Pandemie Spezial

Ein Plädoyer für Masken im Unterricht

Prominente Vertreter der Gesellschaft für Virologie nehmen zu Präventionsmaßnahmen Stellung

du | Die Sommerferien sind in einigen Bundesländern schon zu Ende, der Schulunterricht wird wieder aufgenommen. Zum Schutz der Schüler und Lehrer sollen Masken getragen werden, aber wann und wo, darüber herrscht große Uneinigkeit. Nun meldet sich die Gesellschaft für Virologie mit einer Ad-hoc-Stellungnahme zu Wort, mit so prominenten Unterzeichnern wie Prof. Dr. Melanie Brinkmann und Prof. Dr. Christian Drosten.
Foto: Konstantin Yuganov – stock.adobe.com

Back to school, aber wirklich mit Maske? Viele prominente Virologen sprechen sich dafür aus, aber es gibt auch Kritik (s. S. 26).

Die Liste der Unterzeichner liest sich fast wie das Who is Who der deutschen Virologie. Sie reicht von Prof. Ralf Bartenschlager, Heidelberg, über Prof. Stephan Becker, Marburg, Prof. Melanie Brinkmann, Braunschweig, Prof. Jonas Schmidt-Chanasit, Hamburg, Prof. Sandra Ciesek, Frankfurt, Prof. Christian Drosten, Berlin, Prof. Marcus Panning, Freiburg, Prof. Stephanie Pfänder, Bochum bis hin zu Prof. John Ziebuhr, Gießen. Mit Prof. Isabella Eckerle, Genf, unterstützt auch eine Schweizer Virologin die ­Forderungen. Doch es fehlen auch ­prominente Vertreter der Zunft, so Prof. Hendrik Streek, der immer wieder vor der falschen Anwendung von Alltagsmasken gewarnt und mehr Risiken denn Nutzen gesehen hat.

Die Unterzeichner der Stellungnahme befürworten jede Maßnahme, die dem Zweck dient, die Schulen und Bildungseinrichtungen in der kommenden Wintersaison offen zu halten. Dabei müsse der Schulbetrieb jedoch an pragmatische Konzepte gekoppelt sein, die das Risiko der Infektionsausbreitung an Schulen eliminieren oder zumindest deutlich reduzieren können. Für eine wirksame Unterdrückung der Virusausbreitung in der Gesamtgesellschaft bleibe es auch weiterhin eine Grundvoraussetzung, die Viruszirkulation in den Schulen niedrig zu halten. Gleichzeitig sei eine effektive Kontrolle der Neuinfektionen in der Umgebung der Schule die beste Prävention, um die Eintragung des Virus in die Schulen zu verhindern.

Die Virologinnen und Virologen warnen vor der Vorstellung, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie und in der Übertragung spielen. „Solche Vorstellungen stehen nicht im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen.“

Übertragung durch Kinder nicht unterschätzen!

Infektionsraten bei Kindern und deren Rolle in der Pandemie seien bisher nur unvollständig durch wissenschaftliche Studien erfasst. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse würden die minimale Rolle von Kindern infrage stellen. Es wird betont, dass die Mehrheit der frühen Studien unter „Lockdown“-Bedingungen mit Schulschließungen oder in der Zeit der niedrigen Grund­inzidenz unmittelbar nach dem Lockdown in Deutschland durchgeführt worden seien. Sie haben für die Unterzeichner als Entscheidungsgrundlage nur einen eingeschränkten Aussagewert. Unter bestimmten Umständen könne es sein, dass Kinder einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Infektionen mit SARS-CoV-2 ausmachen.

Das Aerosol-Problem

Doch was ist nun zu tun? Für die Virologen ist eine der wichtigen neuen Erkenntnisse zu SARS-CoV-2, die bei der Schulöffnung bedacht werden müssen, die Möglichkeit der Virusübertragung über Aerosole in der Luft. Mit ihr ­müsse insbesondere in Innenräumen bei unzureichender Luftzirkulation ­gerechnet werden.

