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Wie das BMWi das GSAV beeinflusste

Interne Ministeriumsvermerke zeigen, wie es zur jetzigen Importregelung kam

BERLIN (ks) | Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) liegen beim Thema Apotheken über Kreuz. Das wird aus internen Aktenvermerken und Vor­lagen des BMWi rund um das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) deutlich, die WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) mithilfe des Informationsfreiheits­gesetzes erlangt haben. Die internen Unterlagen offenbaren einige Konflikte zwischen den Häusern.
Foto: imago images / photothek
Peter Altmaier (links) und Jens Spahn vor Beginn einer Kabinettssitzung im Juni 2018.

Den Apothekern war es schon immer klar: Der im saarländischen Merzig ansässige Importeur Kohlpharma hat einen direkten Draht in die Politik. Speziell zu Peter Altmaier, dem CDU-Direktkandidaten des Wahlkreises Saarlouis, früheren Chef des Kanzleramts und jetzigen Bundeswirtschaftsminister. Wie sonst ist zu verstehen, dass an der viel kritisierten Import­förderung noch immer gesetzlich festgehalten wird? Das GSAV sah in seiner Entstehung einmal vor, die entsprechende Klausel ganz zu streichen. Nun ist aber eine differenzierte Form der Importregelung in Kraft getreten, die den Unternehmen wie Kohlpharma möglicherweise sogar noch höhere Umsätze beschert. Das Rechercheteam von WDR, NDR und SZ, insbesondere der Journalist Markus Grill, hat sich über so einiges im GSAV-Gesetzgebungsverfahren gewundert und letztlich das Informationsfreiheitsgesetz bemüht, um mehr herauszufinden. Grill wollte Einblick in Ministeriumsakten, bereits im Januar machte er die Ansprüche geltend – mit Erfolg.

Während sich das BMG von Anfang an sperrte und sich als „extrem restriktives und verschlossenes Ministerium“ erwies, wie Grill sagt, gab sich das BMWi offener. Allerdings zog sich auch hier die Korrespondenz, was das Haus nun herausgeben kann und was nicht, über Monate. Nachdem Grill sich bereit erklärt hatte, auch Beschränkungen zu akzeptieren, lehnte Altmaiers Haus den Antrag im April dann doch gänzlich ab. Es folgte ein Widerspruchsverfahren – und im August, nachdem das GSAV in Kraft getreten war, erhielt Grill umfangreiches Material. Diese internen Dokumente aus dem BMWi, die der Journalist am vergangenen Wochenende auf Twitter veröffentlicht hat, belegen: Der Verdacht in Sachen Importe ist keinesfalls aus der Luft gegriffen. Zwar wollte das BMWi einer Einschränkung der Förderklausel ursprünglich sogar zustimmen. Später sei aber ein „Leitungsvorbehalt“ eingefügt worden. Heißt konkret: Altmaier persönlich hat die Zustimmung streichen lassen. Die Dokumente zeigen, dass es danach persönliche Gespräche zwischen Altmaier und Spahn gab. Anfang Januar findet sich in den Akten ein deutlicher Vermerk: „Position BMWi: Minister-Vorbehalt (‚Kohl­pharma‘)“. Dokumentiert sind auch E-Mails von Kohlpharma an den Minister, in denen steht: „Wenn eine Änderung überhaupt Sinn macht, dann wäre es am besten, die Ergänzungen aus dem Rahmenvertrag nachzuvollziehen. Gerne würde ich darüber kurz mit Ihnen telefonieren.“ Auf dieses Modell einigen sich Spahn und Altmaier bekanntlich später. Doch aus den Vermerken geht noch mehr hervor – vor allem, dass das ­BMWi gar nicht einverstanden ist, wenn Spahn bei den Apothekenhonoraren mitmischt. So war im GSAV als Reaktion auf den Bottroper Zyto-Skandal zunächst auch eine neue Regelung zur Vergütung der Zyto-Apotheker geplant, unter anderem sollte es einen deutlich höheren Arbeitspreis in einer Höhe von 110 Euro geben. Preisverhandlungen sollten ausschließlich zwischen Kassen und Herstellern stattfinden. All diese im Referentenentwurf vorgesehenen Bestimmungen verschwanden. Offensichtlich auch, weil das BMWi intervenierte. Spahn habe keine Daten vorgelegt, die eine Erhöhung rechtfertigen, heißt es in den internen Vermerken. Es sei unklar, ob die Umstellung von Preisverhandlungen auf ein Fixhonorar überhaupt ein geeignetes Mittel ist, ­„um kriminelles Handeln von Apothekerinnen und Apothekern zu vermeiden“. Dann heißt es in Klammern: „Argumentation des BMG: ‚Gebt den Apothekern mehr Honorar/Geld, dann betrügen sie nicht‘ ist nicht vermittelbar.“ Und auch in weiteren Vermerken macht das BMWi-Fachreferat Gesundheitswirtschaft seinen Unmut deutlich – ­offenbar wollte Spahn seine weitergehenden Regelungen für Apotheken, insbesondere zu Honoraranpassungen, bereits im GSAV über Änderungsanträge unterbringen. „Es ist mit weiteren finanziellen Zuwendungen für die Apotheken zu rechnen, um die Zustimmung zum Erhalt des Versandhandels zu erreichen“, heißt es. Das BMWi wollte daher un­bedingt ein eigenes Gesetzgebungs­verfahren samt Kabinettsabstimmung erreichen – dies bekam es dann auch. Altmaiers Ministerium betont an verschiedenen Stellen, dass es selbst Verordnungsgeber für die Arzneimittelpreisverordnung ist – und in diese Verordnungskompetenz greife das BMG „immer wieder unabgestimmt“ ein. „Es ist zu befürchten, dass das BMG auch für andere Bereiche der Apothekenvergütung eine gesetzliche Regelung vorschlagen wird und damit die Zuständigkeit des BMWi für Arzneimittelpreise weiter untergräbt“, heißt es einer anderen Vorlage. Und weiter: Trotz mehrfacher Aufforderung zum Dialog gebe es keine Erkenntnisse, welche Strategie das BMG im Arzneimittelbereich verfolge. „BMG hält ggü. Ressorts Informationen zurück, steht aber in intensivem Kontakt mit Apothekerverbänden. Von Plänen des BMG erfährt BMWi i.d.R. aus der Fachpresse“. Kurzum: Das GSAV-Verfahren zeigt aus Sicht des BMWi, dass das BMG weder seine Zuständigkeit für die Arzneimittelpreisverordnung respektiere noch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung anstrebe. |

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