Arzneimittel und Therapie

Mexiko lässt Dengue-Impfstoff zu

Ist die Gefahr des Knochenbrecherfiebers nun gebannt?

Wenn nach einem Moskitostich im Urlaub in den Tropen nach einigen Tagen Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen oder Hautausschläge auftreten, können diese von einer Vielzahl von Erregern ausgelöst werden. Besteht die Hoffnung, dass eine Impfung bald vor einer der möglichen Ursachen schützen kann? Der weltweit erste Impfstoff gegen das Knochenbrecherfieber Dengue, Dengvaxia® von Sanofi Pasteur, wurde jetzt in Mexiko zuge-lassen.

Die Verantwortlichen bei der Weltgesundheitsorganisation WHO freuen sich über die erfolgreiche Entwicklung eines Dengue-Impfstoffes. Schließlich wird das Denguefieber derzeit als weltweit wichtigste virale Infektionskrankheit angesehen, deren Inzidenz allein in den letzten 50 Jahren um das 30-fache gestiegen ist. Während Dengue noch im 19. Jahrhundert als sporadische Erkrankung angesehen wurde, ist das auslösende Virus mittlerweile in mehr als 128 Ländern der Tropen und Subtropen endemisch (s. Abbildung) und verursacht jährlich weltweit geschätzte 390 Millionen Infektionen, von denen ca. 96 Millionen klinisch relevant werden. Allerdings können noch erheblich mehr Fälle auftreten: Schließlich leben in den betroffenen Ländern 3,9 Milliarden Menschen mit dem Risiko einer Infektion. Mit der steigenden Anzahl an Fällen in den Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Südostasiens und der Reisefreudigkeit der Deutschen steigt auch die Zahl der Dengue-Fälle in Deutschland: Während 2011 dem Robert-Koch-Institut nur 288 Denguefieber-Erkrankungen gemeldet wurden, waren es 616 Fälle im Jahr 2012, 878 Fälle im Jahr 2013 und 626 Fälle im Jahr 2014.

Denguefieber ist in mehr als 128 tropischen Ländern endemisch (Quelle: www.who.int).

Krankheitsbild

Charakterisiert ist das Denguefieber durch hohes Fieber (40°C), begleitet von mindestens zwei Symptomen aus dem Repertoire „heftige Kopfschmerzen, retroorbitale Schmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, geschwollene Drüsen oder Hautausschlag“ – also Symptome, die teilweise auch bei einer Grippe auftreten. Die Krankheit manifestiert sich meist vier bis zehn Tage nach der Übertragung durch eine infizierte Tigermücke (Aedes aegypti oder Aedes albopticus) und dauert üblicherweise zwei bis sieben Tage. In den meisten Fällen werden die Patienten wieder vollständig gesund. Selten kommt es zu einer schwereren Form des Denguefiebers, das zum hämorrhagischen Denguefieber oder zum Dengue-Schock-Syndrom führen kann. Weltweit erkranken jährlich 500.000 Personen an hämorrhagischem Denguefieber, von denen ca. 22.000 – überwiegend Kinder – versterben. Besonders häufig treten diese schweren Formen des Denguefiebers bei einer zweiten Infektion mit einem anderen der bisher bekannten vier Serotypen des Dengue-Virus (DENV-1 bis DENV-4) auf.

Angesichts der weltweit rasanten Entwicklung der Erkrankungsfälle hatte die WHO zu Aktivitäten aufgerufen, mit dem Ziel, bis 2020 die Mortalität um 50% und die Morbidität um 25% zu reduzieren. Zu diesen Aktivitäten zählt auch die Bereitstellung eines schützenden Impfstoffes.

Dengue-Impfstoffe

Das Denguefieber ist schon sehr lange bekannt und wurde anlässlich einer Epidemie in Philadelphia im Jahr 1780 erstmalig als „break-bone fever“ bezeichnet. Es dauerte allerdings bis 1903, bis die Übertragung der Krankheit durch Aedes-Stechmücken aufgeklärt wurde, und erst nach weiteren drei Jahren wurden Viren als Verursacher der Infektion identifiziert. Albert Sabin, der „Vater“ der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung, entdeckte 1944 zwei serologisch unterschiedliche Dengue-Viren und versuchte sich in den 1950er Jahren an der Entwicklung einer ersten Vakzine mit attenuierten Dengue-Viren. Zu diesem Zeitpunkt hatte William Hammon noch zwei weitere Virus-Serotypen identifiziert, sodass seitdem vier serologisch und genetisch verwandte, aber dennoch recht verschiedene Viren, Dengue-Virus 1 (DENV-1) bis Dengue-Virus 4 (DENV-4), als Auslöser der Infektion verantwortlich gemacht werden. Das macht die Entwicklung eines schützenden Impfstoffes nicht gerade einfach. Zudem fehlen geeignete Tiermodelle, um die Krankheit zu simulieren und potenzielle Impfstoffe auf ihre Schutzwirkung zu testen.

