Arzneimittel und Therapie

Alleskönner ASS

Acetylsalicylsäure scheint auch vor Ovarial- und Leberkrebs zu schützen

Die tumorprotektive Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure (ASS) beschränkt sich möglicherweise nicht nur auf kolorektale Karzinome. Zwei aktuellen Studien zufolge könnte ASS auch das Risiko mindern, an einem hepatozellulären Karzinom oder an einem Ovarialmalignom zu erkranken.

In einer prospektiven US-amerikanischen Kohortenstudie zur Primärprävention von Leberkrebs wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen der Einnahme von ASS (unter Berücksichtigung der Anwendungsdauer und der Dosierung) und einem geringeren Risiko für das Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms untersucht. Die erforderlichen Daten wurden zwei großen Studien, der Nurses’ Health Study und der Health Professionals Follow-up Study, entnommen und basierten auf Angaben zu 133.371 Männern und Frauen. Während einer Beobachtungsphase von mehr als 26 Jahren waren 108 Probanden an einem hepatozellulären Karzinom erkrankt. Zwischen der Einnahme von ASS und dem Auftreten von Leberkrebs zeigte sich eine inverse Dosis-Wirkungsbeziehung, was bei epidemiologischen Studien als Indikator für einen kausalen Zusammenhang gesehen werden kann.

Geringeres Risiko fürhepatozelluläre Karzinome

Die regelmäßige Einnahme von ASS (mindestens zwei Standarddosen à 325 mg ASS pro Woche) war mit einem um 49% verminderten Risiko verbunden, an einem Lebertumor zu erkranken (Hazard Ratio [HR] 0,51; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,34 bis 0,77). Bei bis zu 1,5 Standarddosen pro Woche betrug die Risikoreduktion 13% (HR 0,87; 95%-KI 0,51 bis 1,48), bei mehr als fünf Standard­dosen 51% (HR 0,49; 95%-KI 0,28 bis 0,96). Die dosisabhängige tumor­protektive Wirkung stieg mit zunehmender Anwendungsdauer und zeigte sich ab einer fünfjährigen regelmäßigen Einnahme von ASS bei 1,5 oder mehr Standarddosen pro Woche. Die Einnahme anderer nichtsteroidaler Antiphlogistika (NSAID) hatte keinen Einfluss auf das Risiko, an einem hepatozellu­lären Karzinom zu erkranken.

ASS und EPA verringern die Anzahl von Darmpolypen bei Risikopatienten

Foto: Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com

Da sich aus Darmpolypen über einen längeren Zeitraum hinweg Karzinome entwickeln können, beginnt ein tumorpräventiver Ansatz bereits bei der Verhinderung kolorektaler Adenome (= Darmpolypen). Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn bei Vorsorgekoloskopien mehrere oder große Adenome gefunden wurden und die Betroffenen dadurch ein erhöhtes Darmkrebsrisiko aufweisen. In einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Studie wurde nun untersucht, ob sich durch die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) oder Eicosapentaensäure (EPA) das Auftreten neuer Adenome verhindern lässt. An der Studie nahmen über 700 Probanden teil, bei denen im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie entweder fünf oder mehr kleinere Adenome oder drei oder mehr größere Adenome gefunden wurden. Sie wurden vier Gruppen zugeteilt und erhielten entweder täglich 300 mg ASS, 2000 mg EPA, eine Kombination aus ASS und EPA oder ein Placebo. Nach zwölf Monaten wurde eine Nachsorgekoloskopie durchgeführt. Im Hinblick auf den primären Studienendpunkt, das war der Anteil der Patienten, bei denen neue Adenome auftraten, wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt. Es war dies bei 61 bis 63% der Probanden der Fall. Unterschiede gab es bei dem sekundären Endpunkt, der die Anzahl der bei der Nachuntersuchung pro Patient entdeckten Polypen ermittelte. ASS senkte die mittlere Anzahl der Polypen um 22%, EPA um 9%. Ferner zeigten sich Unterschiede beim Wiederauftreten spezieller Subtypen und der Lokalisation von Polypen. Auf lange Sicht könnte sich dies auch in einer Abnahme kolorektaler Karzinome niederschlagen.

[Quelle: Hull M et al. Eicosapentaenoic acid and aspirin, alone and in combination, for the prevention of colorectal adenomas (seAFOod Polyp Prevention trial): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, 2 × 2 factorial trial. Lancet 2018;392(10164):2583-2594]

Heterogenes Bild beim Ovarialkarzinom

Zur Ermittlung eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Häufigkeit eines Ovarialkarzinoms und der Einnahme von NSAID wurde auf die Daten der Nurses’ Health Study und der Nachfolgestudie Nurses’ Health Study II mit insgesamt 205.498 Frauen zurückgegriffen, die zwischen 1980 und 2015 beobachtet wurden. Bei 1054 Probandinnen hatte sich ein Ovarialkarzinom entwickelt. Eine erste Auswertung ergab, dass ASS-Anwenderinnen genauso häufig erkrankten wie Frauen, die keine ASS eingenommen hatten (HR 0,99; 95%-KI 0,83 bis 1,19). Erfolgte eine im Hinblick auf die ASS-Dosis differenzierte Datenanalyse, zeigte sich ein anderes Bild: Frauen, die regelmäßig eine niedrige Tagesdosis (≤ 100 mg) ein­genommen hatten, wiesen eine um 23% verminderte Erkrankungsrate (HR 0,77; 95%-KI 0,61 bis 0,96) auf. Hingegen erkrankten Frauen, die die Standarddosis von 325 mg pro Tag eingenommen hatten, tendenziell häufiger an einem Ovarialkarzinom (HR 1,17; 95%-KI 0,92 bis 1,49). Die Einnahme anderer NSAID (kein ASS) zeigte keinen protektiven Effekt und war mit einem um 19% erhöhten Risiko verbunden, an einem Ovarial­karzinom zu erkranken (HR 1,19; 95%-KI 1,00 bis 1,41). Das Risiko stieg mit der Dauer der Anwendung und der ein­genommenen Dosis.

Reif für die Primärprävention?

Ob derzeit eine Primärprävention eines Leber- oder Ovarialkarzinoms mithilfe einer langjährigen ASS-Einnahme zu befürworten ist, ist ungewiss und bis zur Klärung weiterer Fragen unwahrscheinlich. Zum einen muss die potenzielle Blutungsgefahr berücksichtigt werden und zum anderen ist der tumorprotektive Mechanismus noch nicht bekannt. Auch sind die Assoziationen zwischen der ASS-Einnahme und dem Tumorrisiko noch zu wenig aussagekräftig; dies gilt vor allem für das Ovarialkarzinom. |

Quelle

Simon T et al. Association Between Aspirin Use and Risk of Hepatocellular Carcinoma. JAMA Oncol 2018;4(12):1683-1690

Barnard M et al. Association of Analgesic Use With Risk of Ovarian Cancer in the Nurses’ Health Studies. JAMA Oncol 2018;4(12):1675-1682

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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