Aus den Ländern

Noch viel zu tun beim Lichtschutz

Symposium der Gesellschaft für Dermopharmazie

HAMBURG (tmb) | „Fakten und Trends“ zu topischen Lichtschutzmitteln waren das Thema eines Symposiums der Gesellschaft für Dermopharmazie am 17. November in Hamburg. Am Anfang stand die Frage, warum sich Menschen vor der Sonne schützen sollten, obwohl diese die Quelle allen Lebens ist. Dazu erklärte Prof. Dr. Thomas Diepgen, Heidelberg, dass Hautkrebs die häufigste Krebsart bei Menschen mit heller Hautfarbe ist. Hautkrebs mache etwa die Hälfte aller Krebsneuerkrankungen aus.

UV-Licht wirkt direkt durch die DNA-Schädigung und indirekt durch die Immunsuppression, insbesondere über T-Lymphozyten, kanzerogen, erklärte Diepgen. In den USA sei eine Korrelation zwischen der Sonnen­exposition und der Häufigkeit von Plattenepithel- und Basalzellkarzinomen in verschiedenen Regionen gefunden worden, jedoch kein Zusammenhang für maligne Melanome. In Deutschland gelten Plattenepithelkarzinome und multiple aktinische Keratosen durch natürliche UV-Strahlung seit 2015 als Berufskrankheit. Darum wird derzeit erarbeitet, welche arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen für welche im Freien tätigen Berufsgruppen künftig vorgeschrieben werden sollen.

Zu den positiven Effekten der Sonnenbestrahlung zählt dagegen die Vitamin-D-Synthese. Zwischen zu viel und zu wenig Sonne gebe es ein Optimum, ­erklärte Prof. Dr. Christian Surber, ­Basel, der wissenschaftliche Tagungsleiter des Symposiums. Das Risiko lasse sich also minimieren, aber nicht ganz vermeiden. Probleme seien das Freizeitverhalten und die Unsicherheit über die im Schatten wirksame Strahlung, denn auch im Schatten kann die UV-Strahlung beachtlich sein. Die Unterschiede zwischen Sonnenlicht und Simulator begrenzen die Aussagekraft des sun protection factors (SPF). Themen für neue Entwicklungen seien die erythemauslösende Wirkung verschiedener Spektralbereiche, aussagekräf­tige Messmethoden und die Optimierung des Schutzes. Dies betreffe auch das Blaulicht aus Smartphones.

Foto: DAZ/tmb
Diskussionsrunde mit (v. l.) Uli Osterwalder (DSM Nutritional Products Schweiz), Dr. Peter Hansen (Stada), Prof. Dr. Bernd Herzog (BASF), Dr. Joachim Kresken (GD-Vorsitzender), Prof. Dr. Dr.-Ing. Jürgen Lademann (Charité Berlin), Prof. Dr. Christian Surber (Universität Basel, wissenschaftlicher Tagungsleiter).

Präparate in der Praxis

Hohe Lichtschutzfaktoren zu erzielen, sei galenisch kein Problem mehr, konstatierte Prof. Dr. Rolf Daniels, Tübingen. Sonnenschutzmittel würden sich daher über den Zusatznutzen differenzieren. Wasserfestigkeit erreiche man in neuester Zeit über filmbildende Polymere, die hinsichtlich des Abriebs durch Textilien widerstandsfähiger als andere Konzepte sind. Umweltverträgliche Produkte könnten speziell in Deutschland zu einem Megatrend werden, erwartet Daniels. Produkte mit „leichtem“ Erscheinungsbild und guter Applizierbarkeit lassen hoffen, dass sie in ausreichender Menge angewendet und auf der Haut gut verteilt werden. Beides erweist sich in der Praxis oft als Hindernis für einen wirksamen Sonnenschutz.

Ergebnisse aus Studien zum Sonnenschutz im „echten Leben“ präsentierte Dr. Alexander Zink, München. Demnach wenden sogar unter stark sonnenexponierten Personengruppen wie Bergführern, Segelfliegern und Landwirten etwa die Hälfte niemals Sonnenschutzmittel an. Zink sieht daher großen Bedarf an zielgruppengerechten Informationen. Möglicherweise bieten wearable technologies künftig neue Ansätze.

Da die zur Bestimmung des SPF vorausgesetzte Dosis von 2 mg/cm2 Haut als praxisfremd gilt, stellt sich die Frage, wie sehr die Schutzwirkung bei geringeren Mengen abnimmt. Laut Stephan Bielfeldt, Schenefeld, ist ein linearer Effekt anzunehmen. Die halbe Menge bietet demnach den halben Schutz. Weitere Herausforderungen für Sonnenschutzmittel sieht er beim Abrieb, beim Schwitzen, beim Spreitverhalten und bei der Verträglichkeit am Auge.

Schattenseite des UV-Schutzes

Da chemische UV-Filter durch eine UV-abhängige Reaktion wirken, die zudem in der Nähe immunkompetenter Zellen der Haut stattfindet, liegt das Risiko einer Photosensibilisierung nahe, erläuterte Prof. Dr. Hans F. Merk, Aachen. Dabei werden Substanzen durch die Bindung an Proteine zu ­Allergenen. Dies sei beispielsweise für Octocrylen und Benzophenon beschrieben. Dagegen sieht Merk keine realistische Gefahr, dass UV-Filter als „endogene Disruptoren“ mit hormonartiger Wirkung wirken könnten. Diese in Studien gezeigten Effekte seien in Konzentrationen und bei Anwendungsdauern eingetreten, die weit über reale Nutzungsbedingungen ­hinausgehen. Dagegen werde die bleichende Wirkung auf Korallen erst untersucht. Es sei offen, ob diese generell auf der UV-Filterung oder auf einem ökotoxischen Effekt einzelner Filtersubstanzen beruht.

