Infektiologie

Mehr als nur ein Hautausschlag

Masern können zu ernsten Komplikationen führen

Während bei Corona noch diskutiert wird, gibt es bei Masern schon eine Impfpflicht. Zu Recht, denn bei Masern handelt es sich um eine hochansteckende Erkrankung, die schwerwiegende Folgen haben kann. Welche Symptome treten auf? Wer ist besonders betroffen? Und wer muss sich impfen lassen?

Beim Erreger der Masern handelt es sich um ein humanpathogenes, einzelsträngiges RNA-Virus aus der Gattung der Morbilliviren und Familie der Paramyxoviren. Masernviren sind empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen, wie z. B. Temperatur, UV-Strahlen oder Desinfektionsmitteln. Antigenisch sind sie hingegen stabil und bilden nur einen Serotyp. Das Virus ist mit mehreren Viren verwandt, die Tiere infizieren, darunter das Hundestaupe-Virus. Der Mensch ist jedoch das einzige Reservoir für das Masernvirus. Da das gesamte Maserngenom sequenziert wurde, ist die Identifizierung verschiedener Wildvirus-Linien mit unterschiedlicher geografischer Verteilung möglich. Somit kann die Quelle eines Ausbruchs nachverfolgt werden [1, 2].

Geschichte der Masern

Bereits im 9. Jahrhundert veröffentlichte ein persischer Arzt einen der ersten schriftlichen Berichte über die Masernerkrankung. Im Jahr 1757 zeigt der schottische Arzt Francis Home, dass Masern durch einen Infektionserreger im Blut verursacht werden. Nach Einführung einer Meldepflicht in den Vereinigten Staaten im Jahr 1912 wurden dort jährlich ca. 6000 masernbedingte Todesfälle gemeldet. Vor Einführung der Masernimpfung in den 1960er Jahren traten Masernepidemien alle zwei bis drei Jahre auf, jährlich starben weltweit ca. zwei bis drei Millionen Menschen an Masern. Im Jahr 1954 sammelten John F. Enders und Dr. Thomas C. Peebles während eines Masernausbruchs in Boston, Massachusetts, Blutproben von mehreren kranken Kindern. Sie wollten das Masernvirus im Blut der Schüler isolieren und einen Masern­impfstoff entwickeln. Es gelang ihnen schließlich Masern im Blut des 13-jährigen David Edmonston zu isolieren.

1963 verwandelten John Enders und Kollegen ihren Edmonston-B-Stamm des Masernvirus in einen Impfstoff und lizenzierten ihn in den Vereinigten Staaten. In den späteren 1960er Jahren erfolgte die Zulassung in weiteren Ländern. Später wurden weitere Impfstämme entwickelt wie z. B. Edmonston/Enders. Obwohl eine sichere und wirksame Impfung vorhanden ist, starben 2018 mehr als 140.000 Menschen an Masern vor allem Kinder bis fünf Jahre. In Deutschland wurde nach Einführung der Meldepflicht 2001 zunächst ein stetiges Sinken der Zahl an Masernfällen verzeichnet, seit ca. 15 Jahren stagniert das Niveau jedoch. Immer wieder sind regionale oder bundesweite Ausbrüche zu verzeichnen. Zunehmend betroffen sind Personen über 15 Jahre, die mittlerweile über 50% aller Masernfälle ausmachen [1, 3].

Fotos: Science Photo Library/Dr. P. Marazzi

Charakteristisch für Masern sind die weißen Koplik-Flecken an der Mundschleimhaut (links) sowie das Exanthem am ganzen Körper.

Extrem ansteckend

Masern sind extrem leicht übertragbar, so dass davon auszugehen ist, dass eine infektiöse Person ca. 90% der nicht-immunen Kontaktpersonen infiziert. Die Reproduktionszahl liegt mathematischen Modellen zu Folge bei 12 bis 18. Das bedeutet, dass durch eine einzelne Infektion in einer anfälligen Population durchschnittlich 12 bis 18 Sekundärinfektionen erfolgen. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch durch Tröpfchen, die beim Husten und Niesen freigesetzt werden. Diese virushaltigen Tröpfchen können mehrere Stunden in der Luft verbleiben, sodass ein direkter Kontakt zur infizierten Person für eine Ansteckung nicht erforderlich ist. Das Virus bleibt auf kontaminierten Oberflächen bis zu zwei Stunden infektiös. Infizierte Personen sind bereits ca. fünf Tage vor dem Auftreten des Hautausschlags bis zu vier Tage danach ansteckend. Das Virus dringt durch das respiratorische Epithel in den Körper ein. Zwei bis drei Tage nach Exposition besteht eine primäre Virämie nicht nur an der Eindringstelle, sondern auch in entferntem retikuloendothelialem Gewebe. An Tag 5 bis 7 kommt es schließlich zur sekundären Virämie, betroffen sind Haut, Bindehaut, Atemwege und innere Organe.

