Gemeinsamer Senat

Rx-Boni-Verbot: Im Einklang mit dem Europarecht

Karlsruhe - 11.02.2013, 14:36 Uhr


Die obersten Richter der Republik haben sich Zeit gelassen. Bereits am 22. August 2012 hatte der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes seine Entscheidung getroffen: Auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die Versandapotheken mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat an Endverbraucher in Deutschland abgeben, gelten die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis. Erst jetzt liegen die Gründe des Beschlusses vor.

Im vorliegenden Fall ging es um das Boni-System der niederländischen Europa Apotheek Venlo (EAV). Sie warb gegenüber deutschen Kunden für GKV-Rezepte mit einem Bonus von 3 Prozent des Warenwertes – mindestens 2,50 Euro und höchstens 15 Euro pro verordneter Packung. Gemeinsam mit einer Reihe anderer Verfahren, die sich mit der Boni-Gewährung bei der Rezepteinlösung befassten, landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof. Im September 2010 fällte dort der I. Zivilsenat seine Urteile zu  Bonuskonzepten deutscher Apotheken. Der Fall der EAV blieb offen. Sollte die niederländische Apotheke so behandelt werden wie deutsche, die sich an das hiesige Arzneimittelpreisrecht halten müssen und daher bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln nur sehr begrenzt Boni gewähren dürfen? Oder ist sie als holländische Apotheke gerade nicht an die deutschen Vorschriften des Arzneimittelpreisrechts gebunden und daher frei, Boni nach Belieben zu versprechen?

Da der Bundesgerichtshof in dieser entscheidungserheblichen Frage von der Rechtsprechung eines anderen obersten Gerichtshofs – des Bundessozialgerichts – abweichen wollte, musste der Gemeinsame Senat angerufen werden. Und dieser gab den Lobbyisten der europäischen Versandapotheken bereits letzten August einen Korb. Nun legt er in seinem 20-seitigen Beschluss dar, warum die Europa Apotheek sich dem deutschen Preisrecht zu unterwerfen hat – und das nicht erst seit der im Herbst erfolgten gesetzlichen Klarstellung durch den deutschen Gesetzgeber. Dabei konzentriert sich das höchste Richtergremium auf drei rechtliche Gesichtspunkte:

• Die Anwendbarkeit deutschen Rechts,

• die Anwendbarkeit der Preisbindung nach dem Arzneimittelgesetz und der Arzneimittelpreisverordnung im vorliegenden konkreten Fall und

• die Vereinbarkeit der arzneimittelrechtlichen Preisregelungen mit dem europäischen Unionsrecht.

Die Anwendbarkeit deutschen Rechts steht für die Richter außer Frage. Schließlich geht es um Arzneimittel, die in Deutschland angeboten werden. Auch der Internetauftritt der Beklagten ist in deutscher Sprache gehalten und die Arzneimittel sind deutsch gekennzeichnet. Sodann wird dezidiert dargelegt, warum die Vorschriften, die hierzulande den einheitlichen Apothekenabgabepreis bestimmen, auch vorliegend anzuwenden sind. Sofern die Abgabe im Inland erfolge – gleich, ob in einer inländischen öffentlichen Apotheke oder im Versand durch eine inländische oder EU-ausländische Apotheke – gelte ein einheitlicher Abgabepreis. Hierfür sprächen Zweck und Systematik der gesetzlichen Vorschriften; auch ihre Entstehungsgeschichte stehe dem nicht entgegen.

Vor allem aber stellt der Gemeinsame Senat fest, dass die Anwendung des deutschen Arzneimittelpreisrechts auf die holländische Apotheke mit dem Europarecht im Einklang steht. Gerade dies war von den Verfechtern der Holland-Boni immer wieder infrage gestellt worden. Der Europäische Versandapothekenverband EAMSP hatte bereits angekündigt, gegen die neue gesetzliche Bestimmung im Arzneimittelgesetz zu klagen, weil er sie für europarechtswidrig hält. Doch der Gemeinsame Senat sieht keinen Widerspruch zum europäischen Recht. Insbesondere liege kein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit vor. Überdies: eine Regelung, wie sie nunmehr vom Gesetzgeber geschaffen wurde, sei auch zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung nach EU-Recht gerechtfertigt.

Rechtsanwalt Morton Douglas, der die Klägerin in dem Verfahren vertrat, ist überzeugt: Diese Entscheidungsgründe lassen in ihrer Klarheit „keinen Raum“ für mögliche weitere Verfahren. Wie der EAMSP reagieren wird, bleibt abzuwarten.

Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012, Az.: GmS-OGB 1/10


Kirsten Sucker-Sket


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