothekerführung ausgebaut und die Leistungen müssen honoriert werden. Das Trio aus Andreas Kiefer von der Bundesapothekerkammer, Max Wellan von der Österreichischen Apothekerkammer und Dominique Jordan vom Schweizerischen Apothekerverband PharmaSuisse sprach sich dafür auf dem Fortbildungskongress in Schladming aus. Mein liebes Tagebuch, klingt gut, aber wir sind gespannt, was von dieser Forderung übrig bleibt, wenn sie zu Hause ihre Skistiefel ausziehen. Wenn man mitbekommt, wie Ärzte bereits mit laufenden Projekten ins AMTS- und MM-Feld drängen...

Na, da braut sich was zusammen: Die Wettbewerbszentrale hat Klage gegen den Großhandel AEP angekündigt, um die Konditionen-Frage klären zu lassen, wie viel Skonto denn rechtens ist. Und der Deutsche Apothekerverband begrüßt die gerichtliche Skonti-Klärung. Mein liebes Tagebuch, was steht am Ende? Ein Höchst-Skontosatz von 1,5 oder 1 Prozent? Oder kein Skonto mehr? Oder mündet alles in einen Systemabsturz?

Ist schon gruselig, was GKV-Stackelberg da zum Jahresanfang mit seinem GKV-Positionspapier rauslässt: Fremd- und Mehrbesitzverbot aufheben, mehr Versandhandel, Filialapotheken mit PTA statt Apotheker. Und das verkauft er auch noch unter der Überschrift „Modernisierungsschub“. Was bitte, mein liebes Tagebuch, ist an diesen Vorschlägen modern? Mit diesen ollen Kamellen, die der GKV-Spitzenverbands-Vize da als „vernünftige Forderungen“ vorschlägt, wird für die Versicherten nichts besser und nichts billiger. Ein Blick in Länder mit Ketten, mit mehr Versand und lockereren Strukturen zeigt, dass die Sicherheit leidet, aber günstiger wurde es nicht. Und damit sich die Apothekers mal keine Hoffnungen machen: Ihre Honorarforderungen können sie sich abschminken, wenn überhaupt, dann nur bei nachgewiesenem gestiegenem Aufwand und gestiegenen Kosten. Und noch eins drauf: Fürs Medikationsmanagement könnte es theoretisch was geben, allerdings nicht, wenn der Arzt diese Leistung schon bei der Verordnung erbracht hat. Na, mein liebes Tagebuch, sag ich’s doch: Da pfuschen uns die Ärzte ins Handwerk und wir schauen in die Röhre.

Stackelbergs Gruselpapier war sogar der ABDA zu viel, die sich, man staune, umgehend zu Wort meldete und der GKV offenbar die rote Karte zeigen wollte. Worte von ABDA-Präsident Schmidt in Richtung Stackelberg: „Sie stellen damit ohne Not den gesellschaftlichen Konsens infrage, dass unsere Gesundheitsversorgung qualitativ hochwertig, wohnortnah und in der kooperativen Verantwortung der Selbstverwaltungsakteure organisiert werden soll.“ Und weiter: „Die Apothekerschaft hat bisher immer einen kooperativen Ansatz im Umgang mit den Krankenkassen gesucht. Angesichts der fortgesetzten Angriffe auf unsere Versorgungsstrukturen müssen wir uns jetzt aber fragen, ob dies auch in Zukunft so bleiben kann.“ Na ja, klingt eher nach gelber Karte. Ob da die Kassen zittern?


Peter Ditzel


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