Aus den Ländern

„Ich kann mich nicht erinnern!“

Umgang mit Demenzkranken

Demenzerkrankungen waren das Thema des Jahreskongresses der NAWP (National Association of Women Pharmacists) vom 26. bis 28. April in Cardiff Bay in Wales. Dabei wurde sowohl über medizinische und pharmazeutische Aspekte als auch über den Umgang mit den Erkrankten und ihren Angehörigen referiert.

Aktuelles zur Epidemiologie

In ihrem Einleitungsvortrag zur medizinischen und pharmazeutischen Situation von Demenzerkrankungen bestätigte Dr. Christine Heading, dass hohes Alter der bestimmende Risikofaktor ist. Als Risikofaktoren ebenfalls bekannt sind Diabetes, Rauchen, Adipositas und kardiovaskuläre Erkrankungen. Frauen sind häufiger betroffen. Ein wichtiger Grund hierfür ist die höhere Lebenserwartung. Ob zusätzlich das Geschlecht eine Rolle spielt, ist nicht ausreichend geklärt. Auch bezüglich genetischer Faktoren steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen. Bekannt ist, dass Träger des ApoE-e4-Allels ein erhöhtes Risiko haben.

Die Situation in UK ist mit derjenigen in Deutschland vergleichbar: Mit 66% überwiegt die Alzheimer Demenz, gefolgt von der vaskulären Demenz mit 25%. Die anderen Demenzformen liegen unter 5%. Heading beklagte, dass die Hälfte der Patienten nicht diagnostiziert wird – mit großen regionalen Unterschieden. Demenzerkrankungen hat es schon immer gegeben, allerdings ist aufgrund der höheren Lebenserwartung und der längeren Lebensdauer der Erkrankten mit einer Zunahme zu rechnen.

Die Entwicklung neuer Medikamente, die sich zurzeit in Phase III der klinischen Prüfung befinden, ist leider wenig erfolgreich. Hoffnungen, die man in die Beseitigung der Amyloidplaques und der neurofibrillären Bündel des Tau-Proteins gesetzt hatte, haben sich nicht erfüllt.

Pharmazeutische Betreuung von Demenzkranken

Dr. Ian Meidmant (Klinische Pharmazie, Aston University) stellte verschiedene Studien vor, die die Arzneimitteltherapie von Patienten in Pflegeheimen unter die Lupe nahmen. Ziel der Studien war es, notwendige und reduzierbare Arzneimittel zu identifizieren. Meidmant berichtete, dass die Beratung durch Pharmazeuten vor Ort zur Reduzierung oder zum Absetzen nicht geeigneter Medikamente führte, besonders bei Hypnotika und Antipsychotika. Für die Betreuung Demenzerkrankter zu Haus forderte er, die Familienpfleger besser über die Medikation mit Antidementiva aufzuklären. Außerdem riet er, auf Komedikationen von Arzneimitteln zu achten, die anticholinerge Nebenwirkungen haben (z.B. H2-Blocker, einige Antidepressiva und Antipsychotika). Diese Arzneimittel sollen reduziert werden, damit die „anticholinerge Last“ niedrig bleibt und der Mangel an Acetylcholin nicht noch größer wird.

Begegnung mit Betroffenen

Wie die Alzheimer Gesellschaft in Deutschland bietet die britische Alzheimer Society Treffen für Betroffene und Angehörige, Informationen über das Krankheitsbild und persönliche Beratungen. Die Geschäftsführerin trat zusammen mit zwei Ehepaaren, bei denen jeweils die Frau an Demenz erkrankt war, auf dem Kongress auf. Die Schilderungen, wie die Krankheit das tägliche Leben beeinflusst und den Umgang miteinander verändert, waren sehr eindrucksvoll. Die große Belastung der Angehörigen wurde durch die Äußerung eines Ehemanns deutlich, dass er den Todeswunsch seiner Frau, sollte sie diesen äußern, akzeptieren werde.

Mythen und Fakten

Einen Spiegel hielt Anne Cole (Centre for Pharmacy Postgraduate Education) den Kongressteilnehmerinnen vor, indem sie die „Mythen“ zu Demenzerkrankungen durch Fakten widerlegte:

  • Demenz ist kein natürlicher Teil des Alterns.
  • Demenz wird durch Krankheiten im Gehirn verursacht.
  • Demenz heißt nicht nur, sein Gedächtnis zu verlieren.
  • Es ist möglich, gut mit Demenz zu leben.
  • Ein Mensch mit Demenz ist ein Individuum.

Cole ermunterte die Teilnehmer, in kleinen Schritten auf Menschen mit Demenz zuzugehen, und stellte das zu diesem Zweck entwickelte Programm „Dementia Friends“ vor. Es motiviert, Menschen mit Demenz freundlich zu begegnen, ihnen zuzuhören und sie zu bestätigen, sie an alltäglichen Entscheidungen zu beteiligen und sie ernst zu nehmen.

Durch Anstecken eines simplen Stickers, durch Anbringen des Icons an der Apothekentür könne jeder kundtun: Hier ist Unterstützung zu finden für Menschen mit Demenz. Pragmatisch, „englisch“ und wirkungsvoll, wie Anne Cole versicherte.

Admiral Nurses

Helen Springthorpe berichtete über die Arbeit der „Admiral Nurses“, die von Dementia UK, einer Wohlfahrtsorganisation zur Unterstützung von Demenzkranken und ihrer Familien, getragen wird. Der ungewöhnliche Name wurde zum Andenken an den Geschäftsmann Joseph Levy gewählt, der von seinen Enkeln wegen seiner Leidenschaft für das Segeln „Admiral Joe“ genannt wurde und selbst an Demenz erkrankte.

Admiral Nurses sind auf psychiatrische Erkrankungen spezialisierte Krankenschwestern mit dem Schwerpunkt Demenzerkrankungen. Sie betreuen Demenzkranke und deren Familien ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung psychologisch und unterstützen sie bei der Lösung von Alltagsproblemen.

Die Veranstaltung schloss mit drei Präsentationen von Studentinnen, die sich thematisch mit der pharmazeutischen Betreuung von Demenzkranken befassten. 

Antonie Marqwardt

 

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