Aus der Rezeptur

Wie stellt man Kapseln aus Fertigarzneimitteln her?

Stuttgart - 25.01.2021, 17:50 Uhr

Was muss bei der Kapselherstellung aus Fertigarzneimitteln beachtet werden? (Foto: Robert Poorten / stock.adobe.com)

Was muss bei der Kapselherstellung aus Fertigarzneimitteln beachtet werden? (Foto: Robert Poorten / stock.adobe.com)


Manche Rezepturen enthalten Wirkstoffe, die nicht als Rezeptursubstanz erhältlich sind. Dann kommen Fertigarzneimittel zum Einsatz. Wie die Herstellung von niedrigdosierten Kapseln aus Fertigarzneimitteln erfolgt, verrät unsere Rezepturexpertin von ptaheute.de, Dr. Annina Bergner.

In letzter Zeit hat ptaheute.de von seinen Leser:innen einige Anfragen zur Herstellung niedrig dosierter Kapseln für Säuglinge bekommen. Der benötigte Wirkstoff war jeweils nicht als Rezeptursubstanz erhältlich, die Herstellung musste daher aus einem Fertigarzneimittel erfolgen.

Anhand folgender Verschreibung soll die Herstellung von Kapseln aus gepulverten Fertigarzneimittel-Tabletten näher vorgestellt werden: 
 

Aprovel® Kapseln, 15 mg, 100 Stück

Bei Säuglingen: Kapseln als abgeteilte Pulver

Viele Wirkstoffe für Säuglinge werden in individueller Dosierung vom Arzt als einzeldosierte Arzneiform verordnet. In unserem Beispiel soll das Antihypertonikum Irbesartan verarbeitet werden. Eine Herstellung erfolgt aus dem Fertigarzneimittel Aprovel® 150 mg Filmtabletten. Üblicherweise wird dazu aus dem FAM und einem Füllmittel eine Pulververreibung hergestellt und diese in Hartgelatine-Steckkapselhüllen als abgeteilte Pulver verpackt. Bei Kindern wird der Inhalt zur Applikation verständlicherweise ausgefüllt und mit der Nahrung verabreicht. Um die Menge an Füllstoff möglichst gering zu halten, soll dazu eine möglichst kleine Kapselgröße ausgewählt werden. Die in Apotheken üblicherweise vorhandenen Kapselfüllmaschinen lassen allerdings meist nur die Größen 0 (0,68 ml) und 1 (0,5 ml) zu.

Fertigarzneimittel im Überschuss verwenden

Zur Herstellung der gewünschten Anzahl an Kapseln werden 1.500 mg Wirkstoff benötigt. Dieser ist in 10 Tabletten des Fertigarzneimittels enthalten. Aufgrund einer Schwankungsbreite des Gehalts der einzelnen Tabletten im zweistelligen Prozentbereich müssen diese stets im Überschuss verarbeitet werden. Ansonsten kann es leicht zu einer Unterdosierung der hergestellten Kapseln kommen. Eine genaue Größe zur Festlegung dieses Überschusses existiert dabei nicht. Das NRF empfiehlt in seinem Rezepturhinweis „Kapseln für die pädiatrische Anwendung“ mindestens eine zweistellige Anzahl an Tabletten einzusetzen. Bei obiger Rezeptur bietet sich zur Herstellung der Pulvermischung die Verwendung von 20 Tabletten des FAM an. Zunächst müssen diese Tabletten alle zusammen gewogen werden und daraus die durchschnittliche Masse einer Tablette bestimmt werden, anschließend können diese in einer rauen Reibschale fein verrieben werden.

Wie viel Pulver muss nun abgewogen werden?

20 Tabletten wiegen 4,760 g, die Durchschnittsmasse einer Tablette beträgt also 0,238 g. Zur Herstellung von 100 Kapseln werden 1.500 mg Wirkstoff benötigt, diese sind in 10 Tabletten des Fertigarzneimittels enthalten. Diese 10 Tabletten entsprechen einer Pulvermenge von 2,38 g. Diese Menge an Fertigarzneimittel-Pulvermischung muss nun noch mit einem Zuschlag zur Herstellung von 10 % versehen werden. Diesen Produktionszuschlag gegen Unterdosierung empfiehlt das NRF bei einer Herstellung von niedrig dosierten Kapseln mit weniger als 20 mg Wirkstoff. Zur Herstellung von 100 Kapseln mit je 15 mg Irbesartan werden also 2,618 g gepulvertes Fertigarzneimittel (Aprovel®) abgewogen, der Rest kann verworfen werden.

Welcher Füllstoff ist geeignet?

Grundsätzlich soll bei der Weiterverarbeitung von Tabletten zu Kapselrezepturen als Füllstoff ein Hilfsstoff zum Einsatz kommen, der bereits im Fertigarzneimittel enthalten ist. Dadurch werden nicht unnötigerweise weitere Stoffe in die Pulvermischung eingebracht und es kann zudem von einer Verträglichkeit ausgegangen werden. Die genauen Bestandteile des Fertigpräparats können in der Fachinformation unter dem Punkt 6.1 „Liste der sonstigen Bestandteile“ nachgelesen werden. Die Aprovel® Tabletten enthalten als Hilfsstoff unter anderem Lactose-Monohydrat, so dass sich die Verwendung dieses Zuckers als Füllstoff anbietet. Bei Lactose-Monohydrat sind allerdings bei geringer Teilchengröße die Fließeigenschaften relativ schlecht, hier kann aber der Zusatz von 0,5 % Hochdispersem Siliciumdioxid als Fließregulierungsmittel Abhilfe schaffen.



Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Erste Vorschrift im NRF

Kapseln massenbasiert herstellen

Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S. 54.)

Neues Füllmittel für Kapseln und Pulver

Unterschiedliche Methoden – unterschiedliche Herausforderungen

Kapseln herstellen

Kapseln in der Apothekenrezeptur

Arzneiform für Individualisten

Erste Untersuchungsergebnisse des ZL

Ibuprofen-Suspensionen: Wie stabil sind sie?

Ist die Notfallversorgung mit Paracetamol- und Ibuprofen-Rezepturarzneimitteln eine Lösung?

Lieferschwierigkeiten bei Fiebersäften und Co.

Mögliche vermeidbare Fehlerquellen bei der Herstellung

Die Kapsel – eine einfache Arzneiform?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.