Um das Risiko zu verringern, empfehlen die Unterzeichner, die Klassengrößen abhängig von der Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren, räumliche Ressourcen auszuschöpfen und pragmatische Lösungen für einen verbesserten Luftaustausch in öffentlichen Gebäuden wie Schulen zu finden. Für die Umsetzung technischer Maßnahmen zur Sicherstellung eines ausreichenden Raumluftwechsels sei technische Fachexpertise dringend erforderlich.

Definierte Kleingruppen

Weiterhin sollten in Bezug auf den Klassenverband feste Kleingruppen inkl. Lehrpersonal definiert werden mit möglichst geringer Durchmischung der Gruppen im Schulalltag. Unterrichtseinheiten könnten möglichst breit per Kleingruppe über ­verschiedene Tageszeiten und Wochentage verteilt werden. Digitale ­Lösungen mit einem Mix aus Präsenzunterricht und Heimarbeitseinheiten könnten weitere Möglichkeiten bieten, räumliche Kapazitäten zu entlasten.

Sollte es gegen Jahresende zu einem kritischen Anstieg der Neuinfektionen mit regelmäßiger Beteiligung von Bildungseinrichtungen kommen, sollte eine Ausdehnung der Weihnachtsferien diskutiert werden, um die Zeiten mit höchster Infektionsaktivität zu verringern. Insbesondere eine Ausdehnung in das neue Jahr erscheint sinnvoll, vor allem auch, weil es über Weihnachten durch feiertagsbedingte Reisetätigkeit und Familienfeiern vermutlich zu einer weiteren Zunahme der Infektionsrisiken kommen kann.

Alltagsmasken auch im Unterricht

Die Deutsche Gesellschaft für Virologie betont, dass die Evidenz zur Schutzwirkung bei konsequentem und korrektem Einsatz von Alltagsmasken in der Zwischenzeit zugenommen habe und zitiert unter anderem eine im Lancet erschienene Metaanalyse [2], die die besondere Schutzwirkung von N95- und OP-Masken herausstellt. Im Hinblick auf die reale Gefahr der Übertragung zwischen Schülern, die zum Zeitpunkt der Infektiosität (noch) keine Krankheitssymptome haben, spricht sich aus alleiniger virologischer Sicht die virologische Gesellschaft daher für das konsequente Tragen von Alltagsmasken in allen Schuljahrgängen auch während des Unterrichts aus. Dies sollte begleitet werden durch eine altersgerechte Einführung der Kinder in die Notwendigkeit und den Umfang von Präventionsmaßnahmen. Selbstverständlich sollte eine konsequente Händehygiene beibehalten werden.

Testen, testen, testen

Die Gesellschaft für Virologie fordert, dass Schüler mit einer akuten Atemwegsinfektion auch bei milden Symptomen nach Möglichkeit getestet werden, da sie als Anzeiger von Übertragungsherden (Clustern) eine unverzichtbare Rolle in der Früherkennung von Schulausbrüchen spielen würden. Bis zum Testergebnis sollten sie dem Schulbetrieb fernbleiben. Auch für das Lehrpersonal sollte eine besonders niedrigschwellige Testung angeboten werden. Dabei sollte sowohl bei der Testung der Schüler als auch des Lehrpersonals der Befund innerhalb von 24 Stunden übermittelt werden. Da positiv getestete Schüler und Lehrer Indikatorfälle für Übertragungscluster sind, ziehen die Virologen eine generelle und sofortige Kurzzeitquarantäne in Betracht. Diese sei auch in den Empfehlungen des RKI vorgesehen, jedoch sei die Umsetzung in der Praxis oft durch den Wunsch nach einstweiliger diagnostischer Abklärung des Ausmaßes einer Clusterübertragung verzögert. Zur Prävention größerer Schulausbrüche sei aber eine sofortige, zumindest kurzzeitige Quarantäne des gesamten Sozialverbands erforderlich. Am Ende einer Kurzzeitquarantäne könnte eine „Freitestung“ der Mitglieder des Clusters erfolgen, das heißt eine weitere Quarantäne wäre dann nicht mehr nötig. |

Quelle

[1] Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie (GfV): SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien 6. August 2020 https://www.g-f-v.org/stellungnahmen_detail

[2] Chu KD et al. Physical distancing, face masks, and eye protection to prevent person-to-person transmission of SARS-CoV-2 and COVID-19: a systematic review and meta-analysis. The Lancet 2020; 395:1973

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