Krebstherapie

Fatiguesyndrom zielgerichtet behandeln

Leipzig - 13.11.2011, 10:00 Uhr


Etwa ein Drittel der Krebspatienten fühlt sich in Folge von Erkrankung und Therapie erschöpft, schwach und abgeschlagen. Unmittelbar nach einem Krankenhausaufenthalt sind sogar 40 Prozent von dieser „Fatigue“ genannten Begleitsymptomatik betroffen.

Die Fatigue bleibt häufig jedoch unbemerkt, wie Leipziger Wissenschaftler jetzt feststellten. Um die Verbreitung von Fatigue bei Krebspatienten besser zu verstehen, hatten sie insgesamt fast 1.500 Patienten verschiedener Leipziger Kliniken mit 27 unterschiedlichen Krebserkrankungen befragt. Sie baten die Patienten bei Aufnahme auf die Station, am Entlassungstag und ein halbes Jahr nach dem Krankenhausaufenthalt mittels eines Selbsteinschätzungs-Fragebogens Angaben über psychische, körperliche, geistige und emotionale Anzeichen von Fatigue zu machen.

Der durchschnittlich zwei Wochen dauernde Krankenhausaufenthalt und die Therapie hinterließen bei den Patienten Spuren: Während bei der Aufnahme zur stationären Behandlung insgesamt 32 Prozent die typischen Anzeichen der Fatigue-Symptomatik zeigten, waren es am Tag der Entlassung 40 Prozent. Ein halbes Jahr später war die Quote der Betroffenen wieder auf 34 Prozent zurückgegangen.

In den meisten Therapieplänen findet die Thematik nur wenig Beachtung. Zudem stellten die Wissenschaftler fest, dass besonders junge Patienten durch die Fatigue beeinträchtigt waren: In der Patientengruppe der unter 40–Jährigen zeigten am Tag der Klinikaufnahme über die Hälfte die typischen Anzeichen von chronischer Müdigkeit und Erschöpfung. Von den über 60-Jährigen war nur jeder fünfte Patient betroffen. Das Ergebnis könnte damit zusammenhängen, dass jüngere Patienten häufig aggressivere Chemo- oder Strahlentherapien bekommen als ältere. Möglich ist auch, dass die Jüngeren die Diskrepanz zwischen ihren bisherigen Energiereserven und der durch die Krankheit verminderten Kraft stärker wahrnehmen.

Eine Befragung im Rahmen der Krebstherapie könnte die Situation eventuell verbessern. Falls eine Blutarmut vorliegt, kommt als Behandlung zum Beispiel die Gabe roter Blutkörperchen als Transfusion in Frage. Auch körperliche Bewegung, etwa häufiges Spazierengehen oder fachkundig angeleitetes Training in Sportgruppen, können sich positiv auswirken. Hat die Fatigue vor allem eine psychosoziale Komponente, sind Gespräche mit einem Psychoonkologen empfehlenswert.

Literatur: Singer, S. et al.: Br. J. Canc. 2011;105: 445-451.


Dr. Bettina Hellwig