Ein erhöhtes Masernrisiko haben Säuglinge, die aufgrund des Alters noch nicht geimpft werden können, Personen mit einem Primärversagen der Impfung, sowie Leute, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht geimpft sind [2].

Masernimpfpflicht

Am 1. März 2020 ist das Masernschutzgesetz in Kraft getreten. Ziel ist es, Schul- und Kindergartenkinder wirksam vor Masern zu schützen. Dazu müssen zum einen alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bei Eintritt in Kindergarten, Schule, Hort oder ähnlichem gegen Masern geimpft sein. Zum anderen gilt die Impfpflicht aber auch für alle nach dem 31. Dezember 1970 geborenen Personen, die dort tätig sind, z. B. Lehrer, Erzieher, Tagespflegepersonen, Hausmeister, Reinigungspersonal, Küchenpersonal usw. Gleiches gilt für Beschäftigte in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Kinderheime, Asylbewerberheime) und medizinischen Einrichtungen sowie Asylbewerber und Flüchtlinge, die in eine Gemeinschaftsunterkunft aufgenommen werden [9].

Für alle Personen, die bereits vor dem 1. März 2020 in der entsprechenden Einrichtung tätig bzw. betreut waren, gilt eine Übergangsfrist zum Nachweis der Impfung. Diese endete am 31. Dezember 2021 [9] und wurde noch einmal verlängert bis zum 31. Juli 2022 (§ 20 Abs. 10 Infektionsschutzgesetz [IfSG]).

Symptome

Nach einer Inkubationszeit von meist 10 bis 14 Tagen (7 bis 21 Tage möglich) beginnt das sogenannte katarrhalische Stadium. Gekennzeichnet ist dies durch Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen und Husten. Darüber treten winzige weiße Flecken auf der Mundschleimhaut auf, die sogenannten Koplik-Flecken (s. Abb.). Zwei bis vier Tage nach Auftreten der Symptome entsteht das charakteristische Masern­exanthem aus flachen roten Flecken, auf denen kleine Beulen auftreten können. Beginnend am Gesicht und hinter den Ohren breitet es sich auf den Rest des Körpers aus und bleibt vier bis sieben Tage bestehen. An Tag 5 bis 7 kommt es zum Temperaturabfall [1].

Im Anschluss an eine Maserninfek­tion besteht eine erhöhte Anfälligkeit für Folgeinfektionen, da das Masern­virus zu einer vorübergehenden Immunschwäche führt. Diese kann von einigen Monaten bis hin zu Jahren andauern. Häufig kommt es zum Auftreten von bakteriellen Superinfektionen, wie Mittelohrentzündung, Bronchitis, Pneumonie oder Diarrhö. Bei ca. 1 Promille der Fälle tritt eine Enzephalitis auf, die mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma einhergeht und bei 10 bis 20% der Patienten zum Tod führt. Bei 20 bis 30% bleiben Schäden am ZNS.

Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist eine sehr seltene (ca. vier bis elf Fälle/100.000 Masern­erkrankungen), aber tödliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie entwickelt sich im Allgemeinen sieben bis zehn Jahre nach der Masern­erkrankung, obwohl die Person anscheinend vollständig von der Krankheit genesen ist. Besonders gefährdet sind Kinder, die im ersten Lebensjahr erkranken. Hier liegt die Häufigkeit bei ca. 170 Fällen/100.000 Masernerkrankungen.

Masern können in allen Altersgruppen schwerwiegend sein. Besonders häufig an Masernkomplikationen leiden jedoch Kinder unter fünf Jahren, Erwachsene über 20 Jahren, Schwangere sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem (z. B. durch HIV-Infektionen oder Leukämie). Nach der Masernerkrankung besteht lebenslange Immunität [1, 4].

Auf einen Blick

  • Bei Masern handelt es sich um eine Viruserkrankung.
  • Masern sind extrem ansteckend.
  • Als Symptome treten Exanthem, Fieber, Schnupfen, Husten und Konjunktivitis auf.
  • Das Masernvirus schwächt das Immunsystem nachhaltig, Folge sind bakterielle Superinfektionen und Enzephalitis.
  • Es gibt keine spezifische antivirale Therapie.
  • Impfung mit Lebendimpfstoff gehört zur Standardimpfung der STIKO.

Diagnose

Da das klinische Bild der Masern leicht mit Röteln, Ringelröteln oder Scharlach verwechselt werden kann, sollte bei Masernverdacht eine Labordiagnostik erfolgen. Geeignet sind eine reverse Transkriptase-Poly­merase-Kettenreaktion (RT-PCR) aus Rachenabstrich oder Urin oder der Nachweis von Masernvirus spe­zifischen Antikörpern im Serum (anti-Masern-IgM) [1].

Therapie

Es besteht keine spezifische antivirale Therapie. Diese erfolgt somit symptomatisch einschließlich Flüssigkeits­zufuhr und Antipyretika. Bakterielle Superinfektionen sind häufig und sollten mit Antibiotika behandelt werden, eine prophylaktische Behandlung ist jedoch nicht indiziert [1, 2].

Tab.: In Deutschland zugelassene Masernimpfstoffe (nach [8] und Fachinformationen)
Bezeichnung
Immunisierung gegen
Altersbeschränkung
MMR Vaxpro
Masern, Mumps, Röteln
ab zwölf Monaten (unter besonderen Umständen ab neun Monaten)
Priorix
Masern, Mumps, Röteln
ab zehn Monaten
Priorix-Tetra
Masern, Mumps, Röteln, Varizellen
ab zwölf Monaten (unter besonderen Umständen ab neun Monaten)
Proquad
Masern, Mumps, Röteln, Varizellen
ab zwölf Monaten (unter besonderen Umständen ab neun Monaten)

Impfung dringend empfohlen

Die WHO hat die Elimination der Masern beschlossen, definiert als die Abwesenheit einer endemischen Masernvirusübertragung in einem definierten geografischen Gebiet (z. B. Region oder Land) für mindestens zwölf Monate bei Vorhandensein eines nachweislich gut funktionierenden Überwachungssystems [5]. Diese Eradikation kann erreicht werden, da der Mensch der einzige Wirt ist, das Masernvirus antigenisch stabil ist und ein geeigneter Impfstoff vorhanden ist. Die Unterbrechung von Infektionsketten gelingt dann schnell, wenn ein Gemeinschaftsschutz durch eine mindestens 95%ige Immunität in der Bevölkerung erreicht ist. Diese wird am wirksamsten durch eine aktive Impfung erreicht. Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff mit abgeschwächten Masernviren, der in em­bryonalen Hühnerzellen gezüchtet wird [1]. Impfstoffe sind in Drei- bzw. Vierfach-Kombination mit Mumps und Röteln bzw. zusätzlich Windpocken erhältlich. (s. Tab.) Im Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) werden zwei Impfungen im Abstand von vier Monaten empfohlen, optimalerweise im Säuglingsalter von 11 und 15 Monaten (Standardimpfung) [6]. Bereits drei bis vier Wochen nach der ersten Impfung weisen 92% der geimpften eine Immunität auf, nach der zweiten Impfung beträgt die Wirksamkeit 98 bis 99%. Der Schutz hält vermutlich lebenslang an. Bei etwa 5% der Geimpften kommt es sieben bis zehn Tage nach Impfung zu den sogenannten Impfmasern mit Fieber und Exanthem. Diese sind nicht ansteckend und klingen nach ein bis drei Tagen ab. Kontraindiziert ist die Impfung in der Schwangerschaft, nach Impfung sollte eine Schwangerschaft für einen Monat vermieden werden. In der Stillzeit hingegen ist eine Impfung möglich [7]. |

Literatur

[1] Ratgeber Masern. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand 23. Juli 2021, www.rki.de

[2] Factsheet about measles. European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), www.ecdc.europa.eu/en/measles/facts

[3] Measles History. Centres for Disease Prevention and Control (CDC), www.cdc.gov/measles/about/history.html

[4] Measles Signs and Symptoms. Centres for Disease Prevention and Control (CDC), www.cdc.gov/measles/symptoms/signs-symptoms.html

[5] Measles elimination. Centres for Disease Prevention and Control (CDC), www.cdc.gov/measles/elimination.html

[6] Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI), Epidemiologisches Bulletin 2021;34:6

[7] Masernimpfung: Wirksamkeit, Sicherheit und Kontraindikationen. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand 4. Juni 2021, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/Masernimpfung/FAQ-Liste_Masernimpfung.html

[8] Masern-Impfstoffe. Informationen des Paul Ehrlich Instituts (PEI), www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/masern/masern-node.html;jsessionid=90C2E2C97AED0F56C73C5E4424BFD68E.intranet212, Abruf: 13. Dezember 2021

[9] Impfpflicht soll Kinder vor Masern schützen. Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht.html

Apothekerin Dr. Sabine Fischer

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