TK-Daten zur Diagnose ADHS

Zahl der Methylphenidat-Verordnungen steigt

Berlin - 09.05.2011, 15:41 Uhr


Immer mehr Kinder bekommen Medikamente gegen das Zappelphilippsyndrom AD(H)S. Daten der Techniker Krankenkasse zeigen: Im Jahr 2009 haben rund 27 von 1.000 TK-versicherten Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren Ritalin (Methylphenidat) verordnet bekommen. Im Jahr 2006 waren es noch 20 von 1.000.

Auch die durchschnittlich verschriebene Menge erhöhte sich: 2006 waren es noch 195 Tagesdosierungen Methylphenidat pro Patient zwischen sechs und 18 Jahren, 2009 bereits 213 – ein Anstieg von über neun Prozent.

Auch aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kommen Zahlen, die den Trend bestätigen: Danach ist von 2006 bis 2009 die Menge des Wirkstoffs, die an die Apotheken ausgeliefert wurde, um 42 Prozent auf 1.735 Kilogramm gestiegen. Das entspreche dem Gewicht eines kleinen Geländewagens, verdeutlicht die TK. 2006 waren es noch 1.221 Kilogramm.

Doch nicht jedes lebhafte oder auffällige Kind hat tatsächlich das Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-) Syndrom (AD(H)S) und benötigt Tabletten. „Man muss mit der Diagnose und der Behandlung mit Medikamenten wie Ritalin sehr vorsichtig sein", betont Dr. Edda Würdemann, Apothekerin bei der TK . „Ein speziell ausgebildeter Arzt sollte mit Eltern, Lehrern und anderen Betreuungspersonen klären, ob die Symptome der kleinen Patienten nicht doch andere Ursachen haben. Nur mit einer ausführlichen Diagnostik kann man eine geeignete Therapie finden und vermeiden, dass Methylphenidat voreilig verschrieben wird.“ Wohl gebe es Fälle, in denen Präparate mit Methylphenidat das Mittel der Wahl seien, um eine begleitende  Verhaltens- oder Psychotherapie überhaupt erst möglich zu machen. Ritalin könne aber eine ganzheitliche Therapie nicht ersetzen, so Würdemann.

Zudem sind die Langzeitfolgen von Ritalin und Co. noch nicht erforscht und die Nebenwirkungen sehr umstritten. So kann Methylphenidat bei falscher Dosierung Angstzustände oder Appetitlosigkeit auslösen. Es gibt auch Studien, die Auswirkungen auf das Wachstum der Kinder aufzeigen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Ende letzten Jahres in seinen Arzneimittelrichtlinien festgelegt, dass Ärzte Medikamente wie Ritalin nur noch nach sehr strengen Maßstäben verschreiben dürfen. Laut G-BA muss die Diagnose AD(H)S noch umfassender als bisher gestellt werden und darf nur noch von Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgen. Außerdem muss der Arzt die Therapie regelmäßig unterbrechen, um die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Kinder beurteilen zu können.


Kirsten Sucker-Sket