Rezeptur

Arzneiform für Individualisten

Kapseln in der Apothekenrezeptur

Von Josef Pfeuffer | Die Befüllung von Hartkapseln bietet der Apotheke eine Möglichkeit, Arzneistoffe individuell zu dosieren. Vor allem in der Pädiatrie, wo häufig Wirkstoffe nicht in der benötigten Dosierung auf dem Markt sind, wird dies genutzt. Apothekenüblich sind dabei hauptsächlich Hartgelatinekapseln mit pulverisiertem Inhalt. Im Folgenden soll dargestellt werden, was bei der Herstellung zu beachten ist, um Fehldosierungen und Gehaltsschwankungen zu vermeiden.

Neben Hartgelatine (Protein) werden auch Celluloseether (Kohlenhydrat) als Wandmaterial für Hartkapseln verwendet. Außerdem können Farbzusätze wie Titandioxid (weiß) oder Eisenoxide (rot, braun, gelb, schwarz) im sonst durchsichtigen Wandmaterial enthalten sein. Der Wassergehalt beträgt um 10%, was etwa der Gleichgewichtsfeuchte bei üblichen Raumluftbedingungen entspricht.

Hartkapseln sind schnell freisetzende Arzneiformen. Alle Herstellungsschritte einer Kapselrezeptur zielen auf die gleichmäßige Masse der einzelnen Kapseln ab. Dabei muss die Pulvermischung sehr homogen sein, um einen einheitlichen Wirkstoffgehalt in jeder Kapsel zu erreichen.

Anforderungen an das Pulver

Für eine gleichmäßige Befüllung der Kapseln sind folgende Punkte zu beachten:

  • Herstellung einer möglichst homogenen Mischung von Wirk- und Hilfsstoffen;
  • Optimierung der Fließfähigkeit der Pulvermischung
  • Reduktion möglicher elektrostatischer Aufladung;
  • Beurteilung der Beanspruchbarkeit des Mischgutes (z.B. durch Reibungswärme);
  • Beachtung einer möglichen Schmelzpunktdepression oder Bildung von ungünstigen eutektischen Gemischen;
  • Beachtung der Veränderung der Schüttdichte bei der Pulververarbeitung;
  • Berücksichtigung der Pulverkorngröße beziehungsweise Korngrößen-Verteilung der Mischungskomponenten.

Bedeutung der Korngröße

Wie sich in den meisten Fällen gezeigt hat, haben Korngröße und Korngrößenverteilung den größten Einfluss auf das Mischungsergebnis – mehr als Dichteunterschiede und elektrostatische Aufladung. Übliche Pulverkorngrößen reichen von mikronisiert (ca. 10 μm) bis grob kristallin (ca. 1000 μm). Liegen in einer Mischung die Einzelkomponenten in unterschiedlicher Korngröße vor, so haben die kleinen Partikel die Möglichkeit, durch die Zwischenräume der großen Partikel hindurchzufallen und dies umso mehr, je größer der Unterschied ist. Dies wird auch als Paranusseffekt bezeichnet.

Wie Untersuchungen an Glaskugeln in zweierlei Größen zeigten [4], tritt keine Entmischung auf, wenn das Verhältnis der Partikeldurchmesser Durchmesser1 / Durchmesser2 kleiner 1,2 ist. Bei größeren Werten wird das Entmischen begünstigt, bis schließlich überhaupt keine stabile Mischung mehr möglich ist. Daraus ergibt sich der Idealfall: Alle Pulverpartikel einer Pulvermischung sollten gleich groß sein. Um also eine möglichst homogene Pulvermischung zu erhalten, muss die Korngrößenverteilung der Komponenten annähernd gleich sein.

Die Zerkleinerung von Gefahrstoffen ist kritisch zu beurteilen, da die dabei entstehenden Stäube zu einer Kontamination der Umgebung (Personen und Räume) führen können. Daher sind diese Rezeptursubstanzen häufig in ausreichender Feinheit im Handel erhältlich.

Schmelzpunktdepression

Bei Pulvermischungen kann durch „gegenseitige Verunreinigung“ eine Schmelzpunktdepression auftreten. Gefährdet sind hauptsächlich Mischungen aus Substanzen mit niedrigen Schmelzpunkten, da Reibungswärme hier zu schmieriger Konsistenz führt. Abhilfe kann dadurch geschaffen werden, dass die kritische Substanz mit dem niedrigsten Schmelzpunkt zuletzt zugemischt und sie gegebenenfalls zuvor mit Aerosil®(hochdisperses Siliciumdioxid) ummantelt wird.