Derzeit befinden sich insgesamt sieben Vakzine in verschiedenen Stadien der klinischen Entwicklung (s. Tabelle). Als bisher vielversprechendster Ansatz hat sich die Idee herausgestellt, den erfolgreich eingesetzten Impfstoff gegen einen nahen Verwandten des Dengue-Virus, dem Gelbfieber-Virus, zu modifizieren. Dazu wurden aus dem RNA-Genom des attenuierten Gelbfieber-Impfstammes 17D die codierenden Bereiche für die Prämem-bran- und Envelope-Proteine gegen diejenigen der verschiedenen Dengue-Virus-Serotypen ausgetauscht. Das Envelope-Protein ist ein wesentlicher, antigener Bestandteil der Virus-Hülle und benötigt das Prämembran-Protein, um in die korrekte Konformation gefaltet zu werden.

Tab. 1: Dengue-Impfstoffe in der Entwicklung
Nr.
Impf-Strategie
Hersteller
Status
1
Lebend-attenuierte chimäre Vakzine aus Gelbfieber 17D/Dengue-Viren
Sanofi-Pasteur
tetravalente Formulierung in Phase 3 in endemischen Ländern, Zulassung in Mexiko
2
Lebend-attenuierte Dengue-Viren, in ­primären Nierenzellen aus Hunden ­(PDK-Zellen) passagiert
Walter Reed Army Institute of ­Research; GSK, GlaxoSmithKline Biologicals
tetravalente Formulierung in Phase 2 in endemischen Ländern
3
Lebend-attenuierte Dengue-Viren mit Delta-30-Mutation, Intertyp-Virus-Chimäre
National Institutes of Health/Johns Hopkins
Phase 1/2 mit monovalenter Formulierung abgeschlossen, tetravalente Formulierung in Phase 1
4
Dengue prM-E (Prämembran-Envelope)-DNA-Vakzine
Naval Medical Research Center
Phase 1 mit monovalenter Formulierung abgeschlossen
5
Rekombinantes Envelope-Protein (80%) als Untereinheiten-Impfstoff
Hawaii Biotech/ Merck
monovalente Formulierung in Phase 1
6
Gereinigte, inaktivierte Viren
Walter Reed Army Institute of ­Research
monovalente Formulierung in Phase 1
7
Lebend-attenuierte, chimäre Dengue-Viren
Centers of Disease Control and ­Prevention
monovalente Formulierung in Phase 1

Zwei große multizentrische Phase-III-Studien wurden nun mit diesem tetravalenten Dengue-Impfstoff von Sanofi Pasteur durchgeführt: In je fünf verschiedenen Ländern der Asien-Pazifik-Region sowie Lateinamerikas wurden über 10.000 Kinder im Alter von zwei bis 14 Jahren beziehungsweise über 20.000 Kinder im Alter von 9 bis 16 Jahren dreimal im Abstand von jeweils sechs Monaten geimpft. Die Vakzine wurde generell sehr gut vertragen, und ihre Schutzwirkung gegen eine symptomatisch bestätigte Infektion wurde mit 56,5% in der asiatischen Studie und mit 60,8% in der lateinamerikanischen Studie ermittelt. Untersuchte man die geimpften Kinder, zeigten sich Unterschiede in der Immunantwort auf die verschiedenen Virus-Serotypen, wobei der Schutz vor dem Serotyp 2 jeweils am schlechtesten war. Den zuständigen Behörden in Mexiko reichte dieses Ergebnis offensichtlich aus, um den Impfstoff für Neun- bis 45-Jährige, die in endemischen Gegenden leben, zuzulassen. Sanofi Pasteur rechnet damit, dass ihr Impfstoff Dengvaxia® bald auch in anderen Ländern Asiens und Lateinamerikas zugelassen wird, und plant wohl auch, die Zulassung für Europa zu beantragen.

Denguefieber-Impfung auch vor Fernreisen?

