Celesio Hauptversammlung

Pinger: Oesterle-Strategie gescheitert – Aktionär muckt auf

Stuttgart - 16.05.2012, 13:22 Uhr


Nur 422 Aktionäre haben im Regen den Weg in die Stuttgarter Porsche Arena zur Hauptversammlung der Celesio AG gefunden, um den neuen Vorstandschef Markus Pinger zu besichtigen. Im vergangenen Jahr, beim spektakulären Rauswurf von Vorgänger Fritz Oesterle, verfolgten noch fast doppelt so viele Anteilseigner den Show-down. Sinkender Aktienkurs und sinkende Dividende sind für Aktionäre nicht sexy, da bleiben sie lieber zu Hause.

In der für den spärlichen Besuch überdimensionierten Porsche Arena nutzte der neue Vorstandschef Markus Pinger seinen ersten Auftritt vor den Aktionären zunächst für eine schonungslose Abrechnung mit der Ära Oesterle. Der neue Celesio-Vorstand habe das Ruder herumreißen müssen, denn angesichts der Ergebnis- und Wertentwicklung der vergangenen Jahre sei „die Zukunft des Unternehmens gefährdet“ gewesen, so Pinger. Im Klartext: Die Fortsetzung von Oesterles Strategie hätte Celesio in den Ruin getrieben.

Seit 2007, so Pinger, geht es bei Celesio steil bergab. Nach Jahren des Wachstums mit durchschnittlichen Raten von knapp 14 Prozent habe sich „von 2007 bis 2011 das Ergebnis vor Steuern weit mehr als halbiert. Gleichzeitig wurden in diesem Zeitraum Firmenwerte in Höhe von annähernd 700 Millionen Euro abgeschrieben.“

Vor allem die von Oesterle eingeleiteten Investitionen in den Bereich Manufacturer Solutions mit den Tochterfirmen Movianto und Pharmexx hätten sich „zu keinem tragfähigen Standbein für Celesio entwickelt“, so Pinger und weiter: „Der Versuch, jenseits des angestammten Kerngeschäfts neue Gewinnquellen zu erschließen, führte nicht zum gewünschten Erfolg.“ Soll heißen: Oesterle ist gescheitert. Der Niedergang in Zahlen: Der Celesio Aktienkurs sank im Jahr 2011 von 21 auf unter 10 Euro. Celesios Börsenwert sank unter den Buchwert in der Bilanz. 2011 mussten 116 Millionen Euro abgeschrieben werden. Im letzten Jahr schrammte Celesio mit einem ausgewiesenen Gewinn von sechs Millionen Euro nur knapp an roten Zahlen vorbei.

Mit mäßigem Beifall quittieren die Aktionäre Pingers Versprechen für eine bessere Zukunft. Die Fokussierung auf das Kerngeschäft Großhandel, der Aufbau einer europaweiten Apothekenkooperation und der Ausbau der Celesio-Aktiviäten in internationalen Märkten wie Brasilien sollen mittelfristig die Ertragswende bringen. Im „Übergangsjahr“ 2012 soll Celesio stabilisiert werden, 2013 soll der Aufbau der Apothekenkooperation als Pilotprojekt starten, und ab 2014 soll der Wachstumskurs wieder Gewinne sprudeln lassen – ein langer Weg, der von den Aktionären noch viel Geduld erfordert. Vor allem, weil nicht ausgeschlossen ist, dass in diesem Jahr noch zusätzliche schlechte Nachrichten aus Stuttgart die Börsen erschrecken könnten: Weitere Abschreibungen auf Movianto, Pharmexx und DocMorris könnten folgen.

Pingers Ausführungen stellen nicht alle Aktionäre zufrieden: „Wann hat Celesio schon mal so eine schlechte Dividende (0,25 Euro/Aktie) gezahlt“, will Aktionär Mathias Gaebler wissen. Weitere unbequeme Fragen folgen. Was solle die „Schnapsidee“, den Firmensitz von Stuttgart nach Berlin zu verlegen? Ob es stimme, dass der Ehemann von Finanzvorstand Marion Helmes zufällig bei dem Berliner Immobilienunternehmen arbeite, das ein Gutachten für den Umzug anfertige, fragt Gaebler nach Interna. Gaebler: „Celesio muss hier bleiben. Das ist kein Verschiebebahnhof von Celesio.“ „Was hat ihr CLS AMG 63 Mercedes-Dienstwagen eigentlich gekostet“, will Gaebler von Pinger persönlich wissen, und: „Stimmt es, dass Finanzvorstand Marion Helmes einen Porsche Panamera bestellt hat?“ Für Gaebler passen protzige Dienst-Pkw und Sparmaßnahmen im Unternehmen nicht zusammen. „Und was ist bei der Bude DocMorris los, warum können die Rezepte nicht mehr beliefern?“ 

Emotionslos, cool liefert Manager Pinger die Antworten: „Wir wollen in Stuttgart bleiben.“ Zaghafter Beifall der Aktionäre. „Ich bedanke mich für Ihr großes Interesse an meinem Privatleben“, kontert Pinger. Die Wochenendflüge nach Hamburg habe er im ersten Halbjahr seiner Celesio-Zeit „natürlich“ selbst gezahlt. „Mein Frau hat keinen Job in Berlin, hat ihren Lehrerberuf in Hamburg aufgegeben und wohnt jetzt mit mir in Stuttgart,“ antwortet Pinger ohne jede Regung. Er fahre kein getuntes Sportmodell, sondern ein „Vorstand übliches Serienmodell“ aus dem Hause Mercedes, dessen Leasingrate sich im Rahmen der üblichen Vorstandsregelung befinde. Und DocMorris sei keine „Bude“, sondern ein „sehr vernünftiges Unternehmen“ mit Schwierigkeiten im Rahmen einer IT-Umstellung.

Jetzt ist Finanzvorstand Marion Helmes am Zuge: „Es stimmt nicht, dass ich einen Porsche Panamera bestellt habe.“ Sie fahre zurzeit einen Pkw aus dem Celesio-Fuhrpark und habe ebenfalls einen Mercedes bestellt. Und nein, es stimme nicht, dass ihr Mann bei der Deutschen Annington arbeite.

Irgendwie wirken die Aktionäre jetzt erschöpft und unkonzentriert, als es dann um die Frage eines Bustransfers vom Bahnhof zur Porsche Arena geht – eine Anregung, die seit mehreren Jahren die Celesio-Hauptversammlung beschäftigt. Pinger verspricht eine Lösung. Auch so kann man Aktionäre irgendwie beruhigen.  



Lothar Klein