Management

Argumentationsverzicht im Kundengespräch

Wenn der Kunde im psychologischen Nebel steht

Es gibt Situationen im Beratungsgespräch, in denen der Kunde durch Argumente nur verschreckt wird. Der Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter sollte dann darauf verzichten, argumentativ vorzugehen. Doch welche Optionen stehen ihm zur Verfügung? Von Michael Madel

Ein Kunde betritt die Apotheke, er ist aufgebracht und aufgewühlt. Der Grund: Er hat wegen seines Hautausschlages soeben vom Arzt eine Diagnose erhalten, die ihn heftig beschäftigt. Die Emotionen kochen über, er steht im psychologischen Nebel, befindet sich in einer psychisch schwierigen und labilen Situation, in der er vor allem emotionale Unterstützung bräuchte.

Das Problem: All dies weiß sein Gegenüber (noch) nicht, er kennt ja weder die Hintergründe noch die ärztliche Diagnose. Der Kunde äußert lediglich, er wolle ein Rezept einlösen; zudem suche er nach einer Sonnencreme.

Wenn der Apothekenleiter – oder natürlich auch ein Mitarbeiter aus seinem Team – nun ohne böse Absicht die emotionale Verfassung des Kunden nicht erkennt, ihn somit im psychologischen Nebel stehen lässt, und ihm dann auch noch die Argumente für den Kauf einer bestimmten Sonnencreme darlegt, wird er keinen Zugang zu ihm finden. Im Gegenteil: Es droht die Gefahr, dass der Kunde unwirsch auf die Argumente reagiert, weil er sich in eben jenem emotional aufgewühlten Zustand befindet.

Der Begriff „Psychologischer Nebel“

Foto: Zacarias da Mata - stock.adobe.de

Der Begriff „psychologischer Nebel“ ist durch die Managementrainerin Vera F. Birkenbihl bekannt geworden. Mit ihm wird der Zustand eines Menschen beschrieben, dessen Aufnahmefähigkeit durch eine Mitteilung, eine (ungerechtfertigte) Kritik oder einen Angriff stark eingeschränkt ist.

Der psychologische Nebel „verschluckt“ – wie der physikalische Nebel – einen Teil der Botschaft und der gesendeten Information. Ein Mensch, der im psychologischen Nebel steht, kann seine Umwelt nur teilweise wahrnehmen.

Mit empathischer Kompetenz Kundensituation erkennen

Dies ist nur eine der Situationen, in denen es klug ist, darauf zu verzichten, mit Argumenten zu arbeiten. Denn der aufgebrachte Kunde wird in dieser aufgeheizten Stimmung und im psychologischen Nebel stehend kaum für Sachargumente zugänglich sein. Wie schaut ein möglicher Ausweg aus?

Der Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter muss zunächst einmal die Notlage, in der sich der Kunde befindet, erkennen. Dazu bedarf es einer empathischen Haltung, die darauf ausgerichtet ist, sich in die Vorstellungswelt des Kunden zu versetzen und dabei auch auf die nonverbalen Signale zu achten, die dieser aussendet. Bei einem Kunden, der verärgert oder ängstlich ist, also von starken Emotionen beherrscht wird, ist dies relativ leicht möglich – zumindest wenn man bereit und fähig ist, zunächst einmal zuzuhören, die Körpersprache des Kunden genau zu beobachten und konsequent auf dessen Äußerungen zu achten.

Argumente ade, Fragen nach vorn

Hat der Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter die Kundenverfassung erkannt, heißt es: Argumente ade, Fragen nach vorn. Er sollte versuchen, den Kunden auf das anzusprechen, was diesen derzeit am meisten beschäftigt. So kann er direkt die Nervosität des Kunden thematisieren und auf diese Weise ein Gespräch eröffnen, in dessen Verlauf der Kunde rasch merkt, dass der Gesprächspartner wahrhaft an seinem Befinden interessiert ist. Oder er fragt ihn zum Beispiel ganz einfach danach, wie es ihm geht, vielleicht stellt er sogar eine Frage zum Arztbesuch – Hauptsache, der Kunde fühlt sich ermutigt, sich über seine momentane Verfassung auszulassen.

Oft führen diese einfachen Fragen dazu, dass der Kunde ruhiger wird, weil er für sich selbst gedanklich die Situation klären kann, indem er sie offen an- und ausspricht.