Foto: DAZ/tmb
Prof. Dr. Christian Surber und Dr. Joachim Kresken (v. l.).

Sonnenschutz und Vitamin D

Personen, die in Räumen beschäftigt sind, erhalten den größten Teil ihrer UV-Jahresexposition im Urlaub, insbesondere bei winterlichen Fernreisen, erklärte Peter Knuschke, Dresden. Er präsentierte Studien, nach denen sich die Senkung des Vitamin-D-Spiegels während des Winters kaum durch Urlaubsreisen oder Solariumbesuche, aber durch Vitamin-D-Substitution kompensieren lässt. Doch bleibt offen, ob jahreszeitliche Schwankungen des Vitamin-D-Spiegels für hellhäutige Menschen überhaupt problematisch oder vielleicht sogar günstig sind, zumal sich Vitamin-D-Mangelerscheinungen tendenziell langfristig ent­wickeln.

Prof. Dr. Bernd Herzog, BASF, Grenzach-Wyhlen, präsentierte ein Konzept, Sonnenschutzmittel für die Vitamin-D-Synthese zu optimieren. Es nutzt aus, dass ein breiter UV-Bereich für die Erythembildung verantwortlich ist, während die Vitamin-D-Synthese ein eng begrenztes Optimum bei knapp 300 nm Wellenlänge hat. Während noch vor zehn Jahren reiner UV-B-Schutz üblich war, ist heute das Verhältnis 3:1 zwischen UV-B- und UV-A-Filterung etabliert. Bei dem von Herzog vorgestellten Konzept wird das Verhältnis zugunsten des UV-A-Filters verschoben, im Extremfall bis 1:1. So soll die Zeit bis zur Synthese einer ­gewünschten Vitamin-D-Menge verkürzt ­werden.

In der Diskussion wurde kritisiert, dass dieses Konzept nur die Erythembildung als Schädigung berücksichtigt, nicht jedoch die DNA-Schäden oder andere biologische Effekte im UV-B-Bereich. Außerdem liegt das Optimum der Vitamin-D-Synthese in einem Spektralbereich, der auch zu besonders starker Erythembildung führt, sodass beide Effekte nur schwer zu trennen sind. Das Ziel, die Synthese einer bestimmten Vitamin-D-Menge sicherzustellen, würde zudem nahe­legen, dass die Anwender danach die Sonne meiden müssen. Dies widerspricht dem sonst üblichen Ziel eines langen Sonnenschutzes.

Breites Wirkspektrum: Schutz auch vor Licht und IR

Eine hinreichende Filterung auch im UV-A-Bereichs ist inzwischen Konsens, aber Prof. Dr. Dr.-Ing. Jürgen ­Lademann, Berlin, forderte zusätzlich den Schutz vor sichtbarem Licht und vor IR-Strahlung. Denn Leonhard Zastrow habe schon 2008 gezeigt, dass die Hautschädigung auf dem Überschreiten einer bestimmten Konzentration freier Radikale im Gewebe beruht. Ein großer Teil davon entstehe durch sichtbares Licht und IR-Strahlung. Da Filter für sichtbares Licht farbig sind und daher nicht akzeptiert würden, bieten sich dafür Pigmente und Antioxidanzien an. Letztere werden bisher zur Stabilisierung von UV-Filtern eingesetzt, könnten aber auch als Radikalfänger optimiert werden und damit vor Radikalen schützen, die aus sichtbarem Licht oder IR-Strahlen entstehen. Außerdem sollte die Definition des SPF so verändert werden, dass der Effekt für den Spektralbereich mit dem geringsten Schutz deklariert wird, forderte Lademann.

Als Alternativen zur bisherigen aufwendigen und invasiven Bestimmung des SPF präsentierte Prof. Dr. Martina Meinke, Berlin, eine (In-vitro-)Transmissionsmessung an rauen Platten und ein kombiniertes In-vitro-/In-­vivo-Verfahren, das die Reflexion bestimmt und schon nach 15 Minuten zu Ergebnissen führt. Möglicherweise könnten solche Verfahren künftig zu einer Selbstkontrolle weiterentwickelt werden, d. h. dass der Anwender prüfen kann, ob er nachcremen sollte.

Auch um die Hautalterung zu verlangsamen, ist ein breites Filterspektrum sinnvoll, erklärte Prof. Dr. Martina Kerscher, Hamburg. Darum werden UV-Filter auch in Tagescremes eingesetzt. Da diese meist nur dünn aufgetragen werden, werden die deklarierten Schutzfaktoren aber praktisch nicht erreicht. Es sei auch unklar, wie der Lichtschutz in Verbindung mit dekorativen Kosmetika angewendet und im Tagesverlauf erneuert werden soll. Außerdem sei die Verträglichkeit der Filter nicht unbedingt für die tägliche ganzjährige Anwendung geprüft.

In der Abschlussdiskussion, die vom GD-Vorsitzenden Dr. Joachim Kresken moderiert wurde, erklärte Uli Osterwalder, DSM Nutritional Products Schweiz, er sehe bei der Verträglichkeitsprüfung keinen Unterschied zwischen Tagespflege und Sonnenschutz. Auch er sieht Potenzial in umweltverträglichen Filtern, aber die Zulassung neuer Filter sei regulatorisch schwierig. Dr. Peter Hansen, Stada, betonte, die gute Handhabung und ein an­genehmes Gefühl auf der Haut seien entscheidend, um die vielen Menschen schützen zu können, die bisher gar keine Lichtschutzmittel anwenden. |

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