Die Verantwortlichen bei der WHO sehen den Erfolg der Dengue-Vakzine recht positiv – zumindest für die Bevölkerung der Länder, in denen Dengue-Viren endemisch sind. Bei Menschen, die bereits mit diesen oder anderen Flaviviren, wie Gelbfieber- oder Zika-Viren Kontakt hatten, scheint der Impfstoff besser zu wirken als bei seronegativen Individuen.

Insgesamt ist der Impfschutz mit circa 60% eher mäßig, hilft aber durchaus denjenigen Menschen, die ständig dem Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Es bleiben aber auch noch Unwägbarkeiten, die im Nachgang zu den Phase-III-Studien beobachtet werden müssen: In der asiatischen Studie mussten im ersten Jahr nach Studienende signifikant mehr geimpfte Kinder aus der Gruppe der Zwei- bis Fünfjährigen wegen Denguefieber stationär behandelt werden als in der Placebogruppe, weshalb der Impfstoff jetzt nur für Kinder ab neun Jahren zugelassen ist. Die WHO fordert nun, dass die Studienteilnehmer weiterhin überwacht werden, um potenzielle Risiken eines hämorrhagischen Denguefiebers im Nachgang zur Impfung zu erkennen. Während Epidemien auf Kuba war auffällig, dass das Risiko für schwere Dengue-Erkrankungen durch eine heterologe Infektion erst im Zeitraum von vier bis 20 Jahren nach der Erstinfektion anstieg. Durch die Kreuzreaktion der vorher induzierten, spezifischen Antikörper und T-Zellen kann es zu einem schwereren Krankheitsverlauf kommen. Es könnte also noch Jahre nach der Studie bei der Gruppe der Geimpften zu weiteren Erkrankungsfällen kommen.

All diese Aspekte machen es derzeit eher unwahrscheinlich, dass hierzulande eine Reiseimpfung gegen Dengue mit dem Impfstoff Dengvaxia® empfohlen wird, zumal das derzeitige Impfschema mit drei Dosen im Abstand von jeweils sechs Monaten gegen eine zunächst nicht lebensbedrohliche Erkrankung nicht wirklich benutzerfreundlich für Reisende ist. Neben der eher mäßigen Schutzwirkung kommt hinzu, dass noch nicht klar ist, in welchen zeitlichen Abständen eine Auffrischung nötig wird. Ganz anders sieht es dagegen im Vergleich dazu bei der Impfung gegen Gelbfieber aus: Hier schützt eine einmalige Impf-Dosis Stamaril® 99% der Geimpften für zehn Jahre.

Behandlungsoptionen für eine vernachlässigte Krankheit

Mit Sicherheit ist Dengvaxia® kein idealer Impfstoff. Allerdings ist seine Verfügbarkeit für Menschen in Endemiegebieten ein großer Fortschritt. Zudem ist dieser Impfstoff zusammen mit anderen, die sich in der Entwicklung befinden, ein herausragendes Beispiel für die politisch immer nachdrücklicher geforderten Bemühungen um moderne Ansätze im Bereich der „vernachlässigten Krankheiten“. Auch unter diesem Aspekt verdient die Geschichte von Dengvaxia® eine möglichst weite Verbreitung. |

Quelle

Impact of dengue: www.who.int/csr/disease/dengue abgerufen am 10. Dezember 2015

Dengue and severe dengue: www.who.int/mediacentre/factsheets/fs117/en/ abgerufen am 10. Dezember 2015

RKI: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2014, Stand 1. März 2015

Coller BA. The development of Dengue vaccines. Introduction. Vaccine 2011;29(42):7219-7220

Capeding MR et al. Clinical efficacy and safety of a novel tetravalent dengue vaccine in healthy children in Asia: a phase 3, randomised, observer-masked, placebo-controlled trial. Lancet 2014;384(9951):1358-1365

Villar L et al. Efficacy of a tetravalent dengue vaccine in children in Latin America. N Engl J Med 2015;372(2):113-123

WHO Weekly epidemiological record – Addendum to report of the Global Advisory Committee on Vaccine Safety (GACVS), 10–11 June 2015: Safety of CYD-TDV dengue vaccine: www.who.int, abgerufen am 10. Dezember 2015

Wilder-Smith A. Dengue vaccines: dawning at last? Lancet 2014;384(9951):1327-1329


Dr. Ilse Zündorf und Prof. Dr. Theo Dingermann

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