Die richtige Zeit für ­Argumente

Wahrscheinlich wird der Kunde sich nun öffnen, womöglich tatsächlich von seinem Arztbesuch erzählen und sich mithilfe dieses kommunikativen Ventils aus dem psychologischen Nebel befreien. Nach und nach kann er sich auf das konzentrieren, worum es ihm eigentlich geht, nämlich um eine Sonnencreme. Jetzt ist für den Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter der Moment gekommen, in die Argumentationsphase einzutreten.

Entscheidend für die Lösung der Situation ist das empathische Sich-Einfühlen, das jedoch nicht bei diesem Sich-Einfühlen stehenbleiben darf. Vielmehr muss der Kunde mit der richtigen Fragetechnik dabei unterstützt werden, sich von den bedrängenden Emotionen zu befreien.

Der Kunde befindet sich im Irrtum

Eine weitere Kundensituation, in der der Argumentationsverzicht eine Option darstellt, ist der Kunden­irrtum. Der Kunde beschwert sich, nur: Er ist definitiv im Unrecht. Aber leider auch felsenfest davon überzeugt, im Recht zu sein. Der Trainer Lothar Stempfle (www.stempfle-training.de) empfiehlt, bei offensichtlichen Kundenirrtümern dem Kunden zunächst einmal bedingt zuzustimmen und dann zu versuchen, das Gespräch mit Fragen wieder ins sachlichere Fahrwasser zu geleiten (siehe dazu den Artikel „Wenn der Kunde im Irrtum ist, braucht man Fingerspitzengefühl“ in AZ 2014, Nr. 23, S. 6). Die Wahrnehmungsbrille des Kunden sagt: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf!“ Und dagegen kann der Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter kaum argumentieren, ohne den Kunden zu verprellen. Im schlimmsten Fall eskaliert die Situation. Darum also: Hände weg von Argumenten, zumindest zeitweise!

Aufgrund der hitzigen Atmosphäre, in der Reklamationsgespräche zuweilen stattfinden, kann die „argumentenfreie“ Zeit auch einmal etwas länger andauern. Der Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter ist gut beraten, immer wieder nachzufragen und die Äußerungen des Kunden in eigenen Worten zu wiederholen und zu paraphrasieren, um ihn schließlich zu fragen, ob er denn auch alles richtig verstanden habe.

Immer wenn Kunden rationalen Argumenten nicht zugänglich sind, ist ein Höchstmaß an kommunikativer Sensibilität gefragt. Nicht benutzt werden sollten konfrontative Ja-aber-Aussagen wie: „Ja, Sie haben zwar recht, aber ...“, denn diese stoßen den verärgerten Kunden nun erst recht vor den Kopf. Hier hilft die „Ja, und“-Technik weiter: „Ja, Sie haben recht, und darüber hinaus steht in der Bedienungsanleitung für das Blutdruckmessgerät, dass ...“

Der Kunde will das Gespräch dominieren

Solche Formulierungen helfen dem Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter auch im Umgang mit misstrauischen Kunden, die gerne das Gespräch dominieren. Sie empfinden die Argumente des ­Gesprächspartners als Gängelei oder den Versuch, das Gespräch nun seinerseits zu dominieren. „Der will mich mit seinen Argumenten nur in den Abschluss hineinquatschen“, so der Verdacht des Kunden, dem sich am besten begegnen lässt, indem man eine argumentenfreie Gesprächsphase einläutet.

Grundsätzlich sollte ein Streitgespräch mit Kunden natürlich vermieden werden. Wenn es jedoch nicht anders geht und das Gespräch zu eskalieren droht, sollte der Apothekenleiter bzw. -mitarbeiter versuchen, sich jeder konkreten Aussage zu enthalten, und insbesondere bei polemischen Aussagen des Gesprächspartners konsequent mit Fragen nachbohren. Dies ist auch notwendig, um den Kunden ggf. in seine Schranken zu verweisen.

Fazit

Es ist nicht leicht, das Verkaufsgespräch vor allem mit Fragen zu steuern und dabei auf Argumente zu verzichten. Sinnvoll ist, dies im Team einzuüben, damit alle in den genannten Gesprächssituationen und im Umgang mit schwierigen Kunden das Führen mit Fragen einsetzen können. |


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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