Fließfähigkeit optimieren – elektrostatische Aufladungen reduzieren

Ausreichende Fließfähigkeit wird normalerweise durch einen Zusatz von 0,5% Aerosil® erreicht. Gleichzeitig werden so elektrostatische Aufladungen minimiert, was ebenfalls zu einer besseren Fließfähigkeit beiträgt.

Mischen – Sieben – Mischen

Häufig sind Kapselrezepturen für die Pädiatrie mit niedrigen Arzneistoffmengen anzufertigen, da die benötigten Dosierungen im Handel nicht verfügbar sind. Dies erfordert besondere Sorgfalt bei der Herstellung. Intensives Verreiben und häufiges Abkratzen in der Pulverreibschale sind daher bei der Anfertigung der Pulvermischungen von großer Bedeutung.

Die Praxis zeigt, dass Mischungsprobleme umso stärker hervortreten, je kleiner der Anteil einer Komponente ist. Daher lässt sich die Qualität dieser Mischungen beispielsweise durch einen geringen Zusatz (kleine Spatelspitze!) eines Farbstoffes (z.B. ein mikrofeines Eisenoxid) als hilfreiche optische Absicherung der Verreibungsqualität kontrollieren.

Sollen Pulveragglomerate in einer Pulvermischung durch Sieben aufgelöst werden, ist zu beachten, dass sich die Homogenität dabei möglicherweise durch Trennung der Komponenten verändert. Durch einen weiteren Mischvorgang nach dem Sieben kann die Entmischung wieder aufgehoben werden („Mischen – Sieben – Mischen“).

Gelegentlich sind besondere Herstellungsmaßnahmen wie die Verwendung von Stammverreibungen (zum Teil fertig im Handel erhältlich) oder die Verwendung von Arzneistofflösungen, mit denen Hilfsstoffe imprägniert werden, (vgl. Hydrochlorothiazid – Kapseln NRF 26.3.) nötig. Durch Auflösung und Rekristallisation eines Arzneistoffes können sich jedoch die Kristallgrößen oder die Modifikation verändern, was sich letztendlich auf die Lösungseigenschaften (Löslichkeit, Lösungsgeschwindigkeit) und andere stabilitätsrelevante Parameter auswirken kann. Diese Methode erscheint daher nur nach Validierung in einer standardisierten Rezeptur sinnvoll anwendbar.

Auch geschmolzene lipophile Füllmassen können bei besonderen Problemfällen eine Lösung sein wie bei der Herstellung von Dronabinol-Kapseln NRF 22.7. Diese Methode kommt ebenfalls nur für standardisierte Rezepturen infrage, da auch hier Bioverfügbarkeitsprobleme möglich sind.

Die Herstellung der Kapseln

Üblicherweise werden die Kapseln unterschiedlicher Größe (am häufigsten Größe 0 und Größe 1, vgl. DAC Anlage G) mithilfe von Kapselfüllmaschinen mit den für die jeweilige Kapselgröße passenden Einsätzen befüllt. Die DAC-Anlage G nennt zwei Herstellungsverfahren: Methode A und Methode B.

Auswahl des Herstellungsverfahrens

Als Auswahlkriterium für das Herstellungsverfahren dient die Menge „nicht fließregulierter Arzneistoffe“, die dem Standardfüllmittel (Mannitol-Aerosil®) zugemischt werden müssen. Ist die Arzneistoffmenge groß (z.B. Volumen der verriebenen Arzneistoffe > 75% des Kapselvolumens; vgl. NRF I.9.2.2.), sollte eine gute Fließfähigkeit der Arzneistoff-Hilfsstoff-Mischung durch Aerosil®-Zusatz sichergestellt werden, d.h. die Arzneistoffe werden zunächst mit 0,5% Aerosil® verrieben.

Der Grund: Größere Arzneistoffmengen stören meist die Fließfähigkeit der Arzneistoff-Hilfsstoff-Mischung merklich, so dass ein 0,5%iger Aerosilzusatz zum Arzneistoff sinnvoll ist. Dies ist der grundlegende Gedanke der Methode A DAC.

Bei niedrigeren Arzneistoffmengen geht man davon aus, dass sie die Fließfähigkeit der Arzneistoff-Hilfsstoff-Mischung wenig beeinflussen, so dass keine weitere Fließregulierung nötig ist. In diesem Fall ist Methode B DAC vorzuziehen.

Dabei lehnt man sich an die klassische Herstellung von Pulvermischungen an, die im Verhältnis 1:1 aufgebaut werden. Allerdings erscheint eine erste Arzneistoff-Füllstoffverreibung nicht bis 80%, sondern in Abweichung zum DAC nur bis zu 50% des Eichvolumens sinnvoll. In der Praxis hat sich dies bewährt [5]. Der noch fehlende restliche Füllstoff wird dann im Verhältnis 1:1 zugemischt. Verluste sind bei Pulvermischungen unvermeidbar. Daher sollte eine hohe Wägegenauigkeit, nämlich von 1%, angestrebt werden, um im Endprodukt eine Gehaltsgenauigkeit mit Abweichungen geringer als 10% zu erreichen.

Welche Füllstoffe sind geeignet?

Als Standardfüllmittel ist nach NRF Aerosil® 0,5% / Mannitol 99,5% zu verwenden. Die Verreibung (Pulveraufbau) dieser beiden Hilfsstoffe sollte bei wiederholtem Abschaben des Pulvers in der rauhen Reibschale so lange erfolgen, bis eine Schüttdichte von ca. 0,5 g/cm3 erreicht ist. Nachteil dieser Mischung ist, dass Mannitol osmotisch aktiv ist, was eine laxierende Wirkung auslösen kann.

Die früher häufig verwendete Lactose (Lactose-Monohydrat) ist wegen möglicher Unverträglichkeiten (Lactoseintoleranz, Maillard-Reaktion) nicht mehr Füllmittel erster Wahl.

Als Alternativen gibt es neben Mannitol wasserfreie Glucose oder Glucose-Monohydrat. Das Monohydrat weist aber eine schlechtere Fließfähigkeit auf. Außerdem können Saccharose, die weitgehend inerte mikrokristalline Cellulose (Avicel®) oder Maisstärke verwendet werden.

Vor Herstellungsbeginn

Vor allem bei nicht standardisierten Kapselrezepturen ist vor Herstellungsbeginn Folgendes zu prüfen:

  • Welches Füllmittel ist geeignet?
  • Wie groß ist das zu erwartende Volumen des Arzneistoffes, und welche Kapselgröße ist dann geeignet?
  • Festlegung der Herstellungsmethode;
  • Auswahl der richtigen Waage für die geforderte Wägegenauigkeit;
  • gegebenenfalls Verwendung von Wirkstoffvorverreibungen bei niedrig dosierten Arzneistoffen;
  • Beachtung einer möglichen Einwaagekorrektur;
  • Überprüfung der Eichung des Kapselfüllgerätes.

Als Faustregel für das zu erwartende Volumen der verriebenen Pulvermischung gilt: Das Füllvolumen entspricht etwa 2 ml/g bzw. die Schüttdichte 0,5 g/ml. Die verwendeten Messzylinder zur Volumenmessung sollten eine Teilung von 0,5 ml besitzen und geeicht sein.

Überprüfung des Kapselfüllgerätes

Die Justage des Gerätes sollte exakt eingestellt sein und kann z.B. mit vier Kapselunterteilen in jeder der vier Ecken überprüft werden. Des Weiteren sollte das richtige Einlegen der Lochplatten geprüft werden (R und zusammenpassende Nummern stehen rechts oben!).

Kapselherstellung

Neben den allgemeinen Maßnahmen sind Einmalhandschuhe zu tragen (Arbeiten am offenen Produkt). Homogenisierungen bei der Kapselherstellung sollten immer möglichst druckfrei in der Reibschale erfolgen, um eine Zunahme des Schüttvolumens zu vermeiden.

Bei geringen Dosierungen müssen besondere Maßnahmen bei der Füllmittel-Arzneistoff-Homogenisierung beachtet werden:

  • sorgfältige Verreibungstechnik (evtl. mit Farbstoff überprüfen);
  • Verwendung von Stammverreibungen;
  • Beachtung der Wägetechnik;
  • evtl. Anwendung der Lösungsmethode: Imprägnierung des Füllmittels mit der Arzneistofflösung (vgl. NRF 26.3.).

Die Hartgelatine-Steckkapsel behält ihre notwendige Elastizität bei mittleren Luftfeuchtigkeitswerten. Feuchte Füllgüter können zur Aufquellung der Kapselhüllen führen. Hygroskopische Pulver führen durch Wasserentzug zu einer Versprödung der Kapselhüllen.

Kapselherstellung – das Wichtigste

  • Um eine möglichst homogene Pulvermischung zu erhalten, müssen die Pulverkorngrößen der Komponenten annähernd gleich sein.
  • Homogenisierungen bei der Kapselherstellung sollten immer möglichst druckfrei in der Reibschale erfolgen, um eine Zunahme des Schüttvolumens zu vermeiden.
  • Als Faustregel für das zu erwartende Volumen der verriebenen Pulvermischung gilt: Füllvolumen ~ 2 ml/g.
  • Bei geringen Dosierungen müssen besondere Maßnahmen bei der Füllmittel-Arzneistoff-Homogenisierung beachtet werden: Neben einer sorgfältigen Verreibungstechnik (evtl. mit Farbstoff überprüfen) ist eine Verwendung von Stammverreibungen sinnvoll.
  • In der Anlage G des DAC sind zwei Herstellungsmethoden für Kapselrezepturen beschrieben. Die Auswahl richtet sich nach der Arzneistoffmenge pro Kapsel.

Abschlussprüfungen nach der Herstellung

Das Europäische Arzneibuch beschreibt die Bestimmung der Gleichförmigkeit der Masse. Die Masse der Kapselhüllen kann dabei als konstant angesehen werden, der Kapselinhalt muss also nicht entleert werden!). Diese Bestimmung ist einfach durchführbar und ein gutes Kriterium für die Homogenitätsbeurteilung.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Homogenitätsanforderungen häufig eingehalten werden. Vielmehr fällt auf, dass in vielen Fällen ein Mindergehalt festzustellen ist. So liegt die Wiederfindungsrate des Arzneistoffes häufiger in der Größenordnung von nur 90%. Dies ist möglicherweise den häufigen Umfüllprozessen bei der Herstellung zuzuschreiben. Um dieses Problem zu lösen, wird eine pauschale Mehreinwaage des Wirkstoffes von + 5% diskutiert. Alternativ könnte die Herstellung ganz auf eine andere, gravimetrische Technik umgestellt werden, bei der alle benötigten Massen je nach Kapselgröße berechnet und ohne Volumenkalibrierung direkt in die Kapseln abgefüllt werden. An der Entwicklung dieser Methode wird derzeit gearbeitet [9, 10].

Verpackung, Aufbewahrung und Abgabe

Die Kriterien für die Aufbewahrung sind:

  • dicht verschlossen,
  • licht- und
  • feuchtigkeitsgeschützt
  • sowie eine Aufbewahrungstemperatur unter 30°C.

Geeignet sind Gefäße wie Weithalsgläser und Kruken.

Abgabehinweise

  • Einnahme mit einem Glas Wasser, aufrecht sitzend (75 ml und mehr, um ein Anhaften in der Speiseröhre zu vermeiden);
  • eventuell: Kapsel öffnen und Pulver in Wasser oder in der Nahrung gelöst oder suspendiert einnehmen. 

Quellen

[1] DAC/NRF, Govi-Verlag 2013

[2] Bauer, K.H., Frömming, K.H., Führer, C., Lehrbuch der Pharmazeutischen Technologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2012

[3] R. Voigt, Pharmazeutische Technologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2010

[4] Stricker, H., Physikalische Pharmazie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1987

[5] Briegleb E., PTA-Schule Würzburg, Persönliche Mitteilung 2014

[6] Wolf, G., Süverkrüp, R., Rezepturen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2011

[7] Breitkreutz, J., Eifler-Bollen, R., Kiefer, A., Fit für die Rezeptur, Govi-Verlag 2008

[8] Ziegler, A. S., Plausibilitäts-Check Rezeptur, Deutscher Apotheker Verlag 2013

[9] Lein A., Pharmazeutisches Laboratorium des DAC/NRF, persönliche Mitteilung 2014

[10] Latsch H., Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e.V., persönliche Mitteilung 2014

Autor

Dr. Josef Pfeuffer, Pharmaziestudium und Promotion am Lehrstuhl für pharmazeutische Technologie in Erlangen, Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie

josef.pfeuffer@web.de

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