Management

Senioren in der Apotheke

Streben nach Sicherheit ängstlicher Kunden in den Mittelpunkt rücken

Das Apothekenteam muss in seinem Bestreben, Kunden individuell anzusprechen, den goldenen Mittelweg zwischen Aufwand und Nutzen finden. Denn so wünschenswert es ist, für jeden Kunden einen eigenen Gesprächsleitfaden zu entwickeln: praktische Gründe sprechen dagegen. Effektiv ist es, für zumindest die wichtigsten Gruppen spezifische Leitfäden zu entwickeln. Und eine dieser Gruppen sind die Senioren.

Die alternde Gesellschaft

Wir werden immer älter, der demografische Wandel sorgt dafür, dass die Senioren für die Gesundheitsbranche noch wichtiger werden, als sie es ohnehin schon sind. Das Apothekenteam sollte sich daher überlegen, welche Charakteristika diese älteren Menschen – Ausnahmen bestätigen die Regel – aufweisen: Für diese Kundengruppe spielen gesundheitliche Fragen eine verhältnismäßig große Rolle, und der Sicherheitsaspekt gewinnt an Bedeutung.

Natürlich – es gibt ihn, den abenteuerlustigen Senior, der nun anfängt, das Leben in vollen Zügen zu genießen und verpasste Abenteuerchancen nachzuholen. Die Gehirnforschung jedoch zeigt: Im Alter verstärkt sich zumeist das Sicherheitsdenken. Die Hormonstruktur unseres Denkapparats verändert sich derart, dass der Wunsch nach Macht und Geltung ab-, der Wunsch nach Sicherheit und Bewahrung des Status quo hingegen zunimmt.

Hirnforscher wie Hans-Gerd Häusel betonen, dass sich die Werte verschieben: "Das Interesse an neuen Produkten sinkt (…). Natürlich, denn der Wunsch nach Sicherheit steigt. Genauso das Interesse an Gesundheitsfragen." Ältere Menschen brauchen zudem etwas länger, um komplexe Sachverhalte zu verstehen – das Alter bringt dies unwiderruflich mit sich, bei den aktiven Menschen etwas verzögerter als bei den weniger aktiven.


Verschärfte Bedingungen


Im Kundengespräch mit Senioren gelten ähnliche Grundsätze wie in jedem Kundenkontakt – aber unter verschärften Bedingungen:

Lassen Sie sich auf die individuelle Sicht dieser Kundengruppe ein

Nutzen Sie Ihre empathischen Fähigkeiten: Wahrnehmung der Kundensituation, Einfühlen in die Kundenwelt

Schließen Sie das Herz des Kunden auf – mit Gefühl, Herz und Verstand

Wichtige Kompetenzen: geduldiges und ruhiges Zuhören, Vertrauensaufbau

Gesundheitsaspekt nach vorne rücken

Für das Apothekenteam heißt das: In aller Regel dürften die älteren Kunden ein ganz besonderes Interesse an den Produkten aus dem Frei- und Sichtwahlbereich haben. Das bedeutet nicht, dass es den älteren Kunden jene Produkte aufdrängen sollte. Aber es ist schon sinnvoll nachzufragen, ob der Kunde Interesse an einer Beratung hat.

Angenommen, ein älterer Kunde will sich für eine Auslandsreise in der Apotheke mit bestimmten Medikamenten versorgen. Der Apotheker kann ihn darauf hinweisen, dass es im Alter natürlich gewisse gesundheitliche Risiken gibt, nachfragen, wohin die Reise genau geht und schließlich auf Produkte hinweisen, die den älteren Menschen zum Beispiel vor Sonnenbrand schützen.

Weil die Gesundheit für die älteren Menschen eine (noch) größere Rolle spielt als für andere Kundengruppen, sollte der Apotheker in der Präsentations- und Argumentationsphase die medizinisch-gesundheitlichen Aspekte betonen. In einer verständlichen Sprache stellt er die Wirkungsweise und die Nebenwirkungen dar und versichert sich durch Rückfragen, dass der Kunde die Informationen nachvollzogen hat.

Mit Sachverstand und Emotionen argumentieren

Es muss nicht immer so sein, aber die Erfahrung zeigt, dass sich unter den älteren Kunden häufig der ängstlich veranlagte Typus befindet. Der Apotheker geht darum intensiv auf die Bedenken des Kunden ein, nimmt seine (überängstlichen) Einwände ernst und entkräftet sie durch sachliche Information.

Wer aber glaubt, er müsse bei der Beratung älterer Kunden immer nüchtern-sachlich vorgehen, liegt falsch. Sicherlich: Die Bedeutung konservativer Argumente wächst. Aber auch für die ältere Zielgruppe gilt: Produkte und Dienstleistungen haben immer einen emotionalen Wert, jede unserer Entscheidungen ist zu einem Großteil durch unsere Emotionen bestimmt: Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für unser Gehirn quasi wertlos. Und das heißt: Das Apothekenteam sollte die Beratung älterer Menschen – wo immer möglich – emotionalisieren. Allerdings: Beim ängstlichen Kunden ist eher Vorsicht geboten.

"Kundentypologien bergen die Gefahr der unzulässigen Generalisierung. Älterer Kunde ist aber nicht gleich älterer Kunde."

Bei der Emotionalisierung ist es wichtig, auf Seiten der älteren Kunden visuelle Vorstellungen zu erzeugen, die die Hauptmotive und -bedürfnisse – eben auch Sicherheit und Harmonie – ansprechen. Dabei geht es nicht darum, Informationen emotional aufzublasen. Vielmehr sollte der Apotheker dem Kunden bildhaft darstellen, was es konkret für ihn bedeutet, wenn ein Produkt ihn dabei unterstützt, seinen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen: "Diese Creme hilft Ihnen, Ihre Haut auf Ihrer Rundreise zu schützen, denn sie wirkt wie folgt … Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, wie Sie jeden Tag an Deck gehen und die Sonne genießen."

Treuebonus erwerben

Unter den älteren Kunden befinden sich überdurchschnittlich viele Menschen, die auf die Qualität und den Preis achten. "Die Qualität dieses Produkts ist von der Stiftung xy mit sehr gut bewertet worden, hat demnach ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und überdies überschaubare Nebenwirkungen, nämlich …" Dieses Argument ist auf die Sprach- und Empfindungswelt des Kunden abgestimmt. Wenn der Apotheker das Produkt nun auch noch mit präzisen Worten beschreibt, baut er Vertrauen auf. Dass eine solche Argumentation aber immer der Wirklichkeit entsprechen muss, versteht sich von selbst.

Der Aufwand lohnt sich: Hat der Apotheker einen älteren Kunden erst einmal überzeugt, belohnt dies der Senior häufig mit einer ausgeprägten Kundenbindung und lang anhaltender Treue. Andere Kundengruppen wechseln erfahrungsgemäß schneller zur Konkurrenz als der sicherheitsorientierte Bewahrertyp.

Vorsicht bei Verallgemeinerungen

Im Gespräch mit älteren Kunden sollte der Apotheker einige Dinge vermeiden: Eine zu technische und mit Fremdwörtern überladene Fachsprache etwa ist bei den Senioren noch unangebrachter als dies bei den anderen Kunden der Fall ist. Senioren werden oft automatisch anders angesprochen als jüngere Kunden. Aber es ist Vorsicht geboten: Kundentypologien bergen die Gefahr der unzulässigen Generalisierung. Beurteilungen auf der Grundlage einer Typologie verfestigen sich zu Etiketten; es entstehen "Schubladen", in die man Menschen einsortiert. Älterer Kunde ist aber nicht gleich älterer Kunde.

Eine Beurteilung mithilfe einer Typologie sollte der Startschuss für ein Gespräch sein, in dem der Apotheker den Kunden näher kennen lernt. Solange er sich der Tatsache bewusst bleibt, dass Typologien nicht die Landschaft "Mensch" selbst abbilden, sondern lediglich eine Landkarte darstellen, helfen sie ihm, das Gespräch zielgruppenindividuell vorzubereiten. Ob er dann im Gespräch wirklich einen sicherheitsorientierten Senior vor sich hat, muss er im konkreten Dialog prüfen.

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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