Arzneimittel und Therapie

Im Blick: die Masernimpfung

Wissenswertes rund um Erreger und Impfschutz

Geht es nach dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eingebrachten Entwurf des Masernschutzgesetzes, so müssen ab März 2020 Kinder und Mitarbeiter in Kitas, Schulen, Personal in medizinischen Einrichtungen, aber auch in Gemeinschaftseinrichtungen lebende und arbeitende Menschen gegen Masern geimpft sein. Wer sich weigert, dem droht ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro. Das Kabinett hat diesem Entwurf zugestimmt. Das hat der Diskussion um die Masernimpfpflicht neuen Auftrieb gegeben. Anlass für uns, noch einmal die wichtigsten Fakten rund um Erreger, Infektion und Impfung auf den Punkt zu bringen.

Erreger und Inkubationszeit. Der Erreger der Masern ist ein humanpathogenes RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviren; sein Reservoir sind infizierte und akut erkrankte Menschen. Die Infektion erfolgt durch Einatmen infektiöser Tröpfchen oder Kontakt mit infektiösen Sekreten. Das Masernvirus führt bereits bei kurzer Exposition zu einer Infektion und löst bei über 95% der ungeschützten Infizierten klinische Symptome aus. Die Inkubationszeit beträgt von der Exposition bis zum Auftreten des Exanthems ­gewöhnlich 13 – 14 Tage. Die Ansteckungsfähigkeit beginnt bereits 3 – 5 Tage vor Auftreten des Exanthems und hält bis 4 Tage nach Auftreten des Exanthems an.

Foto: Romolo Tavani – stock.adobe.com

Klinische Symptomatik. Die Erkrankung nimmt einen biphasischen Verlauf und beginnt mit Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen, Husten und einem Enanthem an der Mundschleimhaut (Koplik-Flecken). Das charakteristische makulopapulöse Masernexanthem entsteht am 3. – 7. Tag nach Auftreten der initialen Symptome. Es ­beginnt im Gesicht und hinter den ­Ohren und bleibt 4 – 7 Tage bestehen. Beim Abklingen ist oft eine kleieartige Schuppung zu beobachten. Am 5. – 7. Krankheitstag kommt es zum Temperaturabfall. Eine Masernerkrankung hinterlässt lebenslange Immunität.

Komplikationen. Die Masernvirusinfektion bedingt eine mindestens sechswöchige transitorische Immunschwäche mit der Folge einer erhöhten Empfänglichkeit für bakterielle Superinfektionen; am häufigsten treten ­Masern-assoziiert Otitis media, Bronchitis, Pneumonie und Diarrhöen auf. Mögliche schwerste Komplikationen sind eine akute postinfektiöse Enzephalitis oder subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Dies ist eine sehr seltene Spätkomplikation, die sich durchschnittlich 6 – 8 Jahre nach der Infektion manifestiert. Ihre Inzidenz liegt bei durchschnittlich 4 – 11 SSPE-Fällen pro 100.000 Masern­erkrankungen (20 – 60 SSPE-Fälle pro 100.000 Masernerkrankungen bei ­unter Fünfjährigen). Die Erkrankung beginnt mit psychischen und intellektuellen Veränderungen und verläuft mit neurologischen Störungen und Ausfällen bis hin zum Verlust zere­braler Funktionen. Die Prognose ist stets infaust.

Therapie der akuten Erkrankung. Bis heute ist keine wirksame antivirale und/oder supportive Therapie einer akuten Maserninfektion und der durch Masern verursachten Komplikationen bekannt. Erkrankte Personen sollten in der akuten Krankheitsphase Bettruhe einhalten. Die symptomatische Therapie ist abhängig von den Organmanifestationen. Neben fiebersenkenden Medikamenten und Hustenmitteln ist bei bakteriellen Superinfektionen, z. B. Otitis media und Pneumonie, eine antibiotische Therapie indiziert.

Prävention / Impfung. Die einzig mögliche Maßnahme ist das Vorbeugen der Maserninfektion durch eine Impfung. Die Schutzimpfung gegen Masern erfolgt gemäß den STIKO-Empfehlungen in Kombination mit der Impfung gegen Mumps, Röteln und teilweise gegen Varizellen (s. Tab.). Monoimpfstoffe sind nicht mehr verfügbar. Die Kombinationsimpfstoffe enthalten attenuierte Virusstämme, sind also Lebendimpfstoffe (s. Kasten Zugelassene Masernimpfstoffe). Die Impfung erzeugt sowohl eine humorale als auch zellulär vermittelte Immunität. Grundsätzlich wird von einer lebenslangen Immunität nach zweimaliger Impfung ausgegangen. Die durch die Impfung bewirkte IgM-Immunantwort ist nach etwa 2 – 3 Wochen nachweisbar. Die mittleren Antikörpertiter liegen niedriger als nach natürlicher Infektion. Die Effektivität einer Masern-Impfstoffdosis liegt im Durchschnitt bei 91%, nach einer zweimaligen Masernimpfung bei 92% – 99%. Etwa 5 – 15% der Impflinge zeigen besonders nach der ersten Impfung die sogenannten „Impfmasern“ mit mäßigem Fieber, leichtem Exanthem und respiratorischen Symptomen, meist in der zweiten Woche nach der Impfung. Die „Impfmasern“ sind nicht ansteckend und selbstlimitierend.

Tab.: STIKO-Empfehlungen zur Masernimpfung
Standardimpfung
Nach 1970 geborene Personen ≥ 18 Jahre mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit
Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff
Indikationsimpfung
Bei bevorstehender Aufnahme bzw. bei Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung (z. B. Kita):
  • Säuglinge ab dem Alter von 9 Monaten
Zweimalige Impfung mit einem MMR/V*-Impfstoff
Sofern die Erstimpfung im Alter von 9 – 10 Monaten erfolgt, soll die 2. MMR/V-Impfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahres gegeben werden.
Indikationsimpfung
Im Rahmen eines Ausbruchs:
  • nach 1970 Geborene ab dem Alter von 9 Monaten mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit
  • ausnahmsweise 6 – 8 Monate alte Säuglinge nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung (Off-Label-Use)
Einmalige MMR(V)**-Impfung, ggf. Vervollständigung entsprechend den für die Altersgruppe geltenden Empfehlungen
Sofern die Erstimpfung im Alter von 9 – 10 Monaten erfolgt, soll die 2. MMR/V*-Impfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahres gegeben werden.
Bei Erstimpfung im Alter von 6 – 8 Monaten sollen eine 2. und 3. MMR/V*-Impfung im Alter von 11 – 14 und 15 – 23 Monaten erfolgen.
Impfung aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos
Im Gesundheitsdienst oder bei der Betreuung von immundefizienten bzw. immunsupprimierten Personen oder in Gemeinschaftseinrichtungen Tätige: nach 1970 Geborene mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit
Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff

* MMR/V = MMRV oder MMR in Ko-Administration mit VZV-Impfstoff

** MMR(V) = MMR mit oder ohne Ko-Administration von VZV-Impfung

Kontraindikationen. Lebend attenuierte Impfstoffe wie Masern-Mumps-Röteln-Impfstoffe (MMR) sind in der Schwangerschaft aufgrund der potenziellen Gefahr der Übertragung des Impfvirus auf das ungeborene Kind in der Regel kontraindiziert. Nach einer Impfung mit einem Lebendimpfstoff sollte eine Schwangerschaft für einen Monat vermieden werden. Ebenfalls kontraindiziert ist die Impfung bei der Mehrzahl der Patienten mit primären Immundefekterkrankungen. HIV-exponierte Kinder sollten entsprechend den Empfehlungen der STIKO geimpft werden, falls keine schwere Immunsuppression vorliegt. Für Patienten mit schweren Autoimmunerkrankungen bzw. chronisch-entzündlichen Erkrankungen unter immunsuppressiver Therapie ist die MMR-Impfung kontraindiziert. Das Vorliegen einer Hühnereiweißallergie ist in der Regel keine Kontraindikation für eine Impfung, da der MMR-Impfstoff allenfalls kaum nachweisbare Spuren von Hühnereiweiß ohne allergisierende Potenz enthält.

Zugelassene Masernimpfstoffe*

M-M-RVaxpro®(MSD VACCINS, Lyon, Frankreich)

Priorix®(GlaxoSmithKline GmbH & Co KG)

Priorix-Tetra®(GlaxoSmithKline GmbH & Co KG)

ProQuad®(MSD VACCINS, Lyon, Frankreich)

* (Kombinationspräparate; ohne Parallelimporte)

Sicherheit der Impfung. Nach einer Masernimpfung treten häufig unerwünschte Wirkungen wie Fieber, Fieberkrämpfe, idiopathische Thrombozytopenie, Ausschlag, Impfmasern und Lokalreaktion auf; diese Nebenwirkungen sind aber meist passager. In einer aktuellen Zusammenstellung über mögliche Impfkomplikationen werden keine unbekannten oder besorgniserregenden Nebenwirkungen einer Masernimpfung aufgeführt. Hypothesen wie etwa Autismus nach MMR-Impfung oder eine Schwächung der Immunabwehr konnten widerlegt werden. Vor dem Hintergrund der schweren Komplikationen der Wildvirusinfektionen (u. a. Pneumonien, Enzephalitiden, subakute sklerosierende Panenzephalitis) ergibt sich keine Änderung der positiven Risiko-Nutzen-Bewertung der Masernimpfstoffe